Elterliche Sorge und Umgangsrecht/Besuchsrecht

Finnland
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Was bedeutet der Ausdruck "Elterliche Verantwortung" in der Praxis? Was sind die Rechte und Pflichten des Inhabers elterlicher Verantwortung?

Die Träger der elterlichen Verantwortung sind verpflichtet, für eine ausgewogene Entwicklung und für das Wohl des Kindes im Einklang mit seinen Bedürfnissen und Wünschen zu sorgen. Ziel der elterlichen Verantwortung ist es daher, enge und liebevolle Beziehungen zu gewährleisten, insbesondere zwischen Kindern und ihren Eltern.

Kinder haben ein Recht auf eine gute Versorgung und Erziehung sowie auf die Aufsicht und den Schutz, die ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechen. Sie sollen in Geborgenheit und in einer ihnen förderlichen Umgebung aufwachsen und eine Bildung erhalten, die ihren Neigungen und Wünschen entspricht.

Kinder müssen in Geborgenheit mit Verständnis und Liebe großgezogen werden und dürfen weder körperlicher Bestrafung noch anderweitiger Misshandlung ausgesetzt werden. Sie sollen Unterstützung und Ermutigung erfahren, sodass sie sich zu unabhängigen, verantwortungsbewussten Erwachsenen entwickeln können (Gesetz über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht 361/1983, § 1).

Die Träger der elterlichen Verantwortung müssen das Wohl und die Entwicklung des Kindes wie oben beschrieben gewährleisten. Zu diesem Zweck haben sie das Recht, Entscheidungen über die Betreuung des Kindes, dessen Erziehung, Ort des gewöhnlichen Aufenthalts und andere persönliche Angelegenheiten zu treffen. Bei den Entscheidungen sollte die Meinung des Kindes berücksichtigt werden.

2 Wer hat generell die elterliche Verantwortung für ein Kind?

Wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet sind, haben beide die elterliche Verantwortung. Wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht verheiratet sind, hat die Mutter die elterliche Verantwortung. Die Eltern können im Zusammenhang mit der Anerkennung der Vaterschaft festlegen, wer das Sorgerecht für das Kind haben soll. Wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht für ein Kind hat und die Eltern später heiraten, übernehmen beide Eltern die elterliche Verantwortung.

3 Kann eine andere Person statt der Eltern ernannt werden, wenn diese die elterliche Verantwortung für ihre Kinder nicht ausüben können oder wollen?

Ein Gericht kann einer oder mehreren Personen mit deren Zustimmung zusätzlich zu den Eltern oder an deren Stelle das Sorgerecht übertragen. Bei der Entscheidung ist das Wohl des Kindes zu berücksichtigen. Zudem müssen – aus Sicht des Kindes – zwingende Gründe für die Übertragung des Sorgerechts auf andere Personen als die Eltern vorliegen. Wenn die Eltern verstorben sind, ist es Aufgabe des Sozialausschusses, Maßnahmen zur Erteilung des Sorgerechts für das Kind zu ergreifen.

4 Wie wird die Frage elterlicher Verantwortung für die Zukunft geregelt, wenn sich die Eltern scheiden lassen oder trennen?

Bei anstehenden Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht ist stets das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, sodass diese Rechte künftig so gut wie möglich ausgeübt werden können. Die Eltern können eine Vereinbarung über die elterliche Verantwortung treffen. Falls die Eltern nicht in der Lage sind, eine solche Vereinbarung zu treffen, muss das Gericht entscheiden.

5 Welche Formalitäten müssen beachtet werden, um eine Einigung der Eltern über die elterliche Verantwortung rechtlich bindend zu machen?

Das Sorgerecht für das Kind muss schriftlich vereinbart werden. Die Sorgerechtsvereinbarung kann dem örtlichen Sozialamt zur Bestätigung vorgelegt werden. Das Sozialamt muss sicherstellen, dass die Vereinbarung mit dem Wohl des Kindes in Einklang steht. Eine vom Sozialamt genehmigte Vereinbarung ist ebenso wirksam und vollstreckbar wie eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung.

6 Was sind andere Wege der Konfliktlösung, ohne vor Gericht zu gehen, wenn die Eltern nicht zu einer Einigung über die elterliche Verantwortung kommen können?

Falls die Ehegatten nicht in der Lage sind, eine Vereinbarung zu treffen, können sie einen Antrag auf Unterstützung durch den Kinderschutzbeauftragten der Gemeinde oder einen Familienmediator stellen. Kinderschutzbeauftragte bieten den Eltern Beratung und sind dazu befugt, von den Eltern getroffene Vereinbarungen zu genehmigen. Eine genehmigte Vereinbarung ist einer Gerichtsentscheidung gleichgestellt. Familienmediatoren unterstützen die Eltern dabei, ihre Streitigkeiten einvernehmlich beizulegen. Sie können auch dabei helfen, Vereinbarungen zu formulieren. Familienmediatoren müssen besonders darauf achten, dass die Interessen von Minderjährigen in der Familie gewahrt werden.

Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich auf das Sorgerecht für das Kind, Regelungen zur Wohnsituation, das Umgangsrecht und Unterhaltszahlungen. (Gesetz über Mediation in Zivilsachen und über die Bestätigung von Vergleichen vor Gerichten erster Instanz 394/2011, § 10). Die gerichtliche Mediation ist vom Gerichtsverfahren getrennt. Sie beginnt, sobald ein anhängiges Verfahren an die gerichtliche Mediation verwiesen wird. Alternativ kann die gerichtliche Mediation auf Antrag der Streitparteien eingeleitet werden. Der Mediator ist ein Richter, der von einem Sachverständigen unterstützt wird – in der Regel von einem Psychologen oder einem Sozialarbeiter. Eine bestätigte Vereinbarung ist einer Gerichtsentscheidung gleichgestellt. Falls es nicht gelingt, eine Vereinbarung zu erzielen, wird das Gerichtsverfahren fortgesetzt oder das Gericht stellt das Verfahren ein.

7 Welche Angelegenheiten kann der Richter in Bezug auf das Kind entscheiden, wenn die Eltern vor Gericht gehen?

Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich auf das Sorgerecht für das Kind, Regelungen zur Wohnsituation und das Umgangsrecht. Bei Bedarf kann das Gericht auch Entscheidungen bezüglich der Rechte und Pflichten der sorgeberechtigten Person sowie bezüglich der Aufteilung der Pflichten unter den Sorgeberechtigten treffen. Bei Entscheidungen zum Umgangsrecht muss das Gericht detailliert darlegen, welche Bedingungen für Besuche gelten und bei wem das Kind leben soll. Die Unterhaltszahlung kann ebenfalls gemeinsam mit der Bestimmung des Sorgerechts festgelegt werden.

8 Bedeutet es, wenn das Gericht entscheidet, dass ein Elternteil die alleinige elterliche Verantwortung für ein Kind hat, dass er oder sie alle Angelegenheiten in Bezug auf das Kind entscheiden kann, ohne sich zuerst mit dem anderen Elternteil zu beraten?

Wenn es nur eine einzige sorgeberechtigte Person gibt, trifft diese Person alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Versorgung des Kindes. Allerdings kann das Gerichtsurteil die Rechte und Pflichten dieser Person einschränken, einschließlich des Rechts auf Bestimmung des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.

9 Was bedeutet es in der Praxis, wenn das Gericht entscheidet, dass die Eltern die gemeinsame elterliche Verantwortung für ein Kind haben?

In diesem Fall sind beide Eltern gemeinsam für alle Angelegenheiten in Bezug auf das Kind verantwortlich. Wenn die sorgeberechtigten Eltern getrennt leben, treffen sie alltägliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Kind abhängig davon, bei welchem Elternteil das Kind lebt. Bei größeren Entscheidungen ist die Zustimmung der beiden Sorgeberechtigten erforderlich. Dazu zählen beispielsweise die Änderung der Religionszugehörigkeit oder des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, die Beantragung eines ausländischen Reisepasses sowie Entscheidungen im Zusammenhang mit Bildung, Gesundheit oder Krankenhausaufenthalten.

10 An welches Gericht oder welche Behörde soll ich mich wenden, um einen Antrag in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu stellen? Welche Formalitäten müssen beachtet werden und welche Schriftstücke muss ich meinem Antrag beifügen?

Anträge auf Erteilung des Sorge- oder Umgangsrechts sind schriftlich beim Amtsgericht (käräjäoikeus) am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu stellen. Antragsberechtigt sind die Eltern (gemeinsam und getrennt), die sorgeberechtigte Person oder der Sozialausschuss. Der Antrag sollte die konkrete Forderung und eine entsprechende Begründung enthalten. Alle als Beweismittel verwendeten Unterlagen müssen beigefügt werden. Der Antrag muss unterzeichnet und entweder persönlich oder von einem bevollmächtigten Vertreter beim Amtsgericht eingereicht werden. Der Antrag kann auch per Post oder Fax übermittelt werden. Das Verfahren wird eröffnet, sobald der Antrag beim Amtsgericht eingeht.

11 Welches Verfahren findet in diesen Fällen Anwendung? Gibt es ein Eilverfahren?

In Sorgerechtsfällen gilt das Gesetz über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht. Nach diesem Gesetz muss das Gericht den Eltern und der sorgeberechtigten Person in einem Verfahren über das Sorge- oder Umgangsrecht die Möglichkeit geben, Stellung zu nehmen. Das Kind kann ebenfalls vor Gericht gehört werden, falls es dafür im jeweiligen Fall triftige, gewichtige Gründe gibt. Das Gericht erhält in der Regel vom Sozialausschuss einen Bericht über die Situation des Kindes.

Das Gericht kann mittels einer einstweiligen Anordnung entscheiden, beim wem das Kind für die Dauer des Verfahrens vorübergehend leben soll und welche Umgangs- und sonstigen Regelungen in dieser Zeit gelten. In Einzelfällen kann das Gericht ein vorläufiges Sorgerecht aussprechen, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Gegen eine einstweilige Anordnung kann kein Rechtsbehelf eingelegt werden. Die einstweilige Anordnung gilt, bis eine endgültige Entscheidung ergeht.

12 Kann ich Verfahrenskostenhilfe bekommen, um die Kosten des Verfahrens zu decken?

In Sorgerechtsfällen besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten. Die Prozesskostenhilfe hängt vom persönlichen Einkommen ab. Näheres über die Prozesskostenhilfe in Finnland erfahren Sie hier.

13 Ist es möglich, einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung in Bezug auf die elterliche Verantwortung einzulegen?

Gegen die Entscheidung eines Amtsgerichts kann beim Rechtsmittelgericht (hovioikeus) ein Rechtsbehelf eingelegt werden.

14 In bestimmten Fällen kann es erforderlich sein, sich an ein Gericht oder eine andere Behörde zu wenden, um eine Entscheidung zur elterlichen Verantwortung zu vollstrecken. Welches Verfahren findet in solchen Fällen Anwendung?

Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung werden nach Maßgabe des Gesetzes über die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht vollstreckt. Der Antrag auf Vollstreckung muss schriftlich beim Amtsgericht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder der Gegenpartei gestellt werden. Wenn der Erlass der Entscheidung weniger als drei Monate zurückliegt, kann der Antrag auf Vollstreckung einer Entscheidung zur elterlichen Verantwortung auch bei einem Gerichtsvollzieher gestellt werden. Dem Antrag ist eine Ausfertigung der Entscheidung beizufügen.

Nach Eingang des Antrags und einer Stellungnahme der Gegenpartei beauftragt das Gericht normalerweise einen Mediator des Sozialausschusses mit der Bearbeitung des Falls. Der Mediator nimmt mit den Eltern Kontakt auf und bespricht die Angelegenheit mit ihnen und, wenn möglich, auch mit dem Kind. Der Mediator versucht auch, ein gemeinsames Treffen mit beiden Eltern zu vereinbaren. Anschließend informiert der Mediator das Gericht, das auf der Grundlage dieses Berichts seine Entscheidung trifft. Das Gericht kann außerdem eine ärztliche Untersuchung des Kindes anordnen.

Wenn das Gericht beschließt, dass die Entscheidung zur elterlichen Verantwortung vollstreckt werden muss, ist die andere Partei verpflichtet, das Kind zu übergeben. Der Entscheidung kann mit einer Geldbuße Nachdruck verliehen werden. Als äußerstes Mittel kann das Kind unter Zwang von derjenigen Partei getrennt werden, die sich weigert, die Entscheidung zu befolgen.

Wenn das Amtsgericht eine zwangsweise Rückführung des Kindes angeordnet hat, kann die Mediation auf Antrag des Gerichtsvollziehers dennoch fortgesetzt werden.

15 Was soll ich tun, um eine Entscheidung zur elterlichen Verantwortung, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, in diesem Mitgliedstaat anerkennen und vollstrecken zu lassen?

Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gilt für die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung, soweit diese in ihren Geltungsbereich fallen. Die Verordnung gilt nicht in Dänemark.

Nach der Verordnung müssen Entscheidungen über die Auflösung einer Ehe von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es dafür eines besonderen Verfahrens bedarf. Jede Partei, die ein Interesse hat, kann jedoch eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Der Antrag auf Anerkennung ist in Finnland beim Amtsgericht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes einzureichen.

In Dänemark und in Schweden ergangene Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung, die nicht nach der genannten Verordnung ergangen sind, werden auf der Grundlage des Gesetzes über die Anerkennung und Vollstreckung skandinavischer gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen vollstreckt (laki yksityisoikeudellista vaatimusta koskevien pohjoismaisten tuomioiden tunnustamisesta ja täytäntöönpanosta 588/1977). Eine separate Bestätigung der Anerkennung einer Entscheidung ist nicht vorgesehen. Anträge auf Vollstreckung sind beim Amtsgericht einzureichen.
Alle übrigen ausländischen Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung werden in Finnland ohne besondere Bestätigung anerkannt. Auf Antrag kann jedoch das Rechtsmittelgericht in Helsinki (Helsingin hovioikeus) die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Entscheidung in Finnland bestätigen.

Der Antrag auf Vollstreckung einer vollstreckbaren Sorgerechtsentscheidung ist beim Amtsgericht des gewöhnlichen oder vorübergehenden Aufenthalts des Kindes oder der Gegenpartei einzureichen (Abschnitt 14 enthält weitere Informationen zu den Vollstreckungsverfahren).

16 An welches Gericht in diesem Mitgliedstaat soll ich mich wenden, um mich gegen die Anerkennung einer Entscheidung zur elterlichen Verantwortung zu wenden, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats getroffen wurde? Welches Verfahren findet in solchen Fällen Anwendung?

Es findet dasselbe Verfahren wie in Abschnitt 15 beschrieben Anwendung.

17 Welches Recht ist in einem Verfahren zur elterlichen Verantwortung anwendbar, wenn das Kind oder die Beteiligten nicht in diesem Mitgliedstaat leben oder unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben?

Bei Verfahren zur elterlichen Verantwortung, die in Finnland verhandelt werden, gilt finnisches Recht.

 

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Letzte Aktualisierung: 15/02/2024

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