1 Rechtsquellen
1.1 Innerstaatliches Recht
Die bindenden Quellen des belgischen innerstaatlichen Rechts sind die Rechtsvorschriften, die allgemeinen Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht. Rechtsvorschriften können nur von staatlichen Organen erlassen werden. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind rechtsverbindlich, weil die Gesellschaft von ihrem rechtlichen Wert überzeugt ist. Das Gewohnheitsrecht besteht aus ungeschriebenen Bräuchen und allgemein anerkannter Praxis.
In Belgien sind die Gerichte nicht verpflichtet, sich an Präzedenzfälle zu halten. Rechtsprechung und Lehre können zwar richtungsweisend sein, haben jedoch keine bindende Wirkung. Gerichtsentscheidungen gelten nur zwischen den Parteien des jeweiligen Verfahrens und sind für andere Richter, die in ähnlichen Fällen entscheiden müssen, nicht bindend. Mit Ausnahme des Verfassungsgerichtshofs (Cour constitutionnelle/Grondwettelijk Hof) kann kein Gericht andere Gerichte verpflichten, sich seiner Rechtsauffassung anzuschließen. Selbst ein Urteil des Kassationshofs (Cour de cassation/Hof van Cassatie), mit dem das Urteil eines unteren Gerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen wird, enthält keine Vorgaben, an die sich das Gericht bei der erneuten Prüfung der Sache halten muss. Nur wenn der Kassationshof zum zweiten Mal in derselben Sache ein Urteil erlässt, ist dessen Inhalt für das Gericht, das abschließend entscheiden muss, bindend.
1.2 Multilaterale Übereinkommen
Die seit 1987 geschlossenen bilateralen und multilateralen Übereinkünfte sind in einer Datenbank des Föderalen Öffentlichen Dienstes (FÖD) Auswärtige Angelegenheiten zu finden:
https://diplomatie.belgium.be/fr/traites
https://diplomatie.belgium.be/fr/traites
https://diplomatie.belgium.be/fr/traites
https://diplomatie.belgium.be/fr/traites
Eine Vielzahl von Übereinkünften, die in Belgien in Kraft sind, ist im Belgischen Staatsblatt (Moniteur belge/Belgisch Staatsblad), das seit 1997 elektronisch zugänglich ist, im Wortlaut veröffentlicht worden:
Auf dieser Website ist unter „Législation consolidée“/„Geconsolideerde Wetgeving“ auch der Text zahlreicher vor 1987 geschlossener Übereinkünfte zu finden (2800 Einträge, Stand: 1. August 2004).
Belgien ist grundsätzlich ein souveräner Staat, der die hoheitliche Gewalt über die der belgischen Gerichtsbarkeit unterliegenden Personen ausübt. Angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Gesellschaft ist Belgien jedoch immer mehr an die Vorschriften supranationaler und internationaler Organisationen und Institutionen gebunden. So prägen insbesondere die Europäische Union (EU), die Vereinten Nationen (VN), die Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) und der Europarat das belgische Recht durch Verträge und Vorschriften, die zum Teil unmittelbar gelten, sowie durch Richtlinien und Harmonisierungsverfahren, mit denen die Mitgliedstaaten zur Angleichung ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen verpflichtet werden.
Menschenrechtsübereinkommen, die in Belgien unmittelbar gelten, sind die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Sozialcharta, die beide vom Europarat initiiert wurden. Die entsprechenden Texte auf der Ebene der Vereinten Nationen sind der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte bzw. der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Als supranationale Organisation hat die Europäische Union (EU) erheblichen Einfluss auf ihre Mitgliedstaaten, darunter auch Belgien. Die wichtigsten Rechtsinstrumente der EU sind Verordnungen, die unmittelbar gelten, und Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen.
Zahllose Institutionen und Organisationen arbeiten an der Weiterentwicklung verschiedener Rechtsbereiche, z. B. des Internationalen Privatrechts, des internationalen Strafrechts und des internationalen Handels- und Wirtschaftsrechts. Hierzu zählen die Vereinten Nationen, die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL), die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, UNIDROIT, der Europarat, die Europäische Union und die Europäische Gemeinschaft, die Internationale Kommission für das Zivilstandswesen, die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), der Internationale Luftverkehrsverband (IATA) und die Benelux-Union, um nur einige zu nennen.
1.3 Wichtige bilaterale Übereinkommen
Sowohl die Föderalbehörden als auch die Behörden der belgischen Regionen und Gemeinschaften können im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeiten bilaterale Übereinkünfte mit anderen Staaten oder Regionen der Welt schließen. Die meisten dieser Übereinkünfte werden mit Nachbarländern oder mit Ländern geschlossen, zu denen Belgien enge oder wichtige Handelsbeziehungen unterhält.
2 Anwendung der Kollisionsregeln
Das Gesetz vom 16. Juli 2004 zur Einführung des Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht (Code de droit international privé/Wetboek van internationaal privaatrecht, im Folgenden „IPR-Gesetzbuch“) wurde im Belgischen Staatsblatt vom 27. Juli 2004 (https://justice.belgium.be). veröffentlicht. Es kann über folgenden Link abgerufen werden: Législation consolidée/Geconsolideerde Wetgeving.
In diesem Informationsblatt wird die Rechtslage nach dem IPR-Gesetzbuch erläutert. Die Bestimmungen des IPR-Gesetzbuchs, die zum einen die internationale Zuständigkeit und zum anderen die Wirkungen ausländischer Gerichtsentscheidungen und öffentlicher Urkunden betreffen, gelten für Klagen, die nach Inkrafttreten des Gesetzbuchs erhoben werden, sowie für Gerichtsentscheidungen und öffentliche Urkunden, die nach seinem Inkrafttreten verkündet bzw. ausgestellt werden. Für Sachen, die nicht unter die Übergangsbestimmungen des IPR-Gesetzbuchs fallen, gelten unterschiedliche Rechtsvorschriften sowie eine umfangreiche Rechtsprechung und Lehre. In diesem Zusammenhang können folgende Websites nützlich sein:
– https://www.law.kuleuven.be/ipr/en
Das IPR-Gesetzbuch gilt nur, soweit internationale Übereinkünfte, das Recht der Europäischen Union oder besondere Rechtsvorschriften keine Anwendung finden.
2.1 Anwendung der Kollisionsnormen von Amts wegen
Belgische Richter wenden nicht nur belgisches Recht an. Häufig müssen sie auch auf der Grundlage ausländischen Rechts entscheiden.
Nach belgischem Internationalem Privatrecht ist ausländisches Recht in der Auslegung anzuwenden, die in dem betreffenden Staat anerkannt ist. Sollte das Gericht nicht in der Lage sein, den Inhalt des ausländischen Rechts selbst zu ermitteln, kann es die Parteien zur Mithilfe auffordern. Wenn es dem Gericht offensichtlich unmöglich ist, den Inhalt ausländischen Rechts innerhalb einer angemessenen Frist zu ermitteln, hat es belgisches Recht anzuwenden (Artikel 15 des IPR-Gesetzbuchs).
2.2 Rück- und Weiterverweisung (Renvoi)
Seit Erlass des IPR-Gesetzbuchs ist die Rück- oder Weiterverweisung grundsätzlich nicht mehr zulässig (Artikel 16 des IPR-Gesetzbuchs). Das IPR-Gesetzbuch enthält jedoch eine Ausnahme für das auf juristische Personen anzuwendende Recht (Artikel 110 des IPR-Gesetzbuchs) und eine Bestimmung über die mögliche Rück- oder Weiterverweisung auf die belgischen Rechtsvorschriften über die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen (siehe unten).
2.3 Änderung der Anknüpfung (conflit mobile)
Eine Änderung der Anknüpfung kann zeitlich bedingt (z. B. beim Wechsel der Staatsangehörigkeit) oder räumlich bedingt sein (z. B. beim Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts).
Mit dem IPR-Gesetzbuch sollen die häufigsten Fälle geregelt werden, in denen sich die Anknüpfung ändert.
Was beispielsweise die Wirkungen der Ehe angeht, so ist der erste Anknüpfungspunkt nach dem IPR-Gesetzbuch der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Wirkungen (Artikel 48 des IPR-Gesetzbuchs).
Als das auf das Eltern-Kind-Verhältnis anzuwendende Recht bestimmt das IPR-Gesetzbuch das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Person, deren Elternschaft in Rede steht, zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes besitzt (Artikel 62 des IPR-Gesetzbuchs).
Dingliche Rechte unterliegen dem Recht des Staates, in dem sich die Sache zu dem Zeitpunkt befindet, zu dem das Recht geltend gemacht wird. Im IPR-Gesetzbuch wird jedoch präzisiert, dass Erwerb und Verlust solcher Rechte dem Recht des Staates unterliegen, in dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Handlungen oder Tatsachen befindet, die zur Begründung des Erwerbs oder des Verlusts des Rechts angeführt werden (Artikel 87 des IPR-Gesetzbuchs).
2.4 Ausnahmen von der Anwendung der Kollisionsnormen (Ordre-public-Vorbehalt; Eingriffsnormen)
Die allgemeinen Kollisionsnormen finden in einigen im IPR-Gesetzbuch festgelegten Fällen keine Anwendung.
1. Ausnahmsweise ist das im IPR-Gesetzbuch bezeichnete Recht nicht anzuwenden, wenn offensichtlich ist, dass der Sachverhalt unter Berücksichtigung aller Umstände nur eine sehr schwache Verbindung zu Belgien, aber eine sehr enge Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden (Artikel 19 des IPR-Gesetzbuchs).
2. Die zwingenden Vorschriften und der Ordre-public-Vorbehalt des belgischen Rechts, die einen internationalen Sachverhalt unabhängig von dem in den Kollisionsnormen bezeichneten Recht regeln sollen, bleiben anwendbar (Artikel 20 des IPR-Gesetzbuchs).
3. Der internationale Ordre-public-Vorbehalt ermöglicht es, bestimmte Aspekte des ausländischen Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Wirkung in der belgischen Rechtsordnung nicht hinnehmbar wäre (Artikel 21 des IPR-Gesetzbuchs).
2.5 Ermittlung fremden Rechts
Das belgische Gericht kann die Parteien auffordern, Inhalt und Anwendungsbereich des ausländischen Rechts zu ermitteln. Das Gericht kann auch das am 7. Juni 1968 in London geschlossene Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht anwenden. Wird ein Urkundenbeweis verlangt, so wird die Partei aufgefordert, eine Bescheinigung (certificat de coutume) vorzulegen, in der die zuständige ausländische Behörde nachweist, dass die betreffenden Vorschriften in ihrem Land anwendbar sind oder waren.
3 Kollisionsnormen
Wenn das belgische Gericht nach den oben genannten Vorschriften zuständig ist, muss es prüfen, welches Recht in dem betreffenden Rechtsstreit anzuwenden ist. Hierzu wendet es das belgische Internationale Privatrecht an. Je nach Streitgegenstand sind unterschiedliche Anknüpfungspunkte maßgebend. Das IPR-Gesetzbuch ist thematisch gegliedert und bestimmt für jeden Themenbereich den jeweiligen Anknüpfungspunkt. Auf einige dieser Bereiche wird im Folgenden eingegangen.
3.1 Vertragliche Schuldverhältnisse
In diesem Bereich gilt die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, die sogenannte Rom-I-Verordnung. Mit dem IPR-Gesetzbuch wird die Anwendung des alten Übereinkommens von Rom aus dem Jahre 1980 auf vertragliche Angelegenheiten ausgedehnt, die von dessen Anwendungsbereich ausgenommen waren. Das IPR-Gesetzbuch soll demnächst geändert werden, um der Ersetzung des Übereinkommens von Rom durch die Rom-I-Verordnung Rechnung zu tragen.
Für bestimmte Angelegenheiten, die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, gelten jedoch besondere Vorschriften, und zwar entweder
– internationale Übereinkünfte (insbesondere das Genfer Abkommen vom 7. Juni 1930 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Wechselprivatrechts und das Genfer Abkommen vom 19. März 1931 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Scheckprivatrechts) oder
– besondere Bestimmungen des IPR-Gesetzbuchs (insbesondere Artikel 124 über Trusts und Artikel 111 über Gesellschaftsverträge).
Außerdem gelten nach Artikel 25 der Verordnung bestimmte internationale Übereinkommen weiter:
– das Budapester Übereinkommen vom 21. Juni 2001 über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt
– das am 28. April 1989 in London geschlossene Internationale Übereinkommen über Bergung
– die am 23. September 1910 in Brüssel unterzeichneten Internationalen Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen bzw. über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot sowie das dazugehörige Unterzeichnungsprotokoll
3.2 Außervertragliche Schuldverhältnisse
In diesem Bereich gilt die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, die sogenannte Rom-II-Verordnung. Mit dem IPR-Gesetzbuch wird ihre Anwendung auf Angelegenheiten ausgedehnt, die von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind.
Für bestimmte Angelegenheiten, die nicht unter die Verordnung fallen, gelten jedoch besondere Vorschriften. So unterliegt das Schuldverhältnis, das sich aus übler Nachrede oder der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte ergibt, nach Wahl des Klägers dem Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet der anspruchsbegründende Tatbestand oder der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht, es sei denn, der Verantwortliche weist nach, dass er nicht vorhersehen konnte, dass der Schaden in diesem Staat eintreten würde (Artikel 99 des IPR-Gesetzbuchs).
Außerdem gelten nach Artikel 28 der Verordnung bestimmte internationale Übereinkommen weiter:
– das Haager Übereinkommen vom 4. Mai 1971 über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht
– das Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen, das Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen und anderen mit der Führung eines Seeschiffes zusammenhängenden Ereignissen sowie das Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe, die alle am 10. Mai 1952 in Brüssel unterzeichnet wurden
– das Internationale Übereinkommen über Bergung, London, 28. Mai 1989
– das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente, München, 5. Oktober 1973
– das Internationale Abkommen vom 29. Mai 1933 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen
– die am 23. September 1910 in Brüssel unterzeichneten Internationalen Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen bzw. über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot sowie das dazugehörige Unterzeichnungsprotokoll
3.3 Personalstatut – personenstandsbezogene Aspekte (Name, Wohnsitz, Familienstand)
Sofern im IPR-Gesetzbuch nichts anderes bestimmt ist, findet bei Streitigkeiten über den Personenstand und die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit das Recht des Staates Anwendung, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt. Dies gilt auch für Geschlechtsumwandlungen (Artikel 35ter des IPR-Gesetzbuchs).
Hinsichtlich der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen sieht das IPR-Gesetzbuch eine teilweise Rückverweisung vor. Belgisches Recht ist anzuwenden, wenn das ausländische Recht zur Anwendung belgischen Rechts führt (Artikel 34 des IPR-Gesetzbuchs).
Im Einklang mit dem allgemeinem Grundsatz ist auf die Feststellung von Nachnamen und Vornamen das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt (Artikel 37 Absatz 1 des IPR-Gesetzbuchs), bzw., wenn sie mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, das Recht eines der Staaten, deren Staatsangehörigkeit die Person besitzt (Artikel 37 Absatz 2 des IPR-Gesetzbuchs).
3.4 Begründung des Eltern-Kind-Verhältnisses samt Adoption
3.4.1 Begründung des Eltern-Kind-Verhältnisses
Als allgemeine Vorschrift für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts sieht Artikel 62 Absatz 1 Unterabsatz 1 des IPR-Gesetzbuchs vor, dass für die Feststellung und die Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses das Recht des Staates maßgebend ist, dessen Staatsangehörigkeit der betreffende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes bzw., wenn die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses auf eine freiwillige Handlung zurückgeht, zum Zeitpunkt dieser Handlung besitzt.
Wenn das bezeichnete Recht bei einer freiwilligen Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses nicht die Zustimmung des Kindes verlangt, richten sich das Erfordernis und die Bedingungen dieser Zustimmung sowie deren Ausdrucksformen nach dem Recht des Staates, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Zustimmung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Artikel 62 Absatz 1 Unterabsatz 2 des IPR-Gesetzbuchs).
3.4.2 Adoption
Die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Adoption richten sich nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Adoptierenden oder der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Adoptierenden. Besitzen die Adoptierenden nicht die gleiche Staatsangehörigkeit, so ist für diese Voraussetzungen das Recht des Ortes ihres gewöhnlichen Aufenthalts oder hilfsweise belgisches Recht maßgebend (Artikel 67 des IPR-Gesetzbuchs).
Auf die erforderlichen Zustimmungen ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Adoptierte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn dieses Gesetz jedoch nicht die Zustimmung des Adoptierten oder seiner leiblichen Eltern oder gesetzlichen Vertreter verlangt oder das Institut der Adoption nicht kennt, unterliegen diese Zustimmungen belgischem Recht (Artikel 67 und 68 des IPR-Gesetzbuchs).
3.5 Ehe, eheähnliche und partnerschaftsähnliche Gemeinschaften, Scheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, Unterhaltspflichten
3.5.1 Ehe
Hinsichtlich des auf die Ehe anzuwendenden Rechts unterscheidet das IPR-Gesetz:
1. Eheversprechen: Anzuwenden ist das Recht des Staates, in dem die künftigen Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder hilfsweise das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide künftige Ehegatten besitzen, oder hilfsweise belgisches Recht (Artikel 45 des IPR-Gesetzbuchs).
2. Eheschließung: Anzuwenden ist das Recht der Staatsangehörigkeit jedes Ehegatten; dies gilt unter Umständen insofern nicht für die Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts, als Bestimmungen ausländischen Rechts, die eine solche Ehe verbieten, außer Acht gelassen werden, wenn einer der Ehegatten Staatsangehöriger eines Staates ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, dessen Recht eine solche Ehe erlaubt (Artikel 46 des IPR-Gesetzbuchs).
3. Formvorschriften: Anzuwenden ist das Recht des Staates, in dem die Ehe geschlossen wird (Artikel 47 des IPR-Gesetzbuchs).
4. Wirkungen der Ehe: Anzuwenden ist das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder hilfsweise das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder hilfsweise belgisches Recht (Artikel 48 des IPR-Gesetzbuchs).
3.5.2 Eheähnliche und partnerschaftsähnliche Gemeinschaften
In Bezug auf Partnerschaften und sonstige eingetragene Formen des Zusammenwohnens unterscheidet das belgische Recht zwischen Lebensgemeinschaften, in denen die Partner in einer eheähnlichen Beziehung zusammenwohnen, und Lebensgemeinschaften, in denen die Partner nicht in einer eheähnlichen Beziehung zusammenwohnen.
Im ersten Fall ist das für die Ehe geltende Recht (siehe oben) anzuwenden, im zweiten Fall das Recht des Staates, in dem die Lebensgemeinschaft erstmals registriert wurde.
Für nicht eingetragene Lebensgemeinschaften gelten keine besonderen Bestimmungen.
3.5.3 Scheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes
Im Bereich Scheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes wurden die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, der sogenannten Rom-III-Verordnung, für allgemein anwendbar erklärt. Eine eventuelle Rechtswahl muss spätestens beim ersten Erscheinen der Ehegatten vor dem Gericht, bei dem der Antrag auf Scheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes gestellt wurde, getroffen werden.
3.5.4 Unterhaltspflichten
Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen verweist auf das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht. In der Regel ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Besondere Vorschriften gelten jedoch im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern, zwischen Personen unter 21 Jahren und Personen, die nicht ihre Eltern sind, zwischen Ehegatten und ehemaligen Ehegatten sowie zwischen Personen, deren Ehe aufgehoben wurde. Das Protokoll sieht auch vor, dass die Parteien das anzuwendende Recht wählen können.
Ferner gilt das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht in den Beziehungen zwischen Belgien und einem Staat, der Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1956 ist, jedoch das oben genannte Haager Protokoll vom 23. November 2007 noch nicht ratifiziert hat.
3.6 Ehegüterrecht
Die Partner können selbst wählen, welches Recht für ihren ehelichen Güterstand gelten soll. Die Auswahl beschränkt sich allerdings auf das Recht des Staates, in dem die Partner nach der Eheschließung ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt hatten, und das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt (Artikel 49 des IPR-Gesetzbuchs).
In Ermangelung einer Rechtswahl unterliegt der eheliche Güterstand dem Recht des Staates, in dem die Partner nach der Eheschließung ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Befand sich der erste gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten nicht im gleichen Staat, so ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit beide Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung besaßen. In allen übrigen Fällen gilt das Recht des Staates, in dem die Ehe geschlossen wurde (Artikel 51 des IPR-Gesetzbuchs).
3.7 Rechtsnachfolge von Todes wegen, Testamente
In diesem Bereich gilt die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
3.8 Dingliche Rechte
Welches Recht anzuwenden ist, richtet sich nach dem Ort, an dem die Sache belegen ist (Artikel 87 des IPR-Gesetzbuchs).
3.9 Insolvenz
Im Insolvenzfall gilt die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren. Die Verordnung geht von einem universellen Hauptinsolvenzverfahren aus, dem sekundäre Partikularverfahren folgen können.
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