Beweisaufnahme mittels Videokonferenz

Ungarn
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Ist die Beweisaufnahme mittels Videokonferenz entweder mit Teilnahme des Gerichts des ersuchenden Mitgliedstaats oder direkt durch ein Gericht dieses Mitgliedstaats möglich? Wenn ja, welche einschlägigen innerstaatlichen Verfahren oder Gesetze finden Anwendung?

Im Gesetz Nr. CXXX von 2016 über die Zivilprozessordnung (A polgári perrendtartásról szóló 2016. évi CXXX. Törvény, auf Ungarisch) (im Folgenden ZPO) ist die Möglichkeit vorgesehen, dass das Gericht auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen anordnet, eine Partei, andere am Gerichtsverfahren Beteiligte, Zeugen oder Sachverständige über ein elektronisches Kommunikationsnetz zu vernehmen und – sofern der Eigentümer des betreffenden Gegenstands nicht widerspricht – eine Inaugenscheinnahme durchzuführen. Eine Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz kann angeordnet werden, wenn dies zweckmäßig ist, z. B. zur Beschleunigung des Verfahrens; wenn eine Vernehmung an dem dafür vorgesehenen Ort schwer durchzuführen oder unverhältnismäßig teuer wäre; oder wenn dies zum Schutz eines Zeugen erforderlich ist.

Vernehmungen über ein elektronisches Kommunikationsnetz sind geregelt in Kapitel XLVII ZPO und im Dekret Nr. 19/2017 des Justizministers vom 21. Dezember 2017 über die Nutzung elektronischer Kommunikationsnetze in Zivilverfahren (A polgári eljárásban a tárgyalás, a meghallgatás elektronikus hírközlő Hálózat útján történő megtartásáról szóló 19/2017. (XII. 21.) IM rendelet, auf Ungarisch) (im Folgenden: Dekret Nr. 19/2017 des Justizministers).

2 Gibt es Einschränkungen bezüglich der Personen, die mittels Videokonferenz vernommen werden können? Ist dies beispielsweise nur bei Zeugen möglich oder können auch Sachverständige und Verfahrensparteien auf diese Weise vernommen werden?

Es bestehen keine Einschränkungen hinsichtlich der Personen, die per Videokonferenz vernommen werden können. Mit dieser Methode können die Parteien und andere Verfahrensbeteiligte, Zeugen, Sachverständige und Eigentümer der zu überprüfenden Gegenstände vernommen werden.

3 Gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Art von Beweisen, die mittels Videokonferenzen aufgenommen werden können? Wenn ja, welche?

Eine Anhörung, Vernehmung oder Inaugenscheinnahme über ein elektronisches Kommunikationsnetz kann zur Vernehmung der Parteien und sonstigen Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Sachverständigen oder zur Durchführung einer Inaugenscheinnahme genutzt werden.

4 Gibt es Einschränkungen bezüglich des Ortes, an welchem eine Person mittels Videokonferenz vernommen werden kann? Muss dies beispielsweise an einem Gericht geschehen?

Vernehmungen über ein elektronisches Kommunikationsnetz können in den Räumlichkeiten des Gerichts oder eines anderen Organs in für diesen Zweck eingerichteten Räumen stattfinden, sofern die für das Funktionieren des elektronischen Kommunikationsnetzes erforderlichen Bedingungen erfüllt sind.

5 Ist es zulässig, Videokonferenzvernehmungen aufzuzeichnen? Wenn ja, sind die entsprechenden Geräte vorhanden?

Gemäß der ZPO kann das Gericht im Zuge der Gerichtsverhandlung auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen anordnen, dass das Protokoll der über das elektronische Kommunikationsnetz durchgeführten Verhandlung, Vernehmung oder Inaugenscheinnahme unter Verwendung kontinuierlicher Video- und Audioaufnahmen erstellt wird, sofern die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen.

6 In welcher Sprache ist die Vernehmung zu führen a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung?

Bei Ersuchen gemäß den Artikeln 12 bis 14 der Verordnung (EU) 2020/1783 sind gemäß Artikel 12 Absatz 2 die Vorschriften der ZPO anzuwenden. Gemäß der ZPO werden Gerichtsverfahren auf Ungarisch durchgeführt; es darf allerdings niemand benachteiligt werden, weil er des Ungarischen nicht mächtig ist. Jede Person hat das Recht, in Gerichtsverfahren ihre Muttersprache oder ihre Regional- oder Minderheitensprache zu verwenden, wenn dies in internationalen Übereinkommen so vorgesehen ist. Erforderlichenfalls muss das Gericht einen Dolmetscher hinzuziehen. Darüber hinaus kann das ersuchende Gericht nach Artikel 12 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2020/1783 die Erledigung des Ersuchens nach einem in seinem nationalen Recht vorgesehenen besonderen Verfahren beantragen. Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen nach dem besonderen Verfahren, sofern dies nicht gegen sein innerstaatliches Recht verstößt oder aufgrund erheblicher praktischer Schwierigkeiten unmöglich ist. Entspricht das ersuchte Gericht aus einem der genannten Gründe nicht dem Ersuchen nach Erledigung in einem besonderen Verfahren, so unterrichtet es das ersuchende Gericht hiervon.

Bei Ersuchen nach den Artikeln 19 bis 21 der Verordnung (EU) 2020/1783 nimmt das ersuchende Gericht die unmittelbare Beweisaufnahme gemäß Artikel 19 Absatz 8 nach dem Recht seines Mitgliedstaats vor.

7 Sofern Dolmetscher benötigt werden, wer ist für ihre Bereitstellung verantwortlich und wo sollten sie anwesend sein a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung?

Bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Verordnung (EU) 2020/1783 ist das ersuchte Gericht gegebenenfalls verpflichtet, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, wenn dies erforderlich ist, damit eine Partei ihre Aussage in ihrer Muttersprache bzw. in einer Regional- oder Minderheitensprache tätigen kann.

Die ZPO enthält keine besonderen Bestimmungen darüber, wo genau sich der Dolmetscher im Falle einer Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz befinden muss. In der ZPO ist jedoch festgelegt, dass Dolmetscher in den für solche Vernehmungen eingerichteten Räumen anwesend sein müssen. Auf der Grundlage des Dekrets 19/2017 des Justizministers muss auf der übermittelten Aufzeichnung auch der Dolmetscher zu sehen sein.

Bei Ersuchen nach den Artikeln 19 bis 21 der Verordnung (EU) 2020/1783 wird das ersuchende Gericht gemäß Artikel 20 Absatz 2 auf Antrag bei der Suche nach einem Dolmetscher unterstützt.

8 Welches Verfahren ist zur Vorbereitung der Vernehmung und zur Zustellung der Benachrichtigung über Ort und Zeit der Vernehmung an die zu vernehmende Person anzuwenden a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung? Wie viel Zeit sollte in diesen beiden Fällen bis zum Vernehmungstermin eingeplant werden, damit die zu vernehmende Person die Ladung rechtzeitig erhält?

Der Beschluss über eine Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz wird den geladenen Personen gleichzeitig mit der Ladung zur Verhandlung, Vernehmung oder Inaugenscheinnahme zugestellt. Der Beschluss über eine Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz wird vom Gericht unverzüglich an das Gericht oder eine andere Stelle übermittelt, die die entsprechenden Einrichtungen für eine solche Vernehmung bereitstellt.

Die ZPO enthält keine besonderen Bestimmungen über die Ladung zu Vernehmungen, die über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchgeführt werden. Die Ladung zu einer Vernehmung muss so übermittelt werden, dass vor der Vernehmung ausreichend Zeit für den Eingang der Bestätigung der gesetzlich vorgeschriebenen Zustellung bei Gericht verbleibt.

Die erste Vernehmung ist so zu planen, dass die Vorladung den Parteien in der Regel mindestens fünfzehn Tage vor dem Tag der Vernehmung zugestellt wird. In dringenden Fällen kann das Gericht eine kürzere Frist ansetzen.

Bei Ersuchen nach den Artikeln 19 bis 21 der Verordnung (EU) 2020/1783 sind die Bestimmungen von Artikel 19 Absätze 4 und 8 anzuwenden.

9 Welche Kosten entstehen für eine Videokonferenz und wer hat für diese Kosten aufzukommen?

Die Kosten variieren und sind vom ersuchenden Gericht (durch Kaution oder Vorschuss) zu tragen, wenn das ersuchte Gericht dies beantragt. Die Pflicht der Parteien, diese Aufwendungen und Auslagen zu tragen, unterliegt dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts.

10 Mit welchen Mitteln wird sichergestellt, dass die Person, die unmittelbar durch das ersuchende Gericht vernommen wird, darüber informiert wurde, dass die Vernehmung auf freiwilliger Grundlage erfolgt?

Nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2020/1783 muss das ersuchende Gericht die betroffene Person darauf hinweisen, dass Aussagen in der Vernehmung freiwillig sind. Gemäß § 80 Absatz 6 Buchstabe a Unterbuchstabe aa des Gesetzes XXVIII von 2017 über das internationale Privatrecht (A nemzetközi magánjogról szóló 2017. évi XXVIII. Törvény, auf Ungarisch) muss auch das an der Durchführung der Videokonferenz beteiligte ungarische Gericht den zu vernehmenden Zeugen darüber belehren, dass seine Teilnahme freiwillig ist.

11 Welche Verfahren stehen zur Überprüfung der Identität der zu vernehmenden Person zur Verfügung?

Die Identität der über ein elektronisches Kommunikationsnetz zu vernehmenden Person wird wie folgt festgestellt:

  • anhand ihrer Angaben zur Person und zum Wohnsitz sowie
  • durch die über gesetzlich festgelegte technische Mittel erfolgende Vorlage ihres amtlichen Ausweises oder Aufenthaltstitels.

Hat das Gericht die vertrauliche Behandlung der Daten eines Zeugen angeordnet, so ist bei der Vorlage des amtlichen Ausweises oder Aufenthaltstitels mittels der gesetzlich vorgeschriebenen technischen Mittel sicherzustellen, dass diese Daten nur vom vorsitzenden Richter oder vom Urkundsbeamten eingesehen werden können, wenn die Vernehmung oder Inaugenscheinnahme von einem Urkundsbeamten durchgeführt wird.

Mit elektronischen Mitteln oder durch direkte Datenbankabfragen stellt das Gericht sicher,

  • dass die Angaben der zu vernehmenden Person zu ihrer Person und ihrem Wohnsitz mit den Aufzeichnungen übereinstimmen, und
  • dass der von der zu vernehmenden Person als Identitätsausweis vorgelegte amtliche Ausweis und Aufenthaltstitel mit den Aufzeichnungen übereinstimmen und gültig sind.

12 Welche Vorschriften gelten für eine Vernehmung unter Eid und welche Angaben des ersuchenden Gerichts werden benötigt, wenn während der unmittelbaren Beweisaufnahme gemäß den Artikeln 19 bis 21 ein Eid erforderlich ist?

Die ZPO enthält keine Bestimmungen über die Vereidigung in Gerichtsverfahren.

13 Mittels welcher Vorkehrungen wird sichergestellt, dass an dem Ort der Videokonferenz eine Kontaktperson für das ersuchende Gericht anwesend ist sowie eine Person, die die Videokonferenzanlage bedienen und mögliche technische Probleme beheben kann?

In der ZPO ist die Anwesenheit einer Person vorgesehen, die für das Funktionieren und den Betrieb der erforderlichen technischen Ausrüstung für Vernehmungen über ein elektronisches Kommunikationsnetz in den entsprechenden Einrichtungen verantwortlich ist.

Der Bediener muss vor Beginn der Vernehmung sicherstellen, dass die technische Ausrüstung für die Vernehmung voll funktionsfähig ist. Besteht ein Hindernis für den normalen Betrieb der Ausrüstung, so meldet der Bediener das Problem unverzüglich dem im Vernehmungsraum anwesenden Richter und sorgt dafür, dass das Problem behoben wird. Das Problem und die getroffenen Maßnahmen werden dann schriftlich an den Vorgesetzten des Bedieners gemeldet. Die Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz kann nicht gestartet oder fortgesetzt werden, bis das Problem behoben ist. Gegebenenfalls ist der laufende Verfahrensschritt, bei dem das Problem oder der Funktionsfehler an den für die Vernehmung über ein elektronisches Kommunikationsnetz verwendeten technischen Geräten aufgetreten ist, zu wiederholen.

14 Werden zusätzliche Informationen des ersuchenden Gerichts benötigt? Wenn ja, welche?

Im Allgemeinen sind keine zusätzlichen Informationen erforderlich.

Letzte Aktualisierung: 25/09/2023

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