Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Tyskland
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European Judicial Network
Det europeiska rättsliga nätverket (på privaträttens område)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Bislang wurden keine Maßnahmen in Bezug auf zivilrechtliche Fristen getroffen; die einzigen Bestimmungen betrafen längere Unterbrechungen von Strafverfahren. Das deutsche Zivilprozessrecht enthält flexible Bestimmungen über die Verlängerung von Fristen, die Aussetzung von Verfahren und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die bei Rechtsstreitigkeiten während der COVID-19-Krise helfen.

Weitere Informationen über gesetzgeberische Maßnahmen bietet die Website des Bundesministeriums der Justiz.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Mit den gesetzlichen Bestimmungen für Zivilverfahren wird den Gerichten bereits ein weiter Spielraum eingeräumt, um flexibel auf Ausnahmesituationen zu reagieren. Es ist Sache der jeweiligen Gerichte und Richter zu entscheiden, welche verfahrensleitenden Maßnahmen im Einzelfall ergriffen werden, z. B. schriftliches Verfahren oder Beweisaufnahme im Weg einer Videokonferenz. Die Unabhängigkeit der Justiz wird gewahrt.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Zusammenarbeit in Familienangelegenheiten (Verordnung (EU) 2019/1111):

Die Zentralbehörde nach der Verordnung (EU) 2019/1111 ist voll funktionsfähig. Anträge können in Papierform eingereicht werden.

Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (Verordnung (EG) Nr. 4/2009):

Die Zentralbehörde nach der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 ist voll funktionsfähig. Anträge können in Papierform eingereicht werden.

Beweisaufnahme (Verordnung (EU) 2020/1783) und Zustellung von Schriftstücken (Verordnung (EU) 2020/1784):

Der Justizbetrieb unterliegt keinen Einschränkungen. Zustellungs- und Beweisaufnahmeersuchen werden erledigt.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften ohne unbeschränkt haftenden Gesellschafter sowie Vereine und Stiftungen ist seit dem 1. Mai 2021 nicht mehr ausgesetzt. Einige Rechtsfolgen aus der Aussetzung gelten allerdings noch fort, insbesondere der erweiterte Schutz vor Anfechtungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 des Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG) in der aktuellen Fassung.

2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

Die Einschränkung des Rechts eines Gläubigers, einen Insolvenzantrag zu stellen, galt nur bis zum 28. Juni 2020. Seit dem 29. Juni 2020 ist die Stellung eines Gläubigerantrags wieder uneingeschränkt zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht.

2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung
2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

Vermieter waren nicht berechtigt, Mietverträge für Grundstücke oder Räumlichkeiten mit der Begründung zu kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit keine Mietzahlungen geleistet hat, sofern die Nichtzahlung eine Folge der COVID-19-Pandemie war. Die Kündigung wurde bis Juni 2022 ausgesetzt.

2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

Bislang gibt es keine Maßnahmen zu Fristen in Zivilverfahren. Es ist nicht erforderlich, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, da die Rechtslage in Deutschland es den Richtern ermöglicht, angemessen auf die Auswirkungen von COVID-19 auf laufende Gerichtsverfahren zu reagieren.

2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Für die Dauer der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht waren die Haftungsrisiken für Geschäftsleiter, Gläubiger und Vertragspartner insolventer Unternehmen gemindert, um die Bereitstellung von zusätzlichem Kapital sowie die Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu fördern, siehe § 2 SanInsKG. Einzelne Erleichterungen gelten noch fort, wie beispielsweise die Klarstellung, dass die Rückgewähr von im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Krediten noch bis zum 30. September 2023 als nicht gläubigerbenachteiligend gilt (§ 2 Absatz 1 Nummer 2 SanInsKG). Auch Zahlungen auf Forderungen, die bis zum 28. Februar 2021 gestundet wurden, galten bis zum 31. März 2022 als nicht gläubigerbenachteiligend, sofern bis zum 18. Februar 2021 noch kein Insolvenzverfahren eröffnet war (§ 2 Absatz 1 Nummer 5 SanInsKG). Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung war gemäß § 4 SanInsKG bis zum 31. Dezember 2021 verkürzt und für Eigenverwaltungsverfahren und die sogenannten Schutzschirmverfahren galten in demselben Zeitraum verschiedene Zugangserleichterungen (vgl. §§ 5 und 6 SanInsKG).

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

Die Verbindlichkeiten von Verbrauchern in Bezug auf Verbraucherkredite wurden – unter bestimmten Bedingungen – ab dem 1. April 2020 für einen Zeitraum von drei Monaten gestundet; die Regelung lief am 30. Juni 2020 aus.

Die Fristen für die Einberufung von Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften wurden von April 2020 bis zum 31. August 2022 verkürzt; Aktiengesellschaften konnten in diesem Zeitraum ihre Hauptversammlungen virtuell, das heißt ohne Anwesenheit der Aktionäre vor Ort unter besonderen Teilnahmebedingungen abhalten. Entsprechende Abweichungen galten für verwandte Rechtsformen und Genossenschaften.

Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die infolge der Krise zahlungsunfähig wurden, wurde ein Leistungsverweigerungsrecht für „die Erfüllung wesentlicher Dauerschuldverhältnisse“ (einschließlich der, aber nicht beschränkt auf die Versorgung mit Gas, Wasser, Strom und Telekommunikationsdienstleistungen) eingeräumt, sofern diese Verträge vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden. Diese Regelung ist am 30. Juni 2020 ausgelaufen.

Letzte Aktualisierung: 07/08/2023

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