Rechte von Minderjährigen in Gerichtsverfahren

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1. Geschäftsfähigkeit des Kindes

Nach lettischem Recht sind Personen, die das Alter der Volljährigkeit erreicht haben, d. h. 18 Jahre alt sind, in Zivilverfahren geschäftsfähig, also prozessfähig. Verfahren, die Minderjährige betreffen, sind von deren gesetzlichen Vertretern vor Gericht zu bringen. Gesetzliche Vertreter sind meist die Eltern oder der Vormund (gesetzliche Betreuer) des Kindes.

In den gesetzlich vorgesehenen Fällen sind Minderjährige berechtigt, ihre zivilrechtlichen Verfahrensrechte selbstständig auszuüben. In solchen Fällen können gesetzliche Vertreter hinzugezogen werden, die den Minderjährigen bei gerichtlichen Verfahren unterstützen. Es ist zu beachten, dass Kinder das Recht haben, ihren Standpunkt frei zu äußern und in diesem Zusammenhang auch das Recht haben, jede Art von Informationen zu erhalten und zu übermitteln sowie in allen sie betreffenden Verfahren angehört zu werden. Wenn ein Kind in der Lage ist, seinen Standpunkt zu formulieren, ist dieser entsprechend dem Alter und der Reife des Kindes zu berücksichtigen.

2. Zugang zu modifizierten Gerichtsverfahren

Die Arbeit der Gerichte ist so organisiert, dass Rechtssachen, bei denen es um den Schutz der Rechte und Interessen eines Kindes geht, mit Dringlichkeit behandelt werden.

In Angelegenheiten, die ein Kind betreffen, z. B. Scheidungsverfahren, die Feststellung der Abstammung eines Kindes und Ähnliches, sieht das Gesetz einen großen Handlungsspielraum für die Offenlegung von Beweismitteln vor. Um die Standpunkte eines Kindes zu klären und sie dem Gericht vorzulegen, wird in der Regel die zuständige Behörde der Gemeinde hinzugezogen, d. h. ein Familiengericht, das sich aus speziell geschulten Fachleuten zusammensetzt, die die Standpunkte des Kindes in einer vertrauten Umgebung aufklären.

3. Multidisziplinäre Aspekte

Der Schutz der Rechte von Kindern wird in Zusammenarbeit mit den Familien, zentralen und lokalen Regierungsbehörden, öffentlichen Organisationen und anderen natürlichen und juristischen Personen umgesetzt.

Gemäß dem Gesetz über den Schutz von Kinderrechten wird die Zusammenarbeit zwischen den zentralen und lokalen Regierungsbehörden in Angelegenheiten des Schutzes der Rechte von Kindern und der Familienrechte, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, vom Ministerium für Soziale Sicherheit (Labklājības ministrija) koordiniert.

Lettland verfügt über ein besonderes Verfahren (Kabinettsverordnung Nr. 545 vom 12. September 2017 über die institutionelle Zusammenarbeit im Bereich des Schutzes der Rechte von Kindern), das die Organisation der Zusammenarbeit zwischen zentralen und lokalen Regierungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich regelt. Dieses Verfahren wird mithilfe beratender Arbeitsgruppen der Gemeinden und des Rates für die Zusammenarbeit in Kinderangelegenheiten organisiert. Die zusammenarbeitenden Gruppen prüfen unter anderem Einzelfälle im Zusammenhang mit möglichen Verletzungen der Rechte von Kindern, in denen ein schnelles Handeln und eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Einrichtungen erforderlich ist und in denen die Situation nicht von einer einzelnen Einrichtung gelöst werden kann oder sich über einen längeren Zeitraum hinweg als nicht lösbar erwiesen hat.

4. Ausbildung von Experten

Der Gesetzgeber sieht eine Vielzahl von Experten vor (Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Rechtspfleger und Gerichtspsychologen), die die psychische Verfassung eines Kindes beurteilen. Hierzu gehören auch Notare, Polizeibeamte usw., die mit Kindern arbeiten, und die Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Schutzes der Rechte von Kindern erwerben müssen. Schulungen für Richter in Angelegenheiten, die die Rechte von Kindern betreffen, werden vom Justizministerium organisiert.

5. Die Interessen des Kindes

Nach dem Gesetz über den Schutz von Kinderrechten haben die Rechte und Interessen eines Kindes bei allen Rechtsgeschäften, die ein Kind betreffen, Vorrang. In Lettland müssen bei allen Maßnahmen, an denen Kinder beteiligt sind und die von zentralen oder lokalen staatlichen Einrichtungen, öffentlichen Organisationen, anderen natürlichen oder juristischen Personen, Gerichten und anderen Strafverfolgungsbehörden durchgeführt werden, vorrangig die Rechte und Interessen des Kindes beachtet werden.

Alle natürlichen und juristischen Personen haben bei sämtlichen Handlungen und Entscheidungen, die das Kind direkt oder indirekt betreffen oder betreffen können, das Wohl des Kindes zu schützen. Bei der Bestimmung des Kindeswohls sollte das Ziel darin bestehen, unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Situation und Beachtung der gesetzlich festgelegten Kriterien eine dauerhafte Lösung für die Situation des Kindes zu finden.

6. Überwachung und Vollstreckung von Entscheidungen in Gerichtsverfahren, an denen Kinder beteiligt sind

Sobald eine Entscheidung, die die Rechte und Interessen eines Kindes berührt, wirksam wird oder sofort vollstreckt werden sollte, aber nicht vollstreckt wird, kann der gesetzliche Vertreter des Kindes den Vollstreckungstitel beim Gerichtsvollzieher einreichen. Das Gericht übersendet dem Kind die Einzelheiten der Entscheidung nicht persönlich. Es wird davon ausgegangen, dass die Eltern oder der Vormund des Kindes als gesetzliche Vertreter, die im Wohl des Kindes handeln, dem Kind die Entscheidung des Gerichts entsprechend seiner Verständnisfähigkeit erläutern und die erforderlichen Informationen über den Stand der Vollstreckung der Entscheidung vermitteln. Soweit es für die Vollstreckung von Entscheidungen in Sorgerechts- und Umgangsrechten erforderlich ist, arbeitet der Gerichtsvollzieher mit dem Familiengericht zusammen. Dabei erteilt er Anweisungen zur Bereitstellung der zur Durchführung der Vollstreckung erforderlichen Informationen und zur Teilnahme am Vollstreckungsverfahren.

7. Zugang zu Rechtsmitteln

In zivilrechtlichen Verfahren werden Angelegenheiten, an denen Minderjährige beteiligt sind, von ihren gesetzlichen Vertretern geführt. Bei diesen handelt es sich in der Regel um die Eltern oder den Vormund des Kindes. Wenn Minderjährige nach dem Gesetz ihre zivilrechtlichen Verfahrensrechte selbstständig wahrnehmen können, werden ihre gesetzlichen Vertreter ebenfalls hinzugezogen.

Für Kinder, die von familiärer Gewalt betroffen sind, ist ein zusätzliches Schutzinstrument vorgesehen. Wenn ein Kind Ziel von Gewalt oder Kontrolle durch Zwang ist, kann ein Antrag auf Schutz zum Wohl des Kindes nicht nur von einem Elternteil oder Vormund des Kindes gestellt werden, sondern auch von einem Familiengericht oder der Staatsanwaltschaft. Das bedeutet, dass eine der zuvor genannten zuständigen Behörden einen Antrag auf Schutz bei Gericht stellen kann, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes, aus welchen Gründen auch immer, nicht tätig wird, um die Rechte des Kindes zu schützen. Es ist zu beachten, dass der Schutz vor Gewalt in jeder Phase des Zivilverfahrens beantragt werden kann, auch bereits vor der Erhebung einer Klage.

8. Adoptionsverfahren, einschließlich internationaler Adoptionen

In Lettland können minderjährige Kinder adoptiert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Die rechtlichen Grundlagen für die Adoption sind im Zivilrecht festgelegt. Das Adoptionsverfahren ist durch eine Kabinettsverordnung geregelt. Eine Adoption wird vom Gericht genehmigt. Ein Kind kann adoptiert werden, wenn es vor der Genehmigung der Adoption unter die Betreuung und Obhut der adoptierenden Partei gestellt wurde und eine von einer örtlichen Behörde – einem Familiengericht – eingerichtete Vormundschafts- und Sorgerechtseinrichtung festgestellt hat, dass das Kind und die adoptierende Partei zueinander passen und es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass die Adoption zu einer echten Eltern-Kind-Beziehung führen wird. Ein Kind, das das 12. Lebensjahr vollendet hat, muss seine persönliche Einwilligung zur Adoption geben.

Eine Person, die ein Kind adoptieren möchte, muss den entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen. Um die Eignung für eine Adoption festzustellen, führt ein Familiengericht eine Untersuchung der Adoptivfamilie entsprechend den Regelungen des Adoptionsverfahrens durch. Ein Kind kann durch die Entscheidung eines Familiengerichts in einer Adoptivfamilie untergebracht werden.

In den gesetzlich vorgesehenen Fällen und Verfahren ist eine internationale Adoption mit Bezug zu einem solchen ausländischen Staat möglich, der durch das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption sowie durch das Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes gebunden ist und mit dem Lettland ein bilaterales Abkommen geschlossen hat, in dem die Einzelheiten der gegenseitigen Justizzusammenarbeit im Bereich der Auslandsadoption festgelegt sind. Eine internationale Adoption mit Bezug zu einem ausländischen Staat kann erfolgen, sobald eine Stellungnahme der Kommission für Auslandsadoptionen vorliegt, in der festgestellt wird, dass das Verfahren der internationalen Adoption mit den in diesem Gesetz verankerten Grundsätzen des Schutzes von Kinderrechten vereinbar ist und dem Wohl des Kindes entspricht.

Letzte Aktualisierung: 19/08/2024

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