Beweisaufnahme mittels Videokonferenz

Spanien
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Ist die Beweisaufnahme mittels Videokonferenz entweder mit Teilnahme des Gerichts des ersuchenden Mitgliedstaats oder direkt durch ein Gericht dieses Mitgliedstaats möglich? Wenn ja, welche einschlägigen innerstaatlichen Verfahren oder Gesetze finden Anwendung?

Beweisaufnahmen sind auf zweierlei Weise möglich.

Rechtsvorschriften:

- Artikel 177 der Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) nach dem Gesetz 29/2015 vom 30. April 2015 über die internationale justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen;

- Artikel 229 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Ley Orgánica del Poder Judicial, LOPJ) in Bezug auf Videokonferenzen; nach Artikel 229 Absatz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind die Aufnahme von Zeugenaussagen, Vernehmungen, Beweisaufnahmen, Gegenüberstellungen, Untersuchungen, Berichte, Bestätigungen von Sachverständigengutachten und Verfahren im Wege von Videokonferenzen im Beisein eines Richters oder des Gerichts und ggf. in Gegenwart oder unter Beteiligung der Parteien zulässig. Dabei wird stets sichergestellt, dass jede Partei die Beweise der anderen Partei in Zweifel ziehen und entkräften kann und dass die Verteidigungsrechte gewahrt werden. Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, handelt es sich hierbei um öffentliche Verfahren.

- Verordnung Nr. 1/2018 über die internationale justizielle Zusammenarbeit und die internationalen Netze zur justiziellen Zusammenarbeit.

Fälle, in denen Spanien auf die Zusammenarbeit einer ausländischen Behörde angewiesen ist

In diesen Fällen wird nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts das Gesetz 29/2015 als subsidiäre Rechtsvorschrift behandelt. Daher werden in diesem Bereich die EU-Rechtsvorschriften und die von Spanien unterzeichneten internationalen Verträge und Vereinbarungen vorrangig angewendet. Im Bereich der internationalen justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen können spanische Behörden mit ausländischen Behörden zusammenarbeiten; eine Zusammenarbeit nach dem Gegenseitigkeitsprinzip ist zwar nicht vorgeschrieben, aber die Regierung kann durch königlichen Erlass festlegen, dass spanische Behörden nicht mit ausländischen Behörden zusammenarbeiten, wenn mehrfach eine Zusammenarbeit verweigert oder die Zusammenarbeit durch Behörden des betreffenden Staates gesetzlich verboten wurde.

In Fällen, in denen die spanischen Gerichte direkt mit anderen Gerichten in Kontakt treten, gilt Folgendes:

Die in den jeweiligen Staaten geltenden Rechtsvorschriften werden stets beachtet. Die direkte Kommunikation findet unmittelbar, ohne Beteiligung eines Vermittlers, zwischen nationalen und ausländischen Gerichten statt. Diese Kommunikation beeinträchtigt nicht die Unabhängigkeit der beteiligten Gerichte und die Verteidigungsrechte der Verfahrensparteien.

Die spanischen Behörden lehnen Anträge auf internationale justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen ab, wenn

  1. der Gegenstand oder der Zweck der beantragten Zusammenarbeit der öffentlichen Ordnung zuwiderläuft;
  2. das dem Ersuchen um Zusammenarbeit zugrundeliegende Verfahren in die ausschließliche Zuständigkeit der spanischen Justiz fällt;
  3. der Gegenstand der beabsichtigten Handlung nicht in die Zuständigkeit des ersuchten spanischen Gerichts fällt. Gegebenenfalls können spanische Gerichte die betreffenden Ersuchen an die zuständige Behörde weiterleiten und die ersuchende Behörde entsprechend informieren;
  4. das Ersuchen um internationale Zusammenarbeit nicht dem Inhalt und den Mindestanforderungen für ein Verfahren nach dem Gesetz 29/2015 entspricht;
  5. die Regierung durch königlichen Erlass bestimmt, dass die spanischen Behörden mit den Behörden eines Drittstaats nicht zusammenarbeiten, der mehrfach Ersuchen um Zusammenarbeit abgelehnt oder eine Zusammenarbeit durch die eigenen Behörden gesetzlich untersagt hat.

2 Gibt es Einschränkungen bezüglich der Personen, die mittels Videokonferenz vernommen werden können? Ist dies beispielsweise nur bei Zeugen möglich oder können auch Sachverständige und Verfahrensparteien auf diese Weise vernommen werden?

Es bestehen keine Einschränkungen hinsichtlich der Beteiligung der Verfahrensparteien oder anderer in die Beweisaufnahme einzubeziehender Personen; dies gilt für Zeugen und für Sachverständige gleichermaßen. Die Beurteilung der Eignung von Beweisen und der den Sachverständigen übermittelten Informationen liegt im Ermessen des Gerichts.

3 Gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Art von Beweisen, die mittels Videokonferenzen aufgenommen werden können? Wenn ja, welche?

Grundsätzlich sind Einschränkungen nur in Ausnahmefällen zulässig und müssen immer auf einer mit Gründen versehenen gerichtlichen Entscheidung beruhen. Dabei gilt es die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung zu berücksichtigen. Die beantragte unmittelbare Beweisaufnahme darf wesentlichen Rechtsgrundsätzen ihres Mitgliedstaats nicht zuwiderlaufen (Artikel 19 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2020/1783).

4 Gibt es Einschränkungen bezüglich des Ortes, an welchem eine Person mittels Videokonferenz vernommen werden kann? Muss dies beispielsweise an einem Gericht geschehen?

Die Vernehmung erfolgt vor dem für das Verfahren zuständige Gericht, vor dem die Beweisaufnahme in einer öffentlichen Verhandlung statt. In Ausnahmefällen kann die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen werden. Hinsichtlich des Aufenthaltsorts der Person, die per Videokonferenz am Verfahren teilnehmen soll, bestehen keine Beschränkungen, sofern das Gericht über eine solche Technologie verfügt und es den Einsatz einer solchen Technologie aufgrund der besonderen Umstände des Falls für angemessen hält (Artikel 20 Absatz 1 letzter Halbsatz der Verordnung (EU) 2020/1783). Ein Rechtspfleger (Letrado de la administración de justicia) des Gerichts, vor dem das Verfahren stattfindet, muss im Gericht die Identität der per Videokonferenz teilnehmenden Personen feststellen; die Feststellung erfolgt durch vorherige Einreichung oder unmittelbare Vorlage von Dokumenten oder aufgrund der Tatsache, dass die Personen persönlich bekannt sind.

5 Ist es zulässig, Videokonferenzvernehmungen aufzuzeichnen? Wenn ja, sind die entsprechenden Geräte vorhanden?

Ja. Sie müssen vorbehaltlich der Anforderungen der vorausgehenden Frage (Artikel 20 Absatz 1 letzter Halbsatz der Verordnung (EU) 2020/1783) aufgezeichnet werden.

Nach Artikel 147 der Zivilprozessordnung müssen mündliche Verfahren, Verhandlungen und Vernehmungen auf einem Medium aufgezeichnet werden, das für die Speicherung und die Wiedergabe von Ton- und Bilddaten geeignet ist. Alle Gerichte in Spanien verfügen über audiovisuelle Geräte für die Aufzeichnung von Verfahren und Verhandlungen. Die Aufzeichnungen werden vom Geschäftsstellenleiter auf DVD archiviert. Den Parteien kann auf eigene Kosten eine Kopie ausgehändigt werden.

6 In welcher Sprache ist die Vernehmung zu führen a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung?

Wenn ein spanisches Gericht beteiligt ist, sollte das Verfahren grundsätzlich auf Spanisch geführt werden, und auch alle relevanten Dokumente sollten auf Spanisch vorliegen, es sei denn, es wird eine der übrigen Amtssprachen des Landes (Galicisch, Katalanisch, Valencianisch und Baskisch) zugelassen, da die mittels Videokonferenz zu vernehmenden Personen dieser Sprachen mächtig sind und sie verwenden möchten.

7 Sofern Dolmetscher benötigt werden, wer ist für ihre Bereitstellung verantwortlich und wo sollten sie anwesend sein a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung?

In Zivilsachen können Dolmetscher sowohl während des Verfahrens als auch anschließend für dessen Dokumentation eingesetzt werden; stellt die Verfahrenspartei, die die Dolmetschleistung benötigt, keine Dolmetscher bereit, wird dies von den Justizverwaltungen übernommen, die in einigen Autonomen Gemeinschaften dezentralisiert wurden. In anderen Fällen werden diese Dienstleistungen vom Justizministerium übernommen. Die entsprechenden Kosten können der Partei auferlegt werden, die auch die übrigen Kosten trägt. Dabei ist zu prüfen, ob Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht.

Damit im Verfahren Beweise und Gegenbeweise wirkungsvoll erbracht werden können, kann sich der Dolmetscher entweder im Gerichtsgebäude oder direkt bei den an der Verhandlung per Videokonferenz teilnehmenden Person befinden.

In jedem Fall wird der Dolmetscher vereidigt bzw. muss er sich verpflichten, die Wahrheit zu sagen, und seinen Pflichten mit der größtmöglichen Objektivität nachkommen.

Artikel 22 der Verordnung (EU) 2020/1783 sieht die Möglichkeit vor, dass das ersuchte Gericht die Erstattung von Gebühren oder Auslagen, einschließlich der von Dolmetschern, verlangen kann.

8 Welches Verfahren ist zur Vorbereitung der Vernehmung und zur Zustellung der Benachrichtigung über Ort und Zeit der Vernehmung an die zu vernehmende Person anzuwenden a) bei Ersuchen nach den Artikeln 12 bis 14 der Beweisaufnahmeverordnung, b) bei unmittelbarer Beweisaufnahme nach den Artikeln 19 bis 21 der Beweisaufnahmeverordnung? Wie viel Zeit sollte in diesen beiden Fällen bis zum Vernehmungstermin eingeplant werden, damit die zu vernehmende Person die Ladung rechtzeitig erhält?

Das interne Verfahren für die Vernehmung in dem in Artikel 10 der Verordnung vorgesehenen Fall ist für die Vernehmung von Parteien in den Artikeln 301 ff. der Zivilprozessordnung, für Zeugenvernehmungen in den Artikeln 360 ff. und für die Erstellung und die Vorlage von Berichten zur Prüfung und kontradiktorischen Prüfung durch Sachverständige in öffentlichen Verhandlungen in den Artikeln 335 ff. geregelt.

9 Welche Kosten entstehen für eine Videokonferenz und wer hat für diese Kosten aufzukommen?

Grundsätzlich sind Videokonferenzen kostenlos. Wenn jedoch beteiligte Parteien eine Kopie der Aufzeichnung wünschen, müssen sie entweder ein geeignetes Medium bereitstellen oder die entsprechenden Kosten übernehmen.

Artikel 22 der Verordnung (EU) 2020/1783 sieht die Möglichkeit vor, dass das ersuchte Gericht die Erstattung von Gebühren oder Auslagen, einschließlich der von Dolmetschern, verlangen kann.

10 Mit welchen Mitteln wird sichergestellt, dass die Person, die unmittelbar durch das ersuchende Gericht vernommen wird, darüber informiert wurde, dass die Vernehmung auf freiwilliger Grundlage erfolgt?

Dies erfolgt auf Weisung des spanischen Gerichts.

11 Welche Verfahren stehen zur Überprüfung der Identität der zu vernehmenden Person zur Verfügung?

Siehe Antwort auf Frage 4.

Der Rechtspfleger des Gerichts, vor dem das Verfahren stattfindet, muss im Gericht die Identität der per Videokonferenz teilnehmenden Personen feststellen; die Feststellung erfolgt durch vorherige Einreichung oder unmittelbare Vorlage von Dokumenten oder aufgrund der Tatsache, dass die Personen persönlich bekannt sind.

12 Welche Vorschriften gelten für eine Vernehmung unter Eid und welche Angaben des ersuchenden Gerichts werden benötigt, wenn während der unmittelbaren Beweisaufnahme gemäß den Artikeln 19 bis 21 ein Eid erforderlich ist?

Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  1. Die Parteien brauchen während der Vernehmung keinen Eid zu leisten oder sich zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu verpflichten; in der Ladung ist die jeweilige Partei jedoch darauf hinzuweisen, dass das Gericht bei unentschuldigtem Nichterscheinen die Sachverhalte, an denen diese Partei persönlich beteiligt war, als wahr betrachtet und dass diese Tatsachenfeststellung für die Partei äußerst nachteilig sein kann.
  2. Zeugen: Vor der Aussage muss jeder Zeuge einen Eid ablegen oder sich verpflichten, wahrheitsgemäß auszusagen. Verstöße dagegen sind als Meineid in Zivilsachen strafbar. Das Gericht weist den Zeugen auf diese Strafen hin, wenn der Zeuge noch nicht darüber unterrichtet wurde. Noch nicht strafmündige Zeugen brauchen keinen Eid abzulegen und sich nicht zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichten.
  3. Sachverständige: Wenn Sachverständige ihr Gutachten vortragen, müssen sie einen Eid ablegen oder sich zu einer wahrheitsgemäßen Darstellung verpflichten und erklären, dass sie ihre Bewertung so objektiv wie möglich vorgenommen haben bzw. vornehmen werden und dass sie mit Blick auf beide Parteien sowohl vorteilhafte als auch nachteilige Aspekte berücksichtigen und dass ihnen die strafrechtlichen Sanktionen bekannt sind, die bei einem Verstoß gegen ihre Pflichten als Sachverständige verhängt werden können. Dieser Eid bzw. diese Verpflichtungserklärung wird während der Vernehmung erneuert, wenn das Gutachten im Gerichtsverfahren in Anwesenheit der Parteien vorgetragen wird.

13 Mittels welcher Vorkehrungen wird sichergestellt, dass an dem Ort der Videokonferenz eine Kontaktperson für das ersuchende Gericht anwesend ist sowie eine Person, die die Videokonferenzanlage bedienen und mögliche technische Probleme beheben kann?

Die Vorkehrungen für den Einsatz audiovisueller Kommunikationsmittel werden im Voraus getroffen. Die Geschäftsstelle des Vorsitzenden Richters (Secretaría del Decanato) oder das Personal des Gerichts legen Datum, Uhrzeit und Ort der Videokonferenz fest und sorgen dafür, dass hinreichend Personal zur Durchführung der Videokonferenz vorhanden ist. Um sicherzustellen, dass die Verbindungen und Geräte ordnungsgemäß funktionieren, werden vor der Videokonferenz gewöhnlich Tests durchgeführt.

14 Werden zusätzliche Informationen des ersuchenden Gerichts benötigt? Wenn ja, welche?

Alle Informationen, die geeignet erscheinen, um sicherzustellen, dass die Beweisaufnahme unter Verwendung der im Anhang enthaltenen Formblätter so reibungslos wie möglich verläuft.

Letzte Aktualisierung: 21/09/2023

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