Sachverständigen finden

Frankreich

Inhalt bereitgestellt von
Frankreich

I. Sachverständigenlisten und -register

Jedes Berufungsgericht und das französische oberste Gericht für Zivil- und Strafsachen (Kassationsgericht) führen eine Sachverständigenliste oder ein Sachverständigenregister.

Den Gerichten und Staatsanwälten steht es jedoch frei, jede Person zu benennen, die sie als geeignet und kompetent erachten. In diesem Fall müssen sie ihre Wahl begründen.

Die Sachverständigenlisten werden auf den Websites der Gerichte und insbesondere auf der Website des Kassationsgerichts und der Berufungsgerichte veröffentlicht.

Um in eine Gerichtsliste aufgenommen zu werden, müssen die Sachverständigen folgende Anforderungen erfüllen:

  • sie müssen jünger als 70 Jahre sein. In der Praxis muss der Sachverständige zwischen 35 und 57/58 Jahre alt sein, um in eine Sachverständigenliste aufgenommen zu werden.
  • sie müssen EU-Bürger sein
  • sie dürfen kein Verhalten gezeigt haben, das gegen Ehre, Redlichkeit und die guten Sitten verstößt
  • sie dürfen nicht Gegenstand einer Disziplinar- oder Verwaltungsstrafe gewesen sein, die zur Entlassung, zur Streichung aus dem Register, zum Widerruf oder zum Entzug der Zulassung bzw. der Genehmigung geführt hat
  • sie dürfen nicht Gegenstand einer Privatinsolvenz oder einer anderen im Handelsgesetzbuch vorgesehenen Sanktion gewesen sein
  • sie müssen einen bestimmten Mindestzeitraum in einem Beruf tätig gewesen sein, der mit ihrem Fachgebiet im Zusammenhang steht
  • sie dürfen keine Tätigkeit ausgeübt haben, die mit der für die Erstellung gerichtlicher (rechtlich relevanter) Gutachten erforderlichen Unabhängigkeit unvereinbar ist
  • sie sollten ihre Haupttätigkeit im Gerichtsbezirk ausgeübt haben.

Sachverständige, die auf Übersetzungen spezialisiert sind und die Eintragung in die Liste eines erstinstanzlichen Gerichts beantragen, müssen ihren Beruf im örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Gerichts ausüben oder in diesem Bezirk wohnen, wenn sie bereits im Ruhestand sind.

Der Antrag des Sachverständigen auf Eintragung wird vom Staatsanwalt und den Richtern des erstinstanzlichen Gerichts geprüft. Die Entscheidung wird von einer Richterversammlung des Berufungsgerichts getroffen.

Die Sachverständigen müssen vor ihrer Registrierung einen Eid ablegen.

Um in das Verzeichnis des Kassationsgerichts (nationale Liste) aufgenommen zu werden, muss der Sachverständige seit mindestens fünf Jahren in das Verzeichnis eines Berufungsgerichts (regionale Liste) eingetragen sein.

Jeder Sachverständige, der zum ersten Mal registriert wurde, muss nach drei Jahren erneut eine Registrierung beantragen. Danach müssen die Sachverständigen alle fünf Jahre einen erneuten Antrag auf Registrierung stellen. Entscheidungen über die Ablehnung einer erneuten Registrierung eines Sachverständigen müssen entsprechend begründet sein und können angefochten werden.

Sachverständige können durch Disziplinarmaßnahmen seitens des Berufungsgerichts aus dem Register gestrichen werden, was angefochten werden kann.

Es gibt einen vom französischen Sachverständigenverband veröffentlichten Ethikkodex.

II. Qualifikation der Sachverständigen

Grundsätzlich müssen Sachverständige in ihrem Fachgebiet ausreichend qualifiziert sein.

Die Sachverständigen müssen über Berufserfahrung und Kenntnis der Verfahrensregeln, insbesondere der Regeln für Sachverständigenverfahren, verfügen.

Sie müssen sich an Weiterbildungsmaßnahmen beteiligen, was alle fünf Jahre von den Berufungsgerichten überprüft wird. Die Weiterbildung von Sachverständigen umfasst:

  • Schulungen in ihrem Fachgebiet, die von Berufsverbänden angeboten werden;
  • Schulungen zum Ablauf von Sachverständigenverfahren, die von Richtern und Sachverständigenvereinigungen durchgeführt werden.

III. Vergütung der Sachverständigen

In Strafverfahren ist die Vergütung für bestimmte Leistungen der Sachverständigen gesetzlich geregelt. In einigen Fachgebieten kann der Staatsanwalt oder der Ermittlungsrichter den Gutachterauftrag ausschreiben und das günstigste Angebot auswählen. Das Justizministerium bezahlt die Gutachterkosten aus dem Justizhaushalt.

In Zivilsachen wird die Vergütung in der Regel auf Grundlage der Zahl der Stunden berechnet, die der Sachverständige für den Fall aufgewendet hat, multipliziert mit einem Stundensatz und zuzüglich Kosten und Mehrwertsteuer.

Das Gericht entscheidet im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens über die Höhe der Vergütung des Sachverständigen, wobei es den Umstand, ob das Gutachten fristgerecht eingereicht wurde oder nicht, sowie die Qualität des Gutachtens und die Sorgfalt, die der Sachverständige bewiesen hat, berücksichtigt.

In der Regel zahlt der Kläger einen Vorschuss auf die Vergütung des Sachverständigen. Das Gericht kann jedoch anordnen, dass beide Parteien einen Teil des Vorschusses auf diese Kosten zahlen müssen.

In seiner endgültigen Entscheidung verurteilt das Gericht dann die unterlegene Partei zur Zahlung der Vergütung des Sachverständigen.

Zur Deckung der Kosten des Sachverständigenverfahrens steht Prozesskostenhilfe zur Verfügung.

IV. Haftung der Sachverständigen

Die Sachverständigen sind verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung von Haftungsrisiken abzuschließen.

Die Versicherung muss die zivilrechtliche und berufliche Haftung des Sachverständigen, einschließlich bei Aufträgen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, abdecken.

V. Zusätzliche Informationen über Sachverständigenverfahren

In Strafsachen können Sachverständige durch den Ermittlungsrichter, den Staatsanwalt oder einen Polizeibeamten mit entsprechender Befugnis bestellt werden (officier de police judiciaire: ein Polizeibeamter, der nach französischem Recht für strafrechtliche Ermittlungen zuständig ist und Verdächtige in Gewahrsam nehmen darf).

In allen anderen Fällen wird der Sachverständige ausschließlich durch das Gericht – entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei – bestellt.

In Zivilverfahren ist die Erstellung eines vorläufigen Gutachtens nicht zwingend vorgeschrieben, wird aber dringend empfohlen und wird in den Verfahren oft ausdrücklich gefordert. Der Sachverständige legt ein schriftliches Abschlussgutachten vor. Erachtet es der Sachverständige für erforderlich, sich mit einem Experten aus einem anderen Fachgebiet zu beraten, so fügt er dem Gutachten die Stellungnahme dieses Experten bei. Das Gericht kann vom Sachverständigen verlangen, in einer mündlichen Verhandlung als Zeuge auszusagen, wenn das Gutachten keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Gerichts darstellt. Das Abschlussgutachten muss alle Fragen des Gerichts beantworten und allen von den Parteien während des Sachverständigenverfahrens an den Sachverständigen gerichteten Bemerkungen Rechnung tragen.

1. Bestellung von Sachverständigen

Der Titel des Sachverständigen (expert de justice) ist strafrechtlich geschützt. Der Sachverständige wird in eine Liste aufgenommen, die von den Berufungsgerichten und dem Obersten Gericht geführt wird.

In Frankreich gibt es zwischen 8 000 und 10 000 gerichtliche Sachverständige.

In Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen können Sachverständige auch im Vorverfahren oder in der Untersuchungsphase bestellt werden. 80% der Sachverständigenverfahren werden in dieser vorprozessualen Phase eingeleitet.

Das Gericht bestellt einen Sachverständigen, wenn es für die Beilegung der Streitigkeit fachliche Expertise benötigt: das Gericht kann den Sachverständigen von Amts wegen oder auf Antrag einer der Parteien bestellen. Der Richter entscheidet, welche Partei einen Kostenvorschuss zu zahlen hat, der zur Zahlung des Sachverständigenhonorars verwendet wird.

Die Parteien können einen Sachverständigen vorschlagen, doch entscheidet immer das Gericht oder der Staatsanwalt, welcher Sachverständige bestellt wird. Sofern die Wahl eines anderen Sachverständigen nicht spezifisch begründet wird, muss der Sachverständige aus einer von einem Berufungsgericht erstellten Liste ausgewählt werden.

In Zivilverfahren wirken die Parteien erheblich an der Arbeit des Sachverständigen mit. Sie müssen mit ihm zusammenarbeiten und alle vom Sachverständigen angeforderten Dokumente übermitteln. Sie können den Sachverständigen bei kontradiktorischen Sitzungen direkt befragen und ihn auffordern, zu ihren Anmerkungen Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeiten sind in Strafverfahren, in denen der Sachverständige in hohem Maße von dem Richter oder Staatsanwalt, der ihn bestellt hat, abhängig ist, erheblich eingeschränkt.

2. Verfahren

Die zentralen Rechtsgrundlagen für gerichtliche Gutachten in Frankreich sind:

  • die Strafprozessordnung und die Zivilprozessordnung
  • das Gesetz 71-498 vom 29. Juni 1971 über gerichtliche Sachverständige, das mehrfach geändert wurde, insbesondere am 18. November 2016
  • das Dekret vom 23. Dezember 2004, das mehrfach geändert wurde.

Sachverständige können während des Verfahrens mit den Parteien in Kontakt stehen, jedoch unter strikter Einhaltung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens. Ausnahmen betreffen das Arzt- und das Geschäftsgeheimnis.

Es gibt keine Vorgaben für den Aufbau eines Gutachtens, doch gibt es Initiativen, dies zu ändern.

Nichtsdestotrotz müssen die Sachverständigen in ihren Gutachten:

  • ihre Argumentation im Einzelnen erläutern;
  • die Dokumente angeben, auf die sich ihre Stellungnahme stützt;
  • auf die Vorbringen der Parteien eingehen;
  • alle Dokumente auflisten, die ihnen übermittelt wurden.

Hat das Gericht die Erstellung eines vorläufigen Gutachtens angeordnet, übermittelt der Sachverständige das Gutachten den Parteien, damit sie Stellung nehmen können.

In Strafsachen muss der Sachverständige an der Verhandlung teilnehmen. In Zivilsachen kann das Gericht den Sachverständigen auffordern, der Verhandlung beizuwohnen.

Das Gericht kann die Erstellung eines Zusatzgutachtens durch den Sachverständigen anordnen, wenn beispielsweise die Parteien zum Gutachten Stellung genommen und weitere Fragen gestellt haben.

Das Gericht überwacht den Fortgang der Untersuchungen des Sachverständigen. Diese Aufgabe wird einem bestimmten Richter eines erstinstanzlichen Gerichts übertragen.

 

Die obigen Informationen wurden im Rahmen des Projekts „Einen Sachverständigen finden“ von den vom European Expertise & Experts Institute EEEI ausgewählten Ansprechpartnern im jeweiligen Land zusammengetragen.

Letzte Aktualisierung: 22/12/2020

Die verschiedenen Sprachfassungen dieser Seite werden von den betreffenden Mitgliedstaaten verwaltet. Die Übersetzung wurde vom Übersetzungsdienst der Europäischen Kommission angefertigt. Es kann sein, dass Änderungen der zuständigen Behörden im Original in den Übersetzungen noch nicht berücksichtigt wurden. Die Kommission übernimmt keinerlei Verantwortung oder Haftung für Informationen, die dieses Dokument enthält oder auf die es verweist. Angaben zum Urheberrechtsschutz für EU-Websites sind dem rechtlichen Hinweis zu entnehmen.