Zustellung von Schriftstücken: Amtliche Übermittlung von Schriftstücken

Deutschland
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1 Was bedeutet „Zustellung von Schriftstücken“ in der Praxis? Warum gibt es besondere Vorschriften für die Zustellung von Schriftstücken?

Die Zustellung ist die in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Bekanntgabe von Schriftstücken an den Zustellungsadressaten, also an die Person, an die zuzustellen ist. Unter Bekanntgabe ist die Verschaffung der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu verstehen. Die Zustellung soll gewährleisten, dass der Zustellungsempfänger tatsächlich Kenntnis von einem Vorgang erlangt oder zumindest die Möglichkeit hat, hiervon Kenntnis zu erlangen. Zugleich dient die Zustellung dem Nachweis, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art ein Schriftstück einem Empfänger übergeben wurde.

In Gerichtsverfahren dient die Zustellung der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sicherstellung eines fairen Verfahrens. Deshalb gibt es besondere Vorschriften für die Zustellung von Schriftstücken.

2 Welche Schriftstücke müssen förmlich zugestellt werden?

Welche Schriftstücke im Einzelnen förmlich zugestellt werden müssen, ist in Deutschland nicht abschließend gesetzlich geregelt. Die förmliche Zustellung ist überall dort geboten, wo diese Form der Bekanntgabe zweckmäßig oder sogar erforderlich ist, etwa weil erst die Bekanntgabe Rechte begründet oder Fristen in Gang setzt. Teilweise legen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) fest, dass Dokumente zuzustellen sind. Von Gesetzes wegen zuzustellen sind beispielsweise verfahrenseinleitende Schriftstücke in gerichtlichen Verfahren und gerichtliche Entscheidungen, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann.

3 Wer ist für die Zustellung eines Schriftstücks zuständig?

Wer für die Zustellung zuständig ist, hängt davon ab, ob es sich um eine Zustellung von Amts wegen, die sich nach den §§ 166 - 190 ZPO richtet, oder um eine Zustellung auf Betreiben der Parteien nach §§ 191 - 195 ZPO handelt.

Die Zustellung von Amts wegen ist der Regelfall und wird grundsätzlich gemäß § 168 Absatz 1 ZPO von der Geschäftsstelle des Gerichts veranlasst, bei dem ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Die Geschäftsstelle kann einen Postdienstleister oder einen Justizbediensteten mit der Zustellung beauftragen oder die Zustellung selbst vornehmen.

Eine Zustellung auf Betreiben der Parteien findet nur in den gesetzlich zugelassenen oder vorgeschriebenen Fällen statt. Sie erfolgt gemäß § 192 ZPO grundsätzlich durch den Gerichtsvollzieher. Dieser wird entweder unmittelbar von der Partei beauftragt oder mittelbar über die Geschäftsstelle des Prozessgerichts. Der Gerichtsvollzieher kann seinerseits einen Postdienstleister mit der Durchführung der Zustellung gemäß § 194 ZPO beauftragen.

4 Anschriftenermittlung

4.1 Wird die ersuchte Behörde in diesem Mitgliedstaat von sich aus versuchen, den Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers festzustellen, wenn die angegebene Anschrift nicht richtig ist? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken.

Eine deutsche Behörde, die von einer ausländischen Stelle darum ersucht ist, eine Zustellung in Deutschland vorzunehmen, wird sich in der Regel darum bemühen, die aktuelle Anschrift eines Zustellungsempfängers zu ermitteln, wenn sie feststellt, dass der Zustellungsempfänger nicht unter der im Zustellungsantrag angegebenen Anschrift wohnt oder wenn seine Anschrift im Zustellungsantrag unvollständig oder falsch angegeben ist. Allerdings handelt es sich hierbei um eine freiwillige Leistung der deutschen Behörde, zu der keine Verpflichtung besteht.

4.2 Haben ausländische Justizbehörden und/oder Parteien eines Gerichtsverfahrens im Zustellungsmitgliedstaat Zugang zu Registern oder Diensten, die es ermöglichen, die aktuelle Anschrift des Zustellungsempfängers zu ermitteln? Wenn ja, welche Register oder Dienste gibt es, und wie ist zu verfahren? Sind Gebühren zu entrichten und, wenn ja, in welcher Höhe?

Ausländische öffentliche Stellen und ausländische Privatpersonen können nach § 44 des Bundesmeldegesetzes (BMG) ohne Angaben von Gründen von den Meldebehörden in Deutschland eine sogenannte einfache Melderegisterauskunft zu einer bestimmten Person erhalten.

Die einfache Melderegisterauskunft umfasst:

● Familienname,

● Vornamen unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens,

● Doktorgrad,

● derzeitige Anschriften sowie

● sofern die Person verstorben ist, diese Tatsache.

Die Anfrage ist an die zuständige Meldebehörde zu richten. In der Regel handelt es sich hierbei um das Bürgeramt der Gemeinde oder der Stadt, in deren Gebiet der Wohnsitz der Person vermutet wird. Immer mehr Gemeinden bieten die Möglichkeit an, die Melderegisterauskunft elektronisch über das Internet einzuholen.

Die Melderegisterauskunft ist gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühr variiert je nach Bundesland.

Voraussetzung für die Erteilung der Melderegisterauskunft ist, dass die gesuchte Person aufgrund der von der anfragenden Stelle gemachten Angaben konkret bestimmbar ist, d.h. die Übermittlung einer „Trefferliste“ ist nicht möglich. Zudem muss die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklären, dass sie die Daten nicht für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels verwenden wird.

Eine Melderegisterauskunft darf nicht erteilt werden, wenn zu der betroffenen Person eine Auskunftssperre nach § 51 oder ein bedingter Sperrvermerk nach § 52 BMG eingetragen ist und eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange nicht ausgeschlossen werden kann.

Im Rahmen von Tätigkeiten, die ganz oder teilweise in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union fallen, kann nach § 35 BMG an öffentliche Stellen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, öffentliche Stellen in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Organe und Einrichtungen der Europäischen Union oder Organe und Einrichtungen der Europäischen Atomgemeinschaft ein über den vorgenannten Umfang hinausgehender Datenkranz übermittelt werden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle erforderlich ist.

4.3 Welche Art von Unterstützung bei der Anschriftenermittlung bieten die Behörden dieses Mitgliedstaats gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken im Falle von Ersuchen aus anderen Mitgliedstaaten? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken.

Deutschland leistet gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken bei der Anschriftenermittlung Hilfe, indem es im Europäischen Justizportal ausführliche Informationen zur Verfügung stellt, wie in Deutschland Anschriften von Empfängern ermittelt werden können.

5 Wie werden Schriftstücke normalerweise zugestellt? Gibt es alternative Zustellungsverfahren (neben der unter Punkt 7 genannten Ersatzzustellung)?

Die am häufigsten vorkommende Art der Zustellung ist die Zustellung von Amts wegen. Sie wird üblicherweise durch einen Postdienstleister ausgeführt. Die Geschäftsstelle erteilt hierfür gemäß § 176 Absatz 2 ZPO dem Postdienstleister einen Zustellungsauftrag und übergibt das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag mit einem vorbereiteten Vordruck der Zustellungsurkunde. Der Postdienstleister führt die Zustellung aus, füllt den Vordruck der Zustellungsurkunde aus und sendet diesen unverzüglich an die Geschäftsstelle des Gerichts zurück.

Die Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Zustellungsadressaten richtet sich nach § 177 ZPO und kann überall erfolgen, ist also nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Ist der Adressat nicht prozessfähig, ist die Zustellung gemäß § 170 Absatz 1 Satz 1 ZPO an seinen gesetzlichen Vertreter zu richten.

Es gibt einige alternative Zustellungsverfahren. Gemäß § 171 ZPO kann die Zustellung auch an einen bevollmächtigten Vertreter des Adressaten erfolgen. In einem gerichtlichen Verfahren erfolgt die Zustellung gemäß §§ 172, 174 ZPO üblicherweise gegen Empfangsbekenntnis an den anwaltlichen Vertreter des Adressaten. Der anwaltliche Vertreter sendet das Empfangsbekenntnis an das Gericht.

Sind in einem Gerichtsverfahren beide Parteien anwaltlich vertreten, so kann die Zustellung gemäß § 195 ZPO auch von Anwalt zu Anwalt erfolgen. Dies gilt auch für Schriftsätze, die von Amts wegen zuzustellen sind, wenn dem Gegner nicht gleichzeitig eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Als Nachweis für die Zustellung gilt auch hier das Empfangsbekenntnis.

6 Ist die elektronische Zustellung von Schriftstücken (d. h. die Zustellung gerichtlicher oder außergerichtlicher Schriftstücke durch elektronische Telekommunikationsmittel wie E-Mail, internetgestützte sichere Anwendungen, Fax, SMS usw.) in Zivilverfahren zulässig? Wenn ja, für welche Verfahrensarten ist die elektronische Zustellung vorgesehen? Gelten für die elektronische Zustellung je nach Person des Zustellungsempfängers (Angehöriger eines Rechtsberufs, juristische Person, Unternehmen oder anderer Wirtschaftsakteur usw.) Beschränkungen?

Elektronische Dokumente können grundsätzlich in allen Zivilverfahren gemäß §§ 173, 130a ZPO auf einem sicheren Übermittlungsweg (De-Mail, besondere elektronische Postfächer, OZG-Nutzerkonto) elektronisch zugestellt werden. Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, ab dem 1. Januar 2023 Steuerberater sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts und ab dem 1. Januar 2024 sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, haben für elektronische Zustellungen einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen. An andere Verfahrensbeteiligte kann elektronisch nur dann zugestellt werden, wenn sie der Übermittlung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren oder bei juristischen Personen allgemein ausdrücklich zugestimmt haben.

An Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater, sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts kann auch per Fax zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung per Fax genügt das mit Datum und Unterschrift des Zustellungsempfängers versehene Empfangsbekenntnis des Zustellungsempfängers. Das Empfangsbekenntnis kann auf Papiervordruck, per Fax oder als elektronisches Dokument an das Gericht zurückgesandt werden.

Eine Zustellung per SMS ist nicht möglich.

Eine elektronische Zustellung von elektronischen Dokumenten ist für alle Verfahrensarten der ZPO zulässig.

6.1 Welche Art der elektronischen Zustellung im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken ist in diesem Mitgliedstaat vorgesehen, wenn die Zustellung unmittelbar an eine Person erfolgen soll, die eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat?

Eine elektronische Zustellung im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken ist derzeit nur in der der Form von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a möglich.

6.2 Hat dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken zusätzliche Bedingungen festgelegt, unter denen er die elektronische Zustellung per E-Mail gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung zulässt? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken.

Eine elektronische Zustellung im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken ist derzeit noch nicht möglich.

7 Ersatzzustellung

7.1 Lässt das Recht dieses Mitgliedstaats in Fällen, in denen die Schriftstücke dem Empfänger nicht persönlich zugestellt werden konnten, andere Zustellungsverfahren zu (z. B. Hinterlegung in der Wohnung, beim Zustellungsbeamten/Gerichtsvollzieher, Zustellung durch die Post oder durch öffentlichen Aushang)?

7.2 Wann gilt die Zustellung bei der Verwendung anderer Zustellungsverfahren als bewirkt?

7.3 Wenn die Zustellung durch Hinterlegung der Schriftstücke an einem bestimmten Ort (z. B. bei einem Postamt) erfolgt, wie wird in diesem Fall der Zustellungsempfänger über die Hinterlegung informiert?

Die Fragen 7.1. bis 7.3. werden zusammen beantwortet:

Wenn die direkte Zustellung an den Adressaten nicht möglich ist, kann eine sogenannte Ersatzzustellung durchgeführt werden. Die Ersatzzustellung ist in folgenden Formen möglich:

a) Ersatzzustellung an einen „Ersatzempfänger“ (§ 178 ZPO):

Die vorrangige Möglichkeit der Ersatzzustellung ist die Zustellung an einen Ersatzempfänger nach § 178 ZPO. Wenn der eigentliche Zustellungsadressat in seiner Wohnung, in seinem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung (etwa Haftanstalt oder Krankenhaus), in der er wohnt, nicht angetroffen wird, kann eine Ersatzzustellung durch Übergabe des Schriftstücks an eine der folgenden Personen erfolgen:

- in der Wohnung des Adressaten an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner,
- in den Geschäftsräumen des Adressaten an eine dort beschäftigte Person,
- in Einrichtungen entweder an den Leiter oder einen dazu ermächtigten Vertreter.

Eine Ersatzzustellung an die genannten Personen darf jedoch gemäß § 178 Absatz 2 ZPO dann nicht erfolgen, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt sind. Bei der Ersatzzustellung an einen „Ersatzempfänger“ gilt die Zustellung mit der Übergabe des Schriftstücks an die Ersatzperson als bewirkt.

b) Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 ZPO:

Ist eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen des Zustellungsadressaten nicht ausführbar, kann eine Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten erfolgen. Das Schriftstück ist dann in den zur Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten einzulegen. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt.

c) Ersatzzustellung durch Niederlegung gemäß § 181 ZPO:

Wenn die Ersatzzustellung in der Einrichtung, in welcher der Adressat wohnt, oder die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nicht möglich ist, kann die Ersatzzustellung durch Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 181 ZPO erfolgen. Die Niederlegung kann entweder auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, oder, wenn die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt ist, an einer von der Post bestimmten Stelle an dem Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts erfolgen. Dem Adressaten ist eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben. Falls dies nicht möglich ist, ist die Mitteilung an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Einrichtung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt.

7.4 Welche Folgen hat die Annahmeverweigerung durch den Zustellungsempfänger? Gilt die Zustellung als bewirkt, wenn die Verweigerung nicht rechtmäßig war?

In dem Fall, dass der Adressat zwar in der Wohnung, dem Geschäftsraum oder der Gemeinschaftseinrichtung angetroffen wird, aber die Annahme des Schriftstücks verweigert, ist zu unterscheiden:

Wenn die Weigerung der Annahme berechtigt ist, muss erneut zugestellt werden. Eine berechtigte Weigerung liegt beispielsweise bei einer falschen Anschrift oder bei einer ungenauen Bezeichnung des Adressaten vor.

Wenn die Weigerung der Annahme nicht berechtigt ist, so ist das Schriftstück gemäß § 179 ZPO in der Wohnung oder dem Geschäftsraum zurückzulassen. Hat der Adressat keine Wohnung oder keinen Geschäftsraum, so ist es an den Absender zurückzusenden. Mit der unberechtigten Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt.

8 Postalische Zustellung aus dem Ausland (Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken)

8.1 Wird ein ausländisches Schriftstück einem Zustellungsempfänger durch einen Postdienst mit Empfangsbestätigung zugestellt (Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken), stellt der Postdienst das Schriftstück nur dem Empfänger persönlich zu oder kann das Schriftstück nach den für die postalische Zustellung geltenden nationalen Rechtsvorschriften auch einer anderen Person an derselben Anschrift übergeben werden?

Nach der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 2.3.2017 – Rs. C‑354/15 – Henderson ist eine Zustellung durch einen Postdienst mit Empfangsbestätigung auch durch Übergabe an Dritte bewirkt, wenn sie in der Wohnung des Empfängers erfolgt. Dies gilt nur für Erwachsene, die sich in der Wohnung des bestimmungsgemäßen Empfängers befinden, ob es sich nun um unter derselben Anschrift wie er lebende Familienmitglieder oder um von ihm dort beschäftigte Personen handelt. Gemäß Artikel 18-003 Nr. 4.1. der Ergänzenden Bestimmungen des Weltpostvertrags (WPV) kann die Unterschrift auf einem Rückschein auch von einer anderen Person eingeholt werden, die aufgrund nationaler Regelungen berechtigt ist, die Sendung entgegenzunehmen.

8.2 Wie können ausländische Schriftstücke gemäß Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken in diesem Mitgliedstaat nach seinen für die postalische Zustellung geltenden Vorschriften zugestellt werden, wenn weder der Zustellungsempfänger noch eine andere zustellungsbevollmächtigte Person (falls dies nach den nationalen Vorschriften für die postalische Zustellung möglich ist – siehe oben) an der Zustellungsanschrift angetroffen wird?

Gemäß Artikel 19-104 Nr. 5.3. der Ergänzenden Bestimmungen des Weltpostvertrags ist die Sendung nach einem erfolglosen Zustellversuch von der Post zur Abholung bereitzustellen. Bei der Deutschen Post AG erfolgt die Übergabe einer eingeschriebenen Sendung nur an den Empfänger persönlich oder an eine vom Empfänger schriftlich bevollmächtigte Person. Der EuGH bestimmt in seinem Urteil vom 2.3.2017 – Rs. C‑354/15 – Henderson, dass eine Zustellung nach Artikel 18 der Zustellungsverordnung nur dann als vorgenommen anzusehen ist, wenn der Rückschein oder ein gleichwertiger Beleg durch den Zustellungsempfänger oder einen Ersatzempfänger ausgefüllt wurde. Bei Nichtabholung der Sendung ist deshalb von einer Nichtzustellung auszugehen.

8.3 Gewährt das Postamt eine bestimmte Zeit für die Abholung der Schriftstücke, bevor es die Schriftstücke als unzustellbar zurückschickt? Wenn ja, wie wird dem Zustellungsempfänger mitgeteilt, dass Post für ihn am Postamt zur Abholung bereitliegt?

Gemäß Artikel 19-104 Nr. 5.3 der Ergänzenden Bestimmungen des Weltpostvertrages wird die Aufbewahrungsfrist durch die jeweiligen nationalen Regelungen festgelegt. Sie soll nicht länger als einen Monat betragen. In eng begrenzten Ausnahmefällen kann sie bis zu zwei Monate betragen. Die Deutsche Post AG lagert benachrichtigte Sendungen für eine Woche. Der Zusteller hinterlässt im Briefkasten des Empfängers eine Benachrichtigung, aus der hervorgeht, in welcher Filiale und in welchem Zeitraum die Sendung zur Abholung bereitgestellt wird.

9 Gibt es einen schriftlichen Nachweis, dass das Schriftstück zugestellt wurde?

Es gibt verschiedene schriftliche Nachweise, dass das Schriftstück zugestellt worden ist. Zum Nachweis der Zustellung ist in der Regel gemäß § 182 ZPO eine Zustellungsurkunde auf dem hierfür vorgesehenen Vordruck anzufertigen und der Geschäftsstelle des Gerichts unverzüglich zurückzuleiten. Diese Urkunde enthält alle für den Nachweis der Zustellung erforderlichen Angaben, insbesondere:
- die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
- die Bezeichnung der Person, an die das Schriftstück übergeben wurde,
- den Ort, das Datum und auf Anordnung des Gerichts auch die Uhrzeit der Zustellung,
- Namen, Vornamen und Unterschrift des Zustellers sowie eventuell die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

Wenn die Zustellung auf Betreiben der Parteien erfolgt, ist die Zustellungsurkunde gemäß § 193 Absatz 4 ZPO der Partei zu übermitteln, für die zugestellt wurde.

Gemäß § 169 Absatz 1 ZPO bescheinigt die Geschäftsstelle auf Antrag den Zeitpunkt der Zustellung.

Liegt ein Fall der Ersatzzustellung vor, ist immer auch der Grund für die Ersatzzustellung in die Urkunde mit aufzunehmen. Ist die Ersatzzustellung durch Niederlegung erfolgt, so ist in der Urkunde zu vermerken, wie die schriftliche Mitteilung von der Niederlegung abgegeben wurde. Wurde die Annahme des Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist auf der Urkunde zu vermerken, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde.

In bestimmten Fällen ist keine Zustellungsurkunde erforderlich:
- Im Fall der Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle des Gerichts gilt gemäß § 174 Satz 2 ZPO ein in den Akten und auf dem Schriftstück vorzunehmender Vermerk, dass und wann zugestellt wurde, als Nachweis der Zustellung.
- Wenn an einen Anwalt zugestellt wird, genügt gemäß § 175 ZPO ein Empfangsbekenntnis des Anwalts zum Nachweis der Zustellung.
- Erfolgt die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein, reicht gemäß § 176 Absatz 1 Satz 2 ZPO der Rückschein zum Nachweis. Das Gleiche gilt, wenn eine Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein erfolgt (Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken bzw. § 183 Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz, Absatz 5 Satz 1 ZPO).
- Erfolgt eine Zustellung im Ausland unter Zuhilfenahme von ausländischen Behörden oder durch deutsche Auslandsvertretungen, so wird die Zustellung durch das Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen (§ 16 Konsulargesetz, § 183 Absatz 5 Satz 2 ZPO).
- Erfolgt eine elektronische Zustellung, ist bei Zustellungen an Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater, sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 173 Absatz 3 ZPO ein zurückzusendendes Empfangsbekenntnis ausreichend. Bei Zustellungen an andere Zustellungsadressaten gibt es keinen schriftlichen Nachweis. Das elektronische Dokument gilt in diesem Fall gemäß § 173 Absatz 4 ZPO als am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Empfangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs als zugestellt, wenn der Empfänger nicht den nicht erfolgten oder einen späteren Zugang nachweist.

10 Was geschieht, wenn der Zustellungsempfänger das Schriftstück nicht erhält oder wenn die Zustellung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgt (z. B. wenn das Schriftstück einer dritten Person zugestellt wird)? Ist die Zustellung trotzdem wirksam (kann z. B. der verfahrensrechtliche Mangel behoben werden) oder muss das Schriftstück erneut zugestellt werden?

Eine Zustellung, die nicht in der durch die Zivilprozessordnung vorgeschriebenen Form erfolgt, ist grundsätzlich unwirksam. Allerdings kann ein solcher Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt werden, wenn das Schriftstück der Person, an die die Zustellung der Zivilprozessordnung gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. In diesem Fall gilt das Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es tatsächlich zugegangen ist. Der Zustellungsmangel wird in diesem Fall geheilt.

In dem Fall, dass weder der Empfänger noch eine andere Person, an die die Zustellung nach der Zivilprozessordnung gerichtet werden konnte (z. B. ein erwachsener Familienangehöriger des Empfängers) das Schriftstück erhält, entfällt die Heilungsmöglichkeit. Die Zustellung ist unwirksam und muss erneut vorgenommen werden.

11 Gibt es in Fällen, in denen der Zustellungsempfänger die Annahme eines Schriftstücks auf der Grundlage der verwendeten Sprache (Artikel 12 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken) verweigert und das mit dem Gerichtsverfahren befasste Gericht oder die mit dem Verfahren befasste Behörde nach einer Überprüfung entscheidet, dass die Verweigerung nicht gerechtfertigt war, einen konkreten Rechtsbehelf zur Anfechtung dieser Entscheidung?

Nein.

12 Ist die Zustellung eines Schriftstücks gebührenpflichtig und, wenn ja, wie hoch ist die Gebühr? Werden Fälle, in denen das Schriftstück nach innerstaatlichem Recht zuzustellen ist, und Fälle, in denen das Zustellungsersuchen aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, unterschiedlich behandelt? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 15 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken bezüglich der Zustellung von Schriftstücken aus anderen Mitgliedstaaten

Die Zustellung eines Schriftstücks durch das Gericht ist grundsätzlich auslagenpflichtig. Allerdings sind in inländischen Gerichtsverfahren, bei denen sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert richten, die ersten zehn Zustellungen regelmäßig durch die Gerichtsgebühren mitentgolten. Bei weiteren Zustellungen und bei Zustellungen in anderen inländischen Verfahren werden je Zustellung mit Zustellungsurkunde, Einschreiben gegen Rückschein oder durch Justizbedienstete pauschal Auslagen von 3,50 EUR erhoben. Eine elektronische Zustellung durch das Gericht ist nicht auslagenpflichtig.

Die Zustellung auf Betreiben der Parteien erfolgt durch den Gerichtsvollzieher.
Für die Veranlassung der Zustellung durch Aufgabe zur Post erhebt der Gerichtsvollzieher eine Gebühr in Höhe von 3,30 EUR. Hinzu kommen die für die Herstellung erforderlicher Abschriften und die für Postentgelte anfallenden Auslagen sowie eine Auslagenpauschale. Ist die Beglaubigung eines dem Gerichtsvollzieher zum Zweck der Zustellung übergebenen Schriftstücks notwendig, fällt eine besondere Gebühr in Höhe der Dokumentenpauschale an. Diese beträgt für die ersten fünfzig Seiten 0,50 EUR pro Seite, für jede weitere Seite 0,15 EUR.
Erfolgt die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher persönlich, beträgt die Gebühr 11,00 EUR. In diesem Fall ist an den Gerichtsvollzieher zusätzlich ein Wegegeld zu zahlen, das abhängig von der zum Adressaten zurückzulegenden Wegstrecke zwischen 3,25 EUR und 16,25 EUR beträgt.

Für die Ausführung von Zustellungsanträgen aus anderen Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EU) 2020/1784 werden in der Regel keine Kosten erhoben, es sei denn, die Zustellung erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. Erfolgt die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher, fallen die gleichen Kosen wie bei inländischen Zustellungsanträgen an. Die genauen Kosten im Einzelfall ergeben sich aus dem Gerichtsvollzieherkostengesetz, insbesondere dessen Kostenverzeichnis.

Letzte Aktualisierung: 18/01/2024

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