Rechte von Minderjährigen in Gerichtsverfahren

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1. Prozessfähigkeit des Kindes

In Bulgarien beginnt die Strafmündigkeit mit Vollendung des 14. Lebensjahres. In allen Angelegenheiten muss ein Kläger mindestens 14 Jahre alt sein, um selbst Klage erheben zu können.

2. Zugang zu angepassten Verfahren

In den allgemeinen Gerichten gibt es keine spezielle Zuständigkeit im Bereich der Kinderjustiz. In Gerichten, deren Personalausstattung ausreicht, um den Grundsatz der zufälligen Zuweisung von Fällen zu gewährleisten, werden die Richter einer Zivil- und einer Strafkammer zugeteilt und befassen sich nur mit den jeweiligen Fällen. An den Kreis- und Bezirksgerichten können Kammern eingerichtet werden: die Zuteilung der Richter zu diesen Kammern liegt im Ermessen des Verwaltungsleiters des Gerichts.

Die bulgarische Gesetzgebung enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Kind“. Um strafmündig zu sein, muss zudem ein Mindestalter erreicht werden, und für die Verhängung von Strafen gegen Minderjährige gelten besondere Vorschriften. Im Sinne des Kinderschutzgesetzes ist „ein Kind jede natürliche Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“.

Minderjährige werden in zwei Gruppen eingeteilt – von 14 bis 16 Jahren und von 16 bis 18 Jahren. Ihre strafrechtliche Verantwortung ist im Vergleich zur strafrechtlichen Verantwortung von Erwachsenen gemindert, wobei die Strafmilderung in der Altersgruppe von 16 bis 18 Jahren geringer ist.

Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, können nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und Sanktionen sowie nach besonderen Gesetzen wie dem Erlass zur Bekämpfung von leichtem Hooliganismus verwaltungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

3. Multidisziplinäre Aspekte

Alle relevanten Stellen müssen ihre Tätigkeiten koordinieren, um die Kinder ganzheitlich beurteilen zu können. Im Kinderschutzgesetz sind die Zuständigkeiten der Kinderschutzbehörden geregelt, d. h. der Staatlichen Agentur für Kinderschutz, der Sozialhilfedirektionen auf lokaler Ebene, des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik, des Innenministeriums, des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft, des Justizministeriums, des Außenministeriums, des Kulturministeriums, des Gesundheitsministeriums und der Bürgermeister der Gemeinden.

4. Schulung von Angehörigen der Rechtsberufe

Angehörige der Rechtsberufe, die an dem Gerichtsverfahren beteiligt sind, müssen qualifiziert sein und über umfassende Erfahrung verfügen, insbesondere in der Arbeit mit Kindern. Es gibt keine gesetzlichen Ausbildungsanforderungen, aber fast alle Fachkräfte haben Qualifizierungskurse und Schulungen absolviert, durch die sie spezifische Fähigkeiten erworben haben.

Zum anderen nehmen die Sozialarbeiter und Polizeibeamten an verschiedenen Studien, Seminaren und Treffen teil, die u. a. von öffentlichen Einrichtungen und nichtstaatlichen Organisationen veranstaltet werden. Die Agentur für Sozialhilfe als wichtigste staatliche Einrichtung, die für die Umsetzung der Kinderschutzpolitik auf lokaler Ebene zuständig ist, organisiert viele Schulungen zur Verbesserung der Qualifikationen ihrer Mitarbeitenden – der Sozialarbeiter.

5. Wohl des Kindes

Nach dem Kinderschutzgesetz ist die Wahrung des Wohls des Kindes einer der wichtigsten Grundsätze des Schutzes. Das Wohl des Kindes ist der wichtigste Grundsatz für die Beteiligung von Kindern an Gerichtsverfahren. Nach der nationalen Gesetzgebung haben Kinder die Möglichkeit, eine proaktive Rolle zu spielen, ihre Meinung zu äußern und an Entscheidungen mitzuwirken.

6. Zugang zu Rechtsbehelfen

Im Kinderschutzgesetz ist vorgesehen, dass das Kind in allen Verfahren, die seine Rechte oder Interessen betreffen, ein Recht auf Prozesskostenhilfe und Rechtsbehelfe hat.

Kinder, die nicht geschäftsfähig sind, können Beschwerden und Rechtsbehelfe über ihre Eltern oder gesetzlichen Vertreter einlegen, die ihre Rechte in ihrem Namen ausüben. Die Rechtsvorschriften geben den gesetzlichen Vertretern die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die dem Wohl des Kindes dienen. Im Falle eines Opfers im Kindesalter, das sich gegen eine Strafverfolgung entscheidet, kann ein Staatsanwalt diese in seinem Namen veranlassen und ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Für die Prozesskostenhilfe für Kinder gibt es keine besonderen Vorschriften. Es gelten die allgemeinen Vorschriften des Prozesskostenhilfegesetzes.

7. Künftige Entwicklungen

Das Justizministerium hat unter Beteiligung eines breiten Spektrums von Interessenträgern den Entwurf eines neuen Gesetzes über die Vermeidung von Strafverfahren und die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Minderjährige ausgearbeitet. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, rechtmäßiges Verhalten von Minderjährigen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, zu fördern und ihre Eingliederung in die Gesellschaft durch die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen und die Aufnahme in geeignete Bildungsprogramme zu unterstützen. In Übereinstimmung mit internationalen Normen und bewährten Verfahren wird in dem Gesetzentwurf das neue System von Maßnahmen zur Verhinderung von sekundärer und wiederholter Straffälligkeit bei Minderjährigen mit illegalem Verhalten geregelt.

Ein wesentliches Element der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen ist die vorgesehene Möglichkeit, eine Mediation in Anspruch zu nehmen. Dadurch wird es möglich, eine wiederherstellende bzw. opferorientierte Justiz einzuführen, bei der Jugendliche aus Strafverfahren herausgenommen werden, um die durch das rechtswidrige Verhalten verursachten Schäden zu beseitigen und die Beziehungen zwischen Täter, Opfer und Gesellschaft so weit wie möglich wiederherzustellen.

8. Familienleben

Das bulgarische Adoptionsrecht wurde infolge der Ratifizierung des Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Haager Übereinkommen) überarbeitet. Die Eintragung von Adoptionen und Adoptiveltern in spezielle Verzeichnisse wurde mit den Änderungen als Voraussetzung für die Zulassung von Volladoptionen eingeführt. Eine Ausnahme von dieser Regel wurde bei der Adoption des Kindes eines Ehegatten und bei der Adoption eines Enkelkindes durch einen Großvater und eine Großmutter vorgesehen.

Nach der bulgarischen Gesetzgebung kann die Adoption entweder eine „Volladoption“ oder eine „einfache Adoption“ sein:

Im Falle der Volladoption entstehen zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und dem Adoptivelternteil und seinen Verwandten andererseits Rechte und Pflichten wie zwischen leiblichen Verwandten, und die Rechte und Pflichten des Adoptivkindes und seiner Nachkommen gegenüber ihren leiblichen Verwandten werden aufgehoben.

Im Falle der einfachen Adoption entstehen die Rechte und Pflichten wie zwischen leiblichen Verwandten nur zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und dem Adoptivelternteil andererseits, die Rechte und Pflichten des Adoptivkindes und seiner Nachkommen gegenüber ihren leiblichen Verwandten bleiben aber erhalten. Die elterlichen Rechte und Pflichten gehen auf den Adoptivelternteil über.

Kinderfreundliche Justiz in Bulgarien  PDF (324 Kb) en

Letzte Aktualisierung: 05/10/2023

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