Elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Kommunikation mit Gerichten

Österreich
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Ist es möglich, über das Internet ein Gerichtsverfahren anzustrengen?

Ja, Gerichtsverfahren können im Wege des sogenannten “Elektronischen Rechtsverkehrs“ (ERV) über das Internet eingeleitet werden. Man muss dafür aber bei einer von mehreren möglichen Übermittlungsstellen (clearing houses) registriert sein, über die die Eingabe an die Justiz weitergeleitet wird. Diese Registrierung ist kostenpflichtig. Es fällt eine Grundgebühr von rund EUR 20,00 monatlich sowie eine Gebühr von etwa 30 Cent pro Übermittlung an. Die Kosten für einen eingeschriebenen Brief betragen in Österreich rund EUR 3,00.

Zudem steht für die elektronische Übermittlung ein kostenloser Upload Service unter Verwendung der Bürgerkarte (ID Austria) zur Verfügung, der allerdings im Gegensatz zum ERV keinen elektronischen Rückverkehr an den Einbringer ermöglicht.

2 Wenn ja, für welche Arten von Rechtssachen steht der Online-Dienst zur Verfügung? Gibt es Verfahren, die ausschließlich über das Internet eingeleitet werden?

Der ERV ermöglicht die elektronische Kommunikation zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften einerseits und den Parteien andererseits auf gleicher Ebene wie in Papierform. Er steht für alle Arten von Verfahren zur Verfügung. Verfahren, die ausschließlich über das Internet eingeleitet werden müssen, gibt es nicht.

3 Ist der Online-Dienst rund um die Uhr oder nur zu bestimmten Zeiten verfügbar? Falls Letzteres zutrifft, zu welchen Zeiten ist der Dienst verfügbar?

Der Dienst ist an sieben Tagen die Woche, jeweils von 0 bis 24 Uhr verfügbar.

4 Müssen die Klagegründe in einem bestimmten Format übermittelt werden?

Nicht nur Klagegründe, sondern sämtliche Verfahrensdaten, die in einer Klage anzugeben sind, müssen in einer vorgegebenen XML-Struktur (oder als PDF- Anhang zu dieser Struktur) übermittelt werden. Mit Einrichtung der Justizbox Mitte 2023 werden auch andere Dateiformate (zB für die Übermittlung von Audio- und Videodateien) unterstützt.

5 Wie wird die Sicherheit der Datenübermittlung und Datenspeicherung gewährleistet?

Der Transport der Daten im Wege des ERV ist durch das https-Protokoll gesichert. Die Authentifizierung aller Beteiligten erfolgt durch Zertifikate. Die Kommunikation zwischen den Servern erfolgt ebenfalls zertifikatsbasiert. Sicherheit bietet darüber hinaus das Erfordernis der Registrierung bei einer Zugangsstelle (siehe oben Punkt 1).

6 Bedarf es einer Art von elektronischer Signatur und/oder eines Zeitstempels?

Siehe oben Punkt 5 (Zertifikate). Elektronische Signaturen sind nicht erforderlich. Lediglich bei Grundbucheingaben gibt es einen Zeitstempeldienst. Dabei wird dem Einbringer bei einer gültigen Eingabe die Einbringung durch einen zentralen Zeitstempeldienst der Justiz bestätigt.

7 Fallen Gerichtsgebühren an? Wenn ja, wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus und unterscheiden sie sich in ihrer Höhe von den Gebühren für nicht elektronische Verfahren?

Die Gerichtsgebühren werden bei elektronischer Einbringung im Wege eines Abbuchungs- und Einziehungsverfahrens bezahlt. Im Allgemeinen sind die Gebühren bei elektronischer Einleitung des Verfahrens gleich hoch wie bei Einbringung in Papierform. In einigen besonderen Konstellationen gibt es aber Gebührenermäßigungen bei elektronischer Übermittlung von Eingaben.

8 Ist es möglich, eine Klage, die über das Internet erhoben wurde, zurückzuziehen?

Es besteht (auch) hier kein Unterschied zur nicht-elektronischen Variante. Die Regeln des Zivilverfahrensrechts gelten für ERV-geführte Verfahren in gleicher Weise. Klagen können, auch wenn sie nicht elektronisch eingebracht wurden, elektronische zurückgezogen werden.

9 Wenn über das Internet Klage erhoben wurde, kann bzw. muss der Beklagte auf demselben Weg antworten?

Ja, das Internet kann auch für die Beantwortung von Klagen, Rechtsmitteln etc. genutzt werden. Die Benützung des ERV ist im Allgemeinen nicht zwingend; allerdings sind Rechtsanwälte, Notare, Banken, Versicherungen, gesetzliche Sozialversicherungsträger, die Finanzprokuratur und die Rechtsanwaltskammern verpflichtet, den ERV zu verwenden.

Sachverständige und Dolmetscher sind unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, den ERV zu verwenden.

10 Wie verläuft das elektronische Verfahren, wenn der Beklagte auf die Klage antwortet?

Die Regeln des Zivilverfahrensrechts gelten für ERV-geführte Verfahren in gleicher Weise.

11 Wie verläuft das elektronische Verfahren, wenn der Beklagte nicht auf die Klage antwortet?

Die Regeln des Zivilverfahrensrechts gelten für ERV-geführte Verfahren in gleicher Weise.

12 Können einem Gericht Unterlagen in elektronischer Form zugeleitet werden? Wenn ja, in welcher Art von Verfahren und unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?

Ja, alle Arten von Dokumenten können via ERV an das Gericht übermittelt werden. Selbst in Grund- und Firmenbuchverfahren können Urkunden mit Originalwirkung elektronisch übermittelt werden.

13 Können gerichtliche Schriftstücke sowie insbesondere gerichtliche Entscheidungen über das Internet zugestellt werden?

Ja, über den ERV.

14 Können gerichtliche Entscheidungen in elektronischer Form ergehen?

Ja, über den ERV.

15 Ist es möglich, über das Internet Rechtsmittel einzulegen, und kann die diesbezügliche Entscheidung über das Internet zugestellt werden?

Ja, über den ERV.

16 Ist es möglich, Vollstreckungsverfahren über das Internet einzuleiten?

Ja, über den ERV.

17 Können sich die Parteien oder ihre Rechtsvertreter online über eine Rechtssache informieren? Wenn ja, wie?

Ja, Parteien und ihre Rechtsvertreter können im Wege von Verrechnungsstellen online Einsicht in die jeweiligen Geschäftsregister sämtlicher Zivil- und Exekutionsverfahren nehmen. Allerdings nur soweit es um ihre eigenen Fälle geht. Die Prüfung der Berechtigung zur Einsichtnahme erfolgt über einen sogenannten Anschriftcode, der jedem Einsichtsberechtigten eindeutig zugeordnet ist.

Letzte Aktualisierung: 29/10/2024

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