- 1 Muss ich mich unbedingt an ein Gericht wenden oder gibt es eine andere Möglichkeit?
- 2 Gibt es eine Frist für die Klageerhebung?
- 3 Muss ich mich an ein Gericht in diesem Mitgliedstaat wenden?
- 4 Wenn ja, an welches Gericht muss ich mich in diesem Mitgliedstaat aufgrund meines Wohnsitzes und des Wohnsitzes des Gegners oder aufgrund anderer Kriterien der örtlichen Zuständigkeit wenden?
- 5 An welches Gericht muss ich mich in diesem Mitgliedstaat aufgrund des Klagegegenstands und der Höhe des Streitwerts wenden?
- 6 Kann ich selbst eine Klage anstrengen oder muss ich eine Mittelsperson, z. B. einen Anwalt, einschalten?
- 7 Bei wem reiche ich meinen Klageantrag ein: bei der Anmeldung oder bei der Geschäftsstelle des Gerichts oder bei einer anderen Verwaltungsstelle?
- 8 In welcher Sprache kann ich den Antrag stellen? Kann dies mündlich geschehen oder muss er schriftlich gestellt werden? Kann ich ihn per Fax oder E-Mail schicken?
- 9 Gibt es besondere Formblätter oder wenn nicht, wie muss ich anderenfalls einen Fall darstellen? Welche Inhalte muss die Klage haben?
- 10 Muss ich Gerichtsgebühren zahlen? Wenn ja, wann? Muss ich einen Anwalt von Anfang an bezahlen?
- 11 Kann ich Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen?
- 12 Wann gilt meine Klage amtlich als erhoben? Erhalte ich von den Behörden Bescheid, ob meine Klage ordnungsgemäß erhoben wurde?
- 13 Erhalte ich genaue Angaben zum weiteren Verlauf (z. B. die Frist für die Klageeinlassung)?
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1 Muss ich mich unbedingt an ein Gericht wenden oder gibt es eine andere Möglichkeit?
Streitigkeiten können sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich beigelegt werden.
Eine Form der außergerichtlichen Beilegung ist die Schlichtung. Dabei handelt es sich um ein außergerichtliches Verfahren der freiwilligen Streitbeilegung, das von einem unabhängigen, unparteiischen Schlichter durchgeführt wird. Ein Schlichter erleichtert die Verständigung der Parteien und somit auch die Suche nach einer Lösung. Im Zuge der Schlichtungsverhandlungen, die vertraulich sind, darf der Schlichter nicht den Eindruck erwecken, er wäre befugt, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Der Schlichter kann ein Notar, ein Rechtsanwalt oder jede andere natürliche Person sein, die von den Streitparteien bestellt wird und befugt ist, mittels einer juristischen Person tätig zu werden (z. B. Schlichter einer Schlichtungsstelle für das Versicherungswesen über die estnische Versicherungsvereinigung (Eesti Kindlustusseltside Liit) oder das estnische Kraftfahrzeugversicherungsamt (Eesti Liikluskindlustuse Fond)). Eine Schlichtungsstelle ist eine Einrichtung, die dem Staat oder einer lokalen Behörde, wie dem Urheberrechtsausschuss (Autoriõiguse komisjon), unterstellt ist. Eine Vergleichsvereinbarung, die als Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens zustande gekommen ist, stellt einen vollstreckbaren Titel unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen dar, sofern die Vereinbarung von einem Gericht für vollstreckbar erklärt wurde und einem Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung vorgelegt werden kann. Handelt es sich bei dem Schlichter um einen Notar oder einen Rechtsanwalt, kann auf Antrag der Parteien des Schlichtungsverfahrens eine Vergleichsvereinbarung über einen vermögensrechtlichen oder über einen sonstigen Anspruch von einem Notar beurkundet und der sofortigen Zwangsvollstreckung unterzogen werden, wobei in Bezug auf den sonstigen Anspruch die Voraussetzung erfüllt sein muss, dass ein Kompromiss erzielt werden kann. In einem solchen Fall muss die Vergleichsvereinbarung nicht von einem Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Eine von einer Schlichtungsstelle für rechtsgültig erklärte Vergleichsvereinbarung ist für die Parteien verbindlich und muss nicht von einem Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Eine andere Form der alternativen Streitbeilegung ist das Schiedsverfahren. Da die Schiedsstelle von den Parteien selbst bestellt wird, können sie sich der Kenntnisse, der Erfahrungen und der Unparteilichkeit der Schiedsrichter sicher sein. Die Parteien können auch die Verfahrenssprache, das anwendbare Recht und die Verfahrensregeln festlegen. Eine Schiedsstelle kann für einen einzelnen Fall (ad hoc) oder dauerhaft eingerichtet werden. Eine dauerhafte Schiedsstelle in Estland ist das Schiedsgericht der Notarkammer (Notarite Koja vahekohus). In Estland werden Streitigkeiten, die im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr entstehen, häufig vom Schiedsgericht der estnischen Industrie- und Handelskammer (Eesti Kaubandus-Tööstuskoja (EKTK) arbitraažikohus) beigelegt. Das Urteil eines dauerhaften Schiedsgerichts in Estland stellt einen vollstreckbaren Titel dar, ohne dass es von einem Gericht für vollstreckbar erklärt werden muss. Urteile von anderen Schiedsgerichten, z. B. von Ad-hoc-Schiedsgerichten, sowie von Schiedsgerichten anderer Staaten müssen zunächst von einem Gericht für vollstreckbar erklärt werden, bevor sie einer Zwangsvollstreckung unterzogen werden können. Neben Schieds- und Schlichtungsverfahren gibt es auch Ausschüsse für die außergerichtliche Beilegung von bestimmten Arten von Streitigkeiten.
So kann bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zunächst ein Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten (töövaidluskomisjon) angerufen werden. Ein Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten ist eine unabhängige Instanz für die Beilegung einzelner arbeitsrechtlicher Streitigkeiten, an die sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber wenden können. Die Beilegung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten in einem Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten ist im Gesetz zur Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten (individuaalse töövaidluse lahendamise seadus) geregelt. Für die Verhandlung von Streitigkeiten in einem Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten werden keine staatlichen Gebühren erhoben. Ein Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten kann über alle Streitigkeiten entscheiden, die sich aus Arbeitsbeziehungen ergeben. Handelt es sich um Geldforderungen, so muss deren Höhe begründet sein. Es gibt keine Einschränkungen was die Anrufung eines Ausschusses für Arbeitsstreitigkeiten anbelangt. In dem Antrag, der bei einem Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten eingereicht wird, müssen die Umstände dargelegt werden, die für die Streitigkeit von Bedeutung sind. Wenn beispielsweise eine Entlassung angefochten wird, müssen der Zeitpunkt und die Gründe für die Entlassung angegeben werden. In dem Antrag muss dargelegt werden, worüber die Parteien uneins sind, d. h. was nach Auffassung des Antragstellers vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber versäumt wurde oder welche Handlung rechtswidrig war. Dem Antrag sollten Nachweise beigefügt werden, die als Belege für die den Gegenstand des Antrags bildenden Ansprüche (z. B. Arbeitsvertrag, gegenseitige Vereinbarungen oder Schriftverkehr zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber usw.) dienen, oder Verweise auf andere Beweise oder Zeugen. Hält es ein Antragsteller für erforderlich, einen Zeugen zur Verhandlung zu laden, sollte der Antrag den Namen und die Anschrift des Zeugen enthalten. Ein in Kraft getretener Beschluss eines Ausschusses für Arbeitsstreitigkeiten stellt einen vollstreckbaren Titel dar und kann einem Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung vorgelegt werden. Unter bestimmten Umständen kann ein Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten die unverzügliche Vollstreckbarkeit seines Beschlusses erklären. Ist eine Streitpartei mit dem Beschluss des Ausschusses für Arbeitsstreitigkeiten nicht einverstanden, so kann diese Partei die arbeitsrechtliche Streitigkeit innerhalb eines Monats ab dem Folgetag des Eingangs der Abschrift des Beschlusses vor ein Landgericht (maakohus) bringen. In diesem Fall tritt der Beschluss des Ausschusses für Arbeitsstreitigkeiten nicht in Kraft.
Ansprüche aus einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Händler können vor einem Verbraucherbeschwerdeausschuss (tarbijakaebuste komisjon) geltend gemacht werden. Die Beilegung von verbraucherrechtlichen Streitigkeiten ist im Verbraucherschutzgesetz (tarbijakaitseseadus) geregelt. Der Verbraucherbeschwerdeausschuss ist für die Regelung von inländischen und grenzüberschreitenden Verbraucherstreitigkeiten zuständig, die sich aus Verträgen zwischen Verbrauchern und Händlern ergeben und von einem Verbraucher vorgebracht werden, sofern es sich bei einer der Streitparteien um einen Händler mit Sitz in der Republik Estland handelt. Ferner ist der Ausschuss für die Beilegung aller Streitigkeiten im Zusammenhang mit Schäden zuständig, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht wurden, vorausgesetzt, der Schaden ist feststellbar. Wenn der Schaden bestätigt wurde, er sich aber nicht präzise beziffern lässt, wie beispielsweise bei einem nicht monetären oder einem zukünftigen Schaden, legt ein Gericht die Höhe der Entschädigung fest. Der Ausschuss entscheidet nicht über Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, von Bildungsdienstleistungen, die von juristischen Personen im Bereich des öffentlichen Rechts angeboten werden, oder von Gesundheitsdienstleistungen, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe für Patienten erbracht werden, um ihren Gesundheitszustand zu bewerten, zu erhalten oder wiederherzustellen, wie etwa durch Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Darüber hinaus regelt der Ausschuss keine Streitigkeiten infolge von Personenschäden (mit Todesfolge oder Schädigung von Körper und Gesundheit) oder Streitigkeiten, bei denen das Streitbeilegungsverfahren anderweitig gesetzlich geregelt ist. Solche Streitigkeiten werden von den zuständigen Behörden oder Gerichten beigelegt (z. B. können Streitigkeiten, die sich aus Wohnraummietverträgen ergeben, nicht nur von Gerichten, sondern auch von Mietausschüssen entschieden werden). Bei einem von einem Verbraucher eingereichten Antrag auf Überprüfung wird das Ergebnis der Streitbeilegung den Parteien innerhalb von 90 Tagen nach Annahme des Antrags zur Kenntnis gebracht. Bei komplexen Streitfällen kann diese Frist verlängert werden. Einem Beschluss des Verbraucherbeschwerdeausschusses muss, sofern darin nicht anders vorgesehen, innerhalb von 30 Tagen ab dem Folgetag seiner Veröffentlichung auf der Website der Verbraucherschutzbehörde (Tarbijakaitseamet) nachgekommen werden. Eine Liste der Händler, die den Beschlüssen des Ausschusses nicht nachgekommen sind, wird auf der Website der Verbraucherschutzbehörde veröffentlicht; der Beschluss des Ausschusses kann jedoch nicht der Zwangsvollstreckung unterzogen werden, was bedeutet, dass er einem Gerichtsvollzieher zu einem solchen Zweck nicht vorgelegt werden kann. Ein auf die Liste gesetzter Händler wird wieder von der Liste gestrichen, wenn er dem jeweiligen Beschluss des Ausschusses nach der Aufnahme in die Liste nachkommt oder wenn mehr als 12 Monate ab der Aufnahme des Händlers in die Liste vergangen sind. Sollten die Streitparteien mit dem Beschluss des Ausschusses nicht einverstanden sein und ihm nicht nachkommen, können sie die Streitigkeit vor ein Landgericht bringen. Ein Händler teilt der Verbraucherschutzbehörde schriftlich mit, ob dem Beschluss nachgekommen wird oder ob ein Landgericht angerufen wurde, wobei dem Schreiben im letzten Fall eine Abschrift der beim Landgericht eingereichten Klage beizufügen ist. Mit Zustimmung des Verbrauchers kann die Verbraucherschutzbehörde als dessen Vertreter die vom Ausschuss beigelegte Streitigkeit vor ein Landgericht bringen, wenn der Händler dem Beschluss nicht nachgekommen ist und die Streitsache für die Anwendung eines Gesetzes oder anderer Rechtsvorschriften oder für die kollektiven Interessen der Verbraucher von Belang ist.
Über Streitfälle, die sich aus Wohnraummietverträgen ergeben, kann auch ein Mietausschuss entscheiden. Die Beilegung von Mietstreitigkeiten ist im Mietstreitbeilegungsgesetz (üürivaidluse lahendamise seadus) geregelt. Mietausschüsse sind nicht für Streitigkeiten zuständig, die finanzielle Forderungen von mehr als 3200 EUR betreffen. Ein Mietausschuss kann von einer örtlichen Behörde eingesetzt werden und regelt Mietstreitigkeiten, die sich in seinem Zuständigkeitsbereich ergeben. In Estland ist bisher nur in Tallinn ein Mietausschuss eingerichtet worden. Ein an einen Mietausschuss gerichteter Antrag muss Angaben zum Antrag selbst und zum Sachverhalt enthalten, auf den er sich stützt; ferner müssen ihm der Mietvertrag und die Beweise, die als Grundlage für die im Antrag genannten Behauptungen dienen, sowie andere einschlägige Nachweise beigefügt werden. Ein in Kraft getretener Beschluss eines Mietausschusses stellt einen vollstreckbaren Titel dar und kann einem Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung vorgelegt werden. Ist eine Streitpartei mit dem Beschluss des Mietausschusses nicht einverstanden, so kann diese Partei die Mietstreitigkeit innerhalb von 20 Tagen ab dem Folgetag des Eingangs des Beschlusses des Ausschusses vor ein Landgericht bringen. In diesem Fall tritt der Beschluss des Mietausschusses nicht in Kraft. Die Beilegung von Streitigkeiten durch die genannten Ausschüsse stellt kein obligatorisches Vorverfahren dar, d. h. falls die Parteien die Streitigkeit nicht außergerichtlich beilegen möchten oder können, haben sie die Möglichkeit, ein Gericht anzurufen. Eine Streitsache kann nicht gleichzeitig vor einem Gericht und einem zuständigen außergerichtlichen Ausschuss verhandelt werden.
2 Gibt es eine Frist für die Klageerhebung?
Rechtsbeziehungen, die privatrechtlicher Natur sind, unterliegen dem Grundsatz der Privatautonomie, was bedeutet, dass ein Gläubiger frei entscheiden kann, wann er seinen Anspruch gegen einen Schuldner geltend macht. Im Interesse der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens kann der Schuldner jedoch auf eine Verjährungsfrist verweisen, wenn der Gläubiger es versäumt, seinen Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen. Ein Gericht oder eine andere Streitbeilegungsstelle wird nur dann eine Verjährungsfrist durchsetzen, wenn der Schuldner dies verlangt. Somit erlischt der Anspruch des Gläubigers nicht automatisch mit Ablauf der Verjährungsfrist. Ist der Anspruch jedoch verjährt und macht der Schuldner die Verjährungsfrist geltend, wird das Gericht weder die Streitsache verhandeln noch in der Sache entscheiden.
- Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Rechtsgeschäften beträgt drei Jahre.
- Für den Fall, dass der Schuldner seine Verpflichtungen vorsätzlich nicht erfüllt, beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Rechtsgeschäften hingegen zehn Jahre.
- Die Verjährungsfrist für Ansprüche im Zusammenhang mit der Übertragung von Immobilien, der Belastung von Immobilien mit dinglichen Rechten, der Übertragung oder Kündigung eines dinglichen Rechts oder der Änderung des Inhalts eines dinglichen Rechts beträgt zehn Jahre.
- Die Verjährungsfrist für einen Anspruch, der sich aus dem Gesetz ergibt, beträgt zehn Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem die Forderung fällig ist, es sei denn, das Gesetz sieht etwas anderes vor.
- Die Verjährungsfrist für einen Anspruch aus rechtswidrig verursachten Schäden beträgt drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruchsberechtigte den Schaden und den zum Schadenersatz Verpflichteten kannte oder hätte kennen müssen.
- Die Verjährungsfrist für einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung beträgt drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruchsberechtigte von diesem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.
- Die Verjährungsfrist für einen Erfüllungsanspruch bei Dauerschuldverhältnissen, ausgenommen Unterhaltsansprüche für Kinder, beträgt unabhängig von der Rechtsgrundlage für die Forderung drei Jahre für jede einzelne Verbindlichkeit.
- Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für Kinder beträgt für jede einzelne Verbindlichkeit zehn Jahre.
- Die Verjährungsfrist für Entschädigungsansprüche aus einem Eigentumsrecht und für Ansprüche aus dem Familien- oder Erbrecht beträgt 30 Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem die jeweilige Forderung fällig ist, es sei denn, das Gesetz sieht etwas anderes vor.
- Entschädigungsansprüche aus einem Eigentumsrecht gegenüber einem beliebigen Besitzer erlöschen niemals.
Bestimmte Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen können nur innerhalb eines gewissen Zeitraums vor Gericht gebracht werden. So beträgt die Frist für die Anrufung eines Ausschusses für Arbeitsstreitigkeiten oder eines Gerichts zum Zwecke der Anerkennung von Rechten aus Arbeitsverhältnissen und des Schutzes vor Rechtsverletzungen vier Monate. Bei Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses kann innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eingang der Kündigung eine Widerrufsklage vor Gericht oder ein Antrag bei einem Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten eingereicht werden; innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eingang einer Kündigung kann der Arbeitnehmer bei einem Gericht oder einem Ausschuss für Arbeitsstreitigkeiten einen Antrag stellen, um die Kündigung als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben anzufechten, es sei denn, der Arbeitgeber hat das Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer Verletzung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer gekündigt; die Frist für die Einreichung eines Arbeitsentgeltanspruchs beträgt drei Jahre.
3 Muss ich mich an ein Gericht in diesem Mitgliedstaat wenden?
Die Umstände, unter denen eine Rechtssache vor einem estnischen Gericht verhandelt werden kann, richten sich nach den Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit. Eine Rechtssache fällt in die Zuständigkeit eines estnischen Gerichts, wenn sie vor einem estnischen Gericht nach Maßgabe der Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts oder auf der Grundlage einer Gerichtsstandsvereinbarung verhandelt werden darf, es sei denn, das Gesetz oder ein internationales Abkommen sehen etwas anderes vor. Sofern das Gesetz oder ein internationales Abkommen nichts anderes bestimmt, bedeutet internationale Zuständigkeit nicht gleich ausschließliche Zuständigkeit. Die Bestimmungen der estnischen Zivilprozessordnung (tsiviilkohtumenetluse seadustik) betreffend die internationale Zuständigkeit gelten nur, soweit ein internationales Abkommen oder die folgenden Verordnungen der Europäischen Union nichts anderes vorsehen:
- Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
- Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000
- Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen
- Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
- Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen.
4 Wenn ja, an welches Gericht muss ich mich in diesem Mitgliedstaat aufgrund meines Wohnsitzes und des Wohnsitzes des Gegners oder aufgrund anderer Kriterien der örtlichen Zuständigkeit wenden?
Bei welchem Gericht Klage erhoben und andere Verfahrenshandlungen in Bezug auf eine Person durchgeführt werden können, bestimmt sich nach den Regeln über die allgemeine Zuständigkeit, es sei denn, das Gesetz bestimmt hierfür ein anderes Gericht.
Bei welchem Gericht neben dem allgemein zuständigen Gericht Klagen erhoben und andere Verfahrenshandlungen in Bezug auf eine Person durchgeführt werden können, bestimmt sich nach den Regeln über die fakultative Zuständigkeit.
Nach den Regeln über die ausschließliche Zuständigkeit bestimmt sich, welches Gericht als einziges in einer Zivilsache angerufen werden kann. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt die ausschließliche Zuständigkeit, es sei denn, das Gesetz sieht etwas anderes vor.
Allgemein zuständig ist bei natürlichen Personen das Gericht an ihrem Wohnsitz und bei juristischen Personen das Gericht an ihrem Geschäftssitz. Ist der Wohnsitz einer natürlichen Person nicht bekannt, kann eine Klage gegen diese Person am Gericht ihres letzten bekannten Wohnsitzes eingereicht werden.
Wenn eine Rechtssache gemäß den allgemeinen Bestimmungen nicht in die Zuständigkeit eines estnischen Gerichts fällt oder die Zuständigkeit nicht festgestellt werden kann und wenn kein internationales Abkommen und kein Gesetz etwas anderes vorsehen, wird die Sache vom Landgericht Harju (Harju Maakohus) entschieden, sofern:
- die Sache gemäß einem internationalen Abkommen in der Republik Estland verhandelt werden muss;
- der Kläger Staatsangehöriger der Republik Estland ist oder seinen Wohnsitz in Estland hat und er seine Rechte im Ausland nicht geltend machen kann oder dies nicht von ihm erwartet werden kann;
- Estland die Rechtssache aus anderem Grund in erheblichem Maße betrifft und der Kläger seine Rechte im Ausland nicht geltend machen kann oder dies nicht von ihm erwartet werden kann.
Das Landgericht Harju verhandelt eine Rechtssache auch dann, wenn sie in die Zuständigkeit eines estnischen Gerichts fällt, jedoch nicht festgestellt werden kann, welches Gericht zuständig ist. Dies gilt auch, wenn eine Vereinbarung in Bezug auf die estnische Zuständigkeit getroffen wurde, ohne jedoch das zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach den Regeln der ausschließlichen (zwingenden) Zuständigkeit ist bei Immobilien das Gericht am Standort der Immobilie zuständig für:
- Klagen im Zusammenhang mit der Anerkennung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eigentumsrechts, eines eingeschränkten dinglichen Rechts oder sonstiger immobilienrechtlicher Belastungen und Klagen im Zusammenhang mit anderen Rechten an Immobilien;
- die Festlegung von Liegenschaftsgrenzen oder die Teilung von Liegenschaften;
- den Schutz des Immobilienbesitzes;
- Eigentumsansprüche aus Wohnungseigentum;
- Klagen im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung in Immobilien;
- Ansprüche, die sich aus einem (gewerblichen) Immobilienmietvertrag, einem anderen vertraglichen Schuldverhältnis über die Nutzung einer Immobilie oder aus der Gültigkeit solcher Verträge ergibt.
Für Klagen im Zusammenhang mit einer Grunddienstbarkeit, einer immobilienrechtlichen Belastung oder einem immobilienrechtlichen Vorkaufsrecht ist ebenfalls das Gericht am Standort der Immobilie zuständig.
Nach den Regeln über die ausschließliche (zwingende) Zuständigkeit ist für Klagen auf Nichtigerklärung unbilliger Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) oder auf Widerruf und Rücknahme einer Empfehlung für solche AGB durch die Person, die ihre Anwendung empfiehlt, das Gericht am Ort der Niederlassung des Beklagten oder, in Ermangelung eines solchen, am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten zuständig. Hat der Beklagte weder eine Niederlassung noch einen Wohnsitz oder Sitz in Estland, ist das Gericht zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die AGB angewandt wurden.
Für die Klage einer juristischen Person auf Widerruf oder Nichtigerklärung eines von einer offiziellen Stelle erlassenen Beschlusses ist ausschließlich das Gericht am Sitz der juristischen Person zuständig.
Ein estnisches Gericht kann eine Ehesache verhandeln, wenn:
- mindestens ein Ehepartner Staatsangehöriger der Republik Estland ist oder zum Zeitpunkt der Eheschließung die estnische Staatsangehörigkeit besaß;
- beide Ehepartner einen Wohnsitz in Estland haben;
- einer der Ehepartner einen Wohnsitz in Estland hat, es sei denn, das zu fällende Urteil wird in den Ländern, deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, zweifelsfrei nicht anerkannt.
Im Rahmen der ausschließlichen Zuständigkeit wird eine vor einem estnischen Gericht zu verhandelnde Ehesache bei dem Gericht eingereicht, das für den gemeinsamen Wohnsitz der Ehepartner oder, in Ermangelung eines solchen, für den Wohnsitz des Beklagten zuständig ist. Liegt der Wohnsitz des Beklagten nicht in Estland, so wird die Sache vor dem Gericht verhandelt, das für den Aufenthaltsort eines gemeinsamen minderjährigen Kindes der Parteien oder, sollte es kein solches geben, für den Wohnsitz des Klägers zuständig ist.
Wurde über die Verwahrung von Vermögensgegenständen einer vermissten Person entschieden oder wurde für eine eingeschränkt prozessfähige Person ein Vormund bestellt oder gegen eine Person eine Freiheitsstrafe verhängt, kann die Scheidungsklage gegen diese Person auch am Wohnsitz des Klägers eingereicht werden.
Ein estnisches Gericht kann eine Vaterschaftsklage verhandeln, wenn mindestens eine der Parteien Staatsangehöriger der Republik Estland ist oder mindestens eine der Parteien einen Wohnsitz in Estland hat. Eine vor einem estnischen Gericht zu verhandelnde Vaterschaftsklage wird im Rahmen der ausschließlichen Zuständigkeit bei dem Gericht eingereicht, das für den Wohnsitz des Kindes zuständig ist. Befindet sich der Wohnsitz des Kindes nicht in Estland, wird die Sache am Wohnsitz des Beklagten verhandelt. Befindet sich der Wohnsitz des Beklagten nicht in Estland, wird die Sache am Wohnsitz des Klägers verhandelt. Gleiches gilt für Unterhaltssachen.
Im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit können Klagen gegen eine natürliche Person im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen Ansprüchen auch am Aufenthaltsort dieser Person erhoben werden, wenn sie sich aufgrund eines Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses, zu Studienzwecken oder aus anderen Gründen über einen längeren Zeitraum an diesem Ort aufhält. Eine Klage im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit des Beklagten kann auch an dessen Geschäftssitz verhandelt werden.
Eine auf Mitgliedschaft basierende juristische Person, z. B. ein Unternehmen, aber auch ein Mitglied, Partner oder Anteilseigner dieses Unternehmens kann im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit ein Mitglied, einen Partner oder einen Anteilseigner der juristischen Person im Zusammenhang mit dieser Mitgliedschaft oder Beteiligung auch am Sitz der juristischen Person verklagen.
Hat eine Person ihren Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland, so kann sie im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit wegen vermögensrechtlicher Ansprüche auch dort verklagt werden, wo sich die mit den Ansprüchen verbundenen Vermögenswerte befinden, oder alternativ auch dort, wo sich ihre anderen Vermögenswerte befinden. Wurde ein Vermögenswert in ein öffentliches Register eingetragen, so kann die Klage bei dem Gericht eingereicht werden, in dessen Zuständigkeit der Standort dieses Registers fällt. Besteht der Vermögenswert in einer schuldrechtlichen Forderung, so kann die Klage bei dem Gericht eingereicht werden, das für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Schuldners zuständig ist. Ist die Forderung durch eine Sache besichert, so kann die Klage auch bei dem Gericht eingereicht werden, das für den Standort dieser Sache zuständig ist.
Eine Klage auf Beitreibung einer Forderung, die durch eine Hypothek oder eine Grundschuld besichert ist, oder eine andere Klage, die einen ähnlichen Anspruch betrifft, kann auch am Standort der Immobilie erhoben werden, sofern der Schuldner Eigentümer der eingetragenen und durch die Hypothek bzw. durch die Grundschuld belasteten Immobilie ist.
Eine Klage gegen einen Wohnungseigentümer, die sich aus einem Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum ergibt, kann im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch bei dem Gericht eingereicht werden, in dessen örtliche Zuständigkeit die betreffende Wohnung fällt.
Eine Klage, die sich aus einem Vertragsverhältnis ergibt, oder eine Klage auf Nichtigerklärung eines Vertrags kann im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch bei dem Gericht eingereicht werden, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist.
Bei Rechtsstreitigkeiten, die sich aus einem Vertragsverhältnis oder aus einer Geschäftsbeziehung gemäß § 35, 46 und 52, § 208 Absatz 4, § 379 oder 402, § 635 Absatz 4 oder § 709, 734 oder 866 des Gesetzes zum Schuldrecht (võlaõigusseadus) oder aus einem beliebigen anderen Vertrag, der mit einem Unternehmen mit Sitz oder Geschäftssitz in Estland geschlossen wurde, ergeben, kann ein Verbraucher im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch an seinem eigenen Wohnsitz Klage erheben. Dies gilt nicht für Klagen im Zusammenhang mit Beförderungsverträgen.
Versicherungsnehmer, Begünstigte oder sonstige Personen, die berechtigt sind, auf der Grundlage eines Versicherungsvertrags die Leistungserfüllung des Versicherers zu verlangen, können den Versicherer im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch an ihrem eigenen Wohnsitz oder Aufenthaltsort verklagen.
Im Falle einer Haftpflichtversicherung oder einer Versicherung von Gebäuden oder von beweglichem oder unbeweglichem Vermögen kann der Versicherer im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch dort verklagt werden, wo das den Schaden verursachende Ereignis eingetreten ist oder der Schaden verursacht wurde.
Im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit kann ein Arbeitnehmer eine Klage, die sich aus seinem Arbeitsvertrag ergibt, auch bei dem Gericht einreichen, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich sich sein Wohnsitz oder Arbeitsort befindet.
Eine Schadensersatzklage wegen eines rechtswidrig verursachten Schadens kann im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch bei dem Gericht eingereicht werden, das für den Ort zuständig ist, an dem das den Schaden verursachende Ereignis eingetreten ist oder der Schaden verursacht wurde.
Eine Klage, die die Begründung eines Nachlassanspruchs, die Forderung eines Rechtsnachfolgers gegenüber dem Besitzer des Nachlasses, einen Anspruch aus einem Vermächtnis oder einem Erbvertrag oder den Anspruch auf einen Pflichtteil oder auf Erbteilung zum Gegenstand hat, kann im Rahmen der fakultativen Zuständigkeit auch am letzten Wohnsitz des Erblassers eingereicht werden. Handelte es sich bei dem Erblasser um einen Staatsangehörigen der Republik Estland, der zum Zeitpunkt seines Ablebens jedoch keinen Wohnsitz in Estland hatte, kann die Klage auch bei dem Gericht eingereicht werden, in dessen Zuständigkeit der letzte Wohnsitz des Erblassers in Estland fällt. Hatte der Erblasser in Estland keinen Wohnsitz, so kann die Klage beim Landgericht Harju eingereicht werden.
Werden mehrere Personen verklagt, liegt es im Ermessen des Klägers, bei welchem der Gerichte, die für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort der einzelnen Beklagten zuständig sind, er seine Klage einreicht.
Können gegen eine Person aufgrund desselben Sachverhalts mehrere Klagen angestrengt werden, so können all diese Klagen bei dem Gericht erhoben werden, bei dem eine Klage in Bezug auf einen oder mehrere Ansprüche aus derselben Sache eingereicht werden könnte.
Eine Widerklage kann bei dem Gericht eingereicht werden, vor dem die Streitsache verhandelt worden ist, vorausgesetzt, die Widerklage fällt nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit. Dies gilt auch dann, wenn die Widerklage gemäß den allgemeinen Bestimmungen bei einem Gericht im Ausland eingereicht werden sollte.
Die Klage eines Dritten mit einer eigenständigen Forderung kann bei dem Gericht erhoben werden, das mit der Hauptsache befasst ist.
Eine Klage im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren oder einer Insolvenzmasse, die gegen einen Insolvenzschuldner, einen Insolvenzverwalter oder ein Mitglied des Insolvenzausschusses geführt werden soll, einschließlich einer Aussonderungsklage, kann auch bei dem Gericht eingereicht werden, das die Insolvenz eröffnet hat. Auch eine Klage auf Anerkennung einer Forderung kann bei dem Gericht eingereicht werden, das die Insolvenz eröffnet hat.
Ferner kann ein Insolvenzschuldner eine Klage im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse, u. a. auch eine Klage auf Herausgabe, bei dem Gericht einreichen, das die Insolvenz verkündet hat.
Wird eine Klage bei einem anderen Gericht als dem eingereicht, das für den Beklagten als allgemein zuständig gilt, muss dies dem Gericht gegenüber begründet werden.
Sind mehrere estnische Gerichte zuständig, kann der Kläger selbst entscheiden, bei welchem Gericht er Klage erhebt. In diesem Fall wird die Sache vor dem Gericht verhandelt, das als erstes die Klage entgegennimmt.
5 An welches Gericht muss ich mich in diesem Mitgliedstaat aufgrund des Klagegegenstands und der Höhe des Streitwerts wenden?
In Estland bestimmt sich die Zuständigkeit nicht nach dem Klagegegenstand oder der Höhe des Streitwerts.
6 Kann ich selbst eine Klage anstrengen oder muss ich eine Mittelsperson, z. B. einen Anwalt, einschalten?
Sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Parteien (Kläger, Beklagte, Dritte) entweder persönlich oder durch einen prozessfähigen Vertreter am Verfahren teilnehmen. Die persönliche Beteiligung an einer Sache nimmt dem Verfahrensbeteiligten nicht das Recht, sich in der Angelegenheit vertreten oder beraten zu lassen.
Prozessfähigkeit im Zivilverfahren bedeutet die Fähigkeit einer Person, zivilrechtliche Verfahrensrechte auszuüben und durch ihr Handeln vor Gericht zivilrechtlichen verfahrensmäßigen Verpflichtungen nachzukommen. Eine Person, die mindestens 18 Jahre alt ist, hat die volle Prozessfähigkeit. Eingeschränkt geschäftsfähige Erwachsene sind auch in Zivilverfahren nur beschränkt prozessfähig, es sei denn, die Einschränkung der Prozessfähigkeit betrifft weder die Ausübung zivilrechtlicher Verfahrensrechte noch die Erfüllung zivilprozessrechtlicher Pflichten. Minderjährige haben ab einem Alter von 15 Jahren das Recht, zusammen mit ihrem gesetzlichen Vertreter an Verfahren teilzunehmen.
Ein vertraglicher Vertreter vor Gericht kann entweder ein Rechtsanwalt sein oder eine andere Person, die mindestens einen staatlich anerkannten Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften, eine gleichwertige Qualifikation im Sinne von Artikel 28 Absatz 22 des Bildungsgesetzes der Republik Estland (Eesti Vabariigi haridusseadus) oder einen gleichwertigen ausländischen Abschluss erworben hat.
Eine juristische Person wird vor Gericht von einem Mitglied der Geschäftsführung oder eines Gremiums, das an die Stelle der Geschäftsführung tritt, vertreten (gesetzlicher Vertreter), sofern in den Rechtsvorschriften oder in der Satzung der juristischen Person nichts anderes vorgesehen ist. Das Mitglied der Geschäftsführung kann für das Gerichtsverfahren einen vertraglichen Vertreter benennen. Die Anwesenheit eines solchen Vertreters beeinträchtigt nicht die Teilnahme des gesetzlichen Vertreters der juristischen Person, d. h. des Mitglieds der Geschäftsführung, an den Gerichtsverhandlungen.
Das Gericht beruft für eine Person einen Vertreter, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist.
7 Bei wem reiche ich meinen Klageantrag ein: bei der Anmeldung oder bei der Geschäftsstelle des Gerichts oder bei einer anderen Verwaltungsstelle?
In der Klageschrift muss der Name des Gerichts angegeben werden, bei dem die Klage eingereicht werden soll. Eine Klage kann auch elektronisch über das Portal https://www.e-toimik.ee/ eingereicht werden. Für den Anmeldevorgang ist der Personalausweis erforderlich. Alternativ kann die Klage auch elektronisch per Fax oder per E-Mail an die eigens dafür eingerichtete E-Mail-Adresse eingereicht werden. Wird die Klageschrift persönlich bei Gericht abgegeben, sollte sie der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts übergeben werden.
8 In welcher Sprache kann ich den Antrag stellen? Kann dies mündlich geschehen oder muss er schriftlich gestellt werden? Kann ich ihn per Fax oder E-Mail schicken?
Gerichtsverfahren und der Schriftverkehr bei Gericht werden in estnischer Sprache geführt. Klageschriften sind in estnischer Sprache abzufassen. Eine Klage ist in signierter Form bei Gericht einzureichen; alternativ kann sie auch in elektronisch signierter Form über das Portal https://www.e-toimik.ee/ (Anmeldung mit dem Personalausweis) oder per E-Mail in elektronisch signierter Form eingereicht werden. Die Klageeinreichung ist nur dann per Fax oder E-Mail ohne elektronische Signatur möglich, wenn die unterzeichnete Klageschrift schnellstmöglich bei Gericht nachgereicht wird.
9 Gibt es besondere Formblätter oder wenn nicht, wie muss ich anderenfalls einen Fall darstellen? Welche Inhalte muss die Klage haben?
Für das Einreichen von Klagen gibt es kein Standardformular. Die Klageschrift muss folgende Angaben enthalten:
- Namen, Anschriften und Kontaktdaten der Verfahrensbeteiligten und der Vertreter
- den Namen des Gerichts
- den klar formulierten Anspruch des Klägers (Gegenstand der Klage)
- den Sachverhalt, der die Grundlage für die Klage darstellt (Klagegrund)
- die Beweismittel zum Nachweis des Sachverhalts, der die Grundlage für die Klage darstellt, und ein besonderer Hinweis auf die Tatsachen, die der Kläger mit den einzelnen Beweismitteln nachweisen möchte
- ob der Kläger der Überprüfung der Sache im schriftlichen Verfahren zustimmt oder eine Verhandlung vor Gericht beantragen möchte
- den Streitwert, sofern nicht auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags geklagt wird
- ein Verzeichnis der Anlagen zur Klageschrift
- die Unterschrift oder – bei einem elektronisch übermittelten Dokument – eine elektronische Signatur des Verfahrensbeteiligten oder seines Vertreters
Wenn der Kläger möchte, dass die Klage in einem Urkundenprozess verhandelt wird, muss er dies in der Klageschrift angeben.
Lässt sich der Kläger im Verfahren vertreten, so muss die Klage auch Angaben zum Vertreter enthalten. Möchte der Kläger für das Verfahren die Dienste eines Dolmetschers oder Übersetzers in Anspruch nehmen, muss er dies in der Klageschrift angeben und nach Möglichkeit die Angaben des Dolmetschers bzw. Übersetzers beifügen.
Wird eine Klage bei einem anderen Gericht als dem eingereicht, das für den Beklagten als allgemein zuständig gilt, muss dies dem Gericht gegenüber begründet werden.
Zusätzlich zu den oben genannten Angaben müssen die Anträge in einer Scheidungssache auch Namen und Geburtsdaten der gemeinsamen minderjährigen Kinder der Ehepartner, der Person, die für den Unterhalt und die Erziehung der Kinder verantwortlich ist, und der Person, bei der die Kinder leben, sowie einen Vorschlag zur Regelung der elterlichen Rechte und der Erziehung der Kinder nach der Scheidung enthalten.
Handelt es sich bei einem Kläger oder einem Beklagten um eine juristische Person, die in einem öffentlichen Register eingetragen ist, werden der Klage eine Abschrift des Registereintrags, ein Registerauszug oder die Eintragungsurkunde beigefügt, es sei denn, das Gericht kann die im Register hinterlegten Daten eigenständig überprüfen. Bei sonstigen juristischen Personen müssen andere Nachweise in Bezug auf ihr Bestehen und ihre Rechtsfähigkeit vorgelegt werden.
10 Muss ich Gerichtsgebühren zahlen? Wenn ja, wann? Muss ich einen Anwalt von Anfang an bezahlen?
Für die Überprüfung einer Eingabe, eines Rechtsbehelfs oder einer Klage wird eine staatliche Gebühr erhoben. Staatliche Gebühren richten sich entweder nach dem Streitwert der zivilrechtlichen Sache (Anlage 1 des Gesetzes über staatliche Gebühren (riigilõivuseadus)) oder sind – je nach Art der Klage – in Form eines bestimmten Betrags angegeben. Es wird keine staatliche Gebühr erhoben, wenn Prozesskostenhilfe beantragt wird, wenn ein Arbeitsentgelt- oder Unterhaltsanspruch geltend gemacht wird und in weiteren Fällen, die im Gesetz über staatliche Gebühren vorgesehen sind.
Die staatliche Gebühr ist zu zahlen, bevor eine Rechtshandlung vorgenommen wird. Dem Beklagten wird die Klage erst dann zugestellt und andere Verfahren, die durch staatlichen Gebühren unterliegende Rechtshandlungen ausgelöst werden, werden erst dann eingeleitet, wenn die staatliche Gebühr entrichtet worden ist. Wird die staatliche Gebühr nicht vollständig entrichtet, so gewährt das Gericht dem Kläger eine Frist für die Zahlung des vollen Betrags. Bei nicht fristgerechter Zahlung der staatlichen Gebühr wird die Klage nicht zur Überprüfung vor Gericht zugelassen. Ist der Betrag der staatlichen Gebühr, der für eine zur Überprüfung zugelassene Klage gezahlt wurde, geringer als gesetzlich vorgeschrieben, verlangt das Gericht die Zahlung der staatlichen Gebühr in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe. Zahlt der Kläger die staatliche Gebühr nicht bis zu dem vom Gericht festgesetzten Termin, wird die Klage vom Gericht nicht in der Sache geprüft.
Bei Zahlung einer staatlichen Gebühr muss die Rechtshandlung, für die die staatliche Gebühr entrichtet wird, in dem Zahlungsdokument angegeben werden. Wird eine staatliche Gebühr für eine andere Person gezahlt, so ist auch der Name dieser Person anzugeben. Verlangt das Gericht nach Einreichung einer Klage eine zusätzliche staatliche Gebühr, muss bei der Zahlung der staatlichen Gebühr über ein Kreditinstitut auch das vom Gericht festgelegte Aktenzeichen angegeben werden.
Die notwendigen und angemessenen Kosten eines vertraglichen Vertreters sind in der Regel von der Partei zu tragen, gegen die das Urteil ergeht. Für die den Kostenfestsetzungsbeschluss ist in Bezug auf die Kosten eines vertraglichen Vertreters kein Nachweis über die Zahlung dieser Kosten erforderlich; eine Rechnung über die Erbringung juristischer Dienstleistungen reicht hierfür aus. Die Vergütung eines vertraglichen Vertreters vor der Aufteilung und Festsetzung der Verfahrenskosten durch das Gericht ist in der Zivilprozessordnung nicht geregelt; dies sollte im Vertrag über die juristischen Dienstleistungen zwischen dem Erbringer dieser Dienstleistungen und der zu vertretenden Person vereinbart werden.
11 Kann ich Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen?
Prozesskostenhilfe wird einem Verfahrensbeteiligten gewährt, bei dem es sich um eine natürliche Person handelt, die bei Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe einen Wohnsitz in der Republik Estland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat oder Staatsangehöriger der Republik Estland oder eines anderen EU-Mitgliedstaats ist. Die Entscheidung über den Wohnsitz erfolgt auf der Grundlage von Artikel 62 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates. Anderen Verfahrensbeteiligten, bei denen es sich um natürliche Personen handelt, wird nur dann Prozesskostenhilfe gewährt, wenn sich dies aus einem internationalen Abkommen ergibt.
Prozesskostenhilfe wird dem Antragsteller gewährt, wenn:
- die den Antrag auf Prozesskostenhilfe stellende Person aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu bezahlen, oder wenn sie diese nur teilweise oder in Raten bezahlen kann und
- wenn es ausreichende Gründe für die Annahme gibt, dass das angestrebte Verfahren erfolgreich sein wird.
Von einer erfolgreichen Teilnahme am Verfahren wird ausgegangen, wenn die Gründe für die Klage, für die Prozesskostenhilfe beantragt wird, auf eine rechtlich überzeugende Weise dargelegt werden und auf Fakten beruhen. Bei der Bewertung der Aussichten auf eine erfolgreiche Teilnahme am Verfahren wird auch berücksichtigt, welche Bedeutung der Fall für die Person hat, die den Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt.
Einer natürlichen Person wird keine Prozesskostenhilfe gewährt, wenn:
- nicht anzunehmen ist, dass die Prozesskosten das Doppelte des durchschnittlichen Monatseinkommens des Antragstellers übersteigen, wobei für die Berechnung das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten vier Monate vor Antragstellung zugrunde gelegt wird, abzüglich aller Steuern und Pflichtversicherungsbeiträge, der Beträge, die zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erforderlich sind, sowie angemessener Unterbringungs- und Wegekosten;
- der Antragsteller in der Lage ist, die Prozesskosten aus bestehenden Vermögenswerten zu decken, die ohne größere Schwierigkeiten verkauft werden können und gegen die nach dem Gesetz ein Zahlungsanspruch geltend gemacht werden kann.
Für juristische Personen gilt, dass nur gemeinnützige Vereinigungen oder Stiftungen, die in das Verzeichnis der gemeinnützigen Vereinigungen oder Stiftungen mit Körperschaftsteuervergünstigungen eingetragen sind, sowie gleichwertige gemeinnützige Vereinigungen oder Stiftungen mit Sitz in Estland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat Prozesskostenhilfe beantragen dürfen, um ihre Ziele zu erreichen, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Antragsteller nachweisen, dass sie die Prozesskostenhilfe im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes oder zur Wahrung eines anderen vorrangigen öffentlichen Interesses beantragen, um eine potenzielle Gefahr für die Rechtsgüter einer großen Anzahl von Personen abzuwenden, und sofern davon ausgegangen werden kann, dass sie die Kosten nicht aus ihrem Vermögen decken bzw. die Kosten nur teilweise oder in Raten bezahlen können. Andere estnische juristische Personen des Privatrechts können Prozesskostenhilfe in Form einer vollständigen oder anteiligen Befreiung von der staatlichen Gebühr für das Rechtsmittelverfahren beantragen. Anderen ausländischen juristischen Personen wird Prozesskostenhilfe nur auf der Grundlage eines internationalen Abkommens gewährt.
12 Wann gilt meine Klage amtlich als erhoben? Erhalte ich von den Behörden Bescheid, ob meine Klage ordnungsgemäß erhoben wurde?
Eine Klage gilt als zu dem Zeitpunkt erhoben, zu dem sie bei Gericht eingeht. Dies gilt nur, wenn die Klage dem Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt wurde. Wenn das Gericht den Überprüfungsantrag nicht annimmt, wird dem Beklagten die Klage nicht zugestellt. Entspricht der Antrag den gesetzlichen Anforderungen, so beschließt das Gericht, ihn zur Überprüfung zuzulassen. Entspricht der Antrag nicht den Anforderungen, so gewährt das Gericht dem Kläger eine Frist, innerhalb deren eine Korrektur vorgenommen werden kann. Über die Annahme eines Überprüfungsantrags bzw. über die Gewährung einer Frist für die Korrektur entscheidet das Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Das Gericht teilt dem Kläger mit, ob der Überprüfungsantrag angenommen wurde.
13 Erhalte ich genaue Angaben zum weiteren Verlauf (z. B. die Frist für die Klageeinlassung)?
Das Gericht teilt dem Verfahrensbeteiligten den Fortgang des Verfahrens in Form von Bescheiden mit. Der Beklagte erhält vom Gericht einen Bescheid, mit dem ihm eine Frist zur Stellungnahme gesetzt und er gleichzeitig über die Annahme des Überprüfungsantrags informiert wird.
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