Zustellung von Schriftstücken: Amtliche Übermittlung von Schriftstücken

Niederlande
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Was bedeutet „Zustellung von Schriftstücken“ in der Praxis? Warum gibt es besondere Vorschriften für die Zustellung von Schriftstücken?

Grundsätzlich bezieht sich die Zustellung (betekening en kennisgeving) auf die förmliche Handlung eines Gerichtsvollziehers (gerechtsdeurwaarder). Der Gerichtsvollzieher übermittelt dem Empfänger ein verfahrenseinleitendes Schriftstück (exploot), indem er es persönlich „zustellt“. Der Gerichtsvollzieher vervollständigt das Schriftstück vor Ort und vermerkt schriftlich, in welcher Weise er das Schriftstück dem Empfänger übergeben hat, und bestätigt dies mit seiner Unterschrift. Die Zustellung beinhaltet auch die Notifikation (kennisgeving). Der Gerichtsvollzieher notifiziert z. B. ein Urteil (vonnis) oder eine Ladung vor Gericht (oproeping voor een gerecht).

Diese besonderen Vorschriften wurden für Zustellungen innerhalb der Europäischen Union entwickelt, um die Kommunikation zwischen den Einwohnern der Mitgliedstaaten in diesem Bereich zu erleichtern. Für Zustellungen an Personen außerhalb der Europäischen Union gelten andere Vorschriften.

2 Welche Schriftstücke müssen förmlich zugestellt werden?

In der Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden „Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken“) wird der Begriff „außergerichtliche Schriftstücke“ so definiert, dass er „von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellte oder beglaubigte Schriftstücke umfasst sowie andere Schriftstücke, deren förmliche Übermittlung an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist. Der Begriff ‚außergerichtliche Schriftstücke‘ sollte nicht so verstanden werden, dass er Schriftstücke umfasst, die von Verwaltungsbehörden für die Zwecke von Verwaltungsverfahren ausgestellt werden.“ Siehe Erwägungsgrund 8 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken.

3 Wer ist für die Zustellung eines Schriftstücks zuständig?

Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken sieht Folgendes vor: „Die Zustellung des Schriftstücks wird von der Empfangsstelle bewirkt oder veranlasst, entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einem von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Verfahren, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist.“

In den Niederlanden haben die Gerichtsvollzieher die Funktion der Empfangsstelle. Siehe auch den Durchführungsrechtsakt.

4 Anschriftenermittlung

4.1 Wird die ersuchte Behörde in diesem Mitgliedstaat von sich aus versuchen, den Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers festzustellen, wenn die angegebene Anschrift nicht richtig ist? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken

Ja. Da der Gerichtsvollzieher eine Amtshandlung vornimmt, konsultiert er stets vorab das Melderegister (Basisregistratie personen (BRP)), auch wenn bereits eine Anschrift im Register vorhanden ist. Dies wird stets überprüft.

4.2 Haben ausländische Justizbehörden und/oder Parteien eines Gerichtsverfahrens im Zustellungsmitgliedstaat Zugang zu Registern oder Diensten, die es ermöglichen, die aktuelle Anschrift des Zustellungsempfängers zu ermitteln? Wenn ja, welche Register oder Dienste gibt es, und wie ist zu verfahren? Sind Gebühren zu entrichten und, wenn ja, in welcher Höhe?

Nein. Ausländische Behörden müssen sich an einen niederländischen Gerichtsvollzieher wenden, der die Anschrift ermittelt oder überprüft. Diese Dienstleistung ist gebührenpflichtig.

4.3 Welche Art von Unterstützung bei der Anschriftenermittlung bieten die Behörden dieses Mitgliedstaats gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken im Falle von Ersuchen aus anderen Mitgliedstaaten? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken

Hierbei handelt es sich um eine neue Bestimmung. Früher haben die Gerichtsvollzieher Anschriften im Melderegister erst nach Erhalt eines amtlichen Schriftstücks abgefragt. Das ist nicht mehr erforderlich. Anschriften können nun vor der Übermittlung eines amtlichen Schriftstücks überprüft werden.

5 Wie werden Schriftstücke normalerweise zugestellt? Gibt es alternative Zustellungsverfahren (neben der unter Punkt 7 genannten Ersatzzustellung)?

Siehe Abschnitt 2 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken: In den Artikeln 16 bis 20 werden die anderen Arten der Zustellung von Schriftstücken beschrieben.

6 Ist die elektronische Zustellung von Schriftstücken (d. h. die Zustellung gerichtlicher oder außergerichtlicher Schriftstücke durch elektronische Telekommunikationsmittel wie E-Mail, internetgestützte sichere Anwendungen, Fax, SMS usw.) in Zivilverfahren zulässig? Wenn ja, für welche Verfahrensarten ist die elektronische Zustellung vorgesehen? Gelten für die elektronische Zustellung je nach Person des Zustellungsempfängers (Angehöriger eines Rechtsberufs, juristische Person, Unternehmen oder anderer Wirtschaftsakteur usw.) Beschränkungen?

Siehe Artikel 19 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken: Dies hängt davon ab, unter welchen Bedingungen der Mitgliedstaat die elektronische Zustellung zulässt. Die ausdrückliche Zustimmung des Empfängers ist erforderlich.

6.1 Welche Art der elektronischen Zustellung im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken ist in diesem Mitgliedstaat vorgesehen, wenn die Zustellung unmittelbar an eine Person erfolgen soll, die eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat?

Nur die Zustellung bestimmter Pfändungsbeschlüsse erfolgt elektronisch. Die zweite Zustellung solcher Pfändungsbeschlüsse erfolgt jedoch weiterhin auf physischem Wege. Der Vorteil besteht darin, dass der Gerichtsvollzieher dann weitere Erläuterungen an der Tür geben kann. Das ist möglicherweise die wichtigste Aufgabe des Gerichtsvollziehers.

6.2 Hat dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken zusätzliche Bedingungen festgelegt, unter denen er die elektronische Zustellung per E-Mail gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung zulässt? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken

Ab dem 1. Januar 2021 ist die elektronische Zustellung von Pfändungsbeschlüssen erforderlich, wenn ein Drittschuldner dem Königlichen Berufsverband der Gerichtsvollzieher (Koninklijke Beroepsorganisatie van Gerechtsdeurwaarders) mitteilt, dass er sich für diese Art der Pfändung entschieden hat. Siehe Artikel 475 Absatz 3 der Zivilprozessordnung (neu). Um die elektronische Zustellung vornehmen zu können, müssen sowohl der Gerichtsvollzieher als auch die Drittschuldner dem zu diesem Zweck von der Stiftung des Netzwerks der Gerichtsvollzieher (Stichting Netwerk Gerechtsdeurwaarders) im Auftrag des Königlichen Berufsverbands der Gerichtsvollzieher entwickelten System angeschlossen sein.

7 Ersatzzustellung

7.1 Lässt das Recht dieses Mitgliedstaats in Fällen, in denen die Schriftstücke dem Empfänger nicht persönlich zugestellt werden konnten, andere Zustellungsverfahren zu (z. B. Hinterlegung in der Wohnung, beim Zustellungsbeamten/Gerichtsvollzieher, Zustellung durch die Post oder durch öffentlichen Aushang)?

Siehe Artikel 46 bis 63 der Zivilprozessordnung.

7.2 Wann gilt die Zustellung bei der Verwendung anderer Zustellungsverfahren als bewirkt?

Sobald der Gerichtsvollzieher das Schriftstück unterzeichnet und ausgehändigt hat. Der Gerichtsvollzieher vervollständigt das Schriftstück oder das amtliche Protokoll vor Ort und vermerkt, wie und an wen er das Schriftstück übergeben hat. Er händigt das Schriftstück dann entweder dem Empfänger aus oder legt es in einen Umschlag und hinterlässt es im Briefkasten.

7.3 Wenn die Zustellung durch Hinterlegung der Schriftstücke an einem bestimmten Ort (z. B. bei einem Postamt) erfolgt, wie wird in diesem Fall der Zustellungsempfänger über die Hinterlegung informiert?

Die Schriftstücke werden nicht in einem Postamt hinterlegt. Wenn die Straße überflutet ist, kein Briefkasten vorhanden ist oder der Empfänger so aggressiv ist, dass der Gerichtsvollzieher nicht in der Lage ist, einen Umschlag im Briefkasten zu hinterlassen, dann werden die Schriftstücke auf dem Postweg versandt. In diesem Fall vervollständigt der Gerichtsvollzieher das Schriftstück im Büro und vermerkt die Gründe, aus denen eine persönliche Zustellung nicht möglich war. Die Schriftstücke werden dann auf dem Postweg in einem Umschlag des Gerichtsvollziehers versandt.

Dies ist ein sonderbares Merkmal der niederländischen Rechtsvorschriften, da es eindeutig fraglich ist, ob ein Postzusteller mehr Erfolg haben wird als ein Gerichtsvollzieher. Jedoch ist es zweifellos einfacher, bei einem aggressiven Empfänger eine Sendung im Briefkasten zu hinterlassen. Zwar ist das unter den anderen genannten Umständen ebenfalls fragwürdig, aber so ist es in einem solchen Fall gesetzlich geregelt.

7.4 Welche Folgen hat die Annahmeverweigerung durch den Zustellungsempfänger? Gilt die Zustellung als bewirkt, wenn die Verweigerung nicht rechtmäßig war?

Dies wird im Rahmen des Verfahrens geprüft. Der Empfänger darf die Annahme nur aus den in Artikel 12 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken genannten Gründen verweigern. Der Gerichtshof hat in früheren Rechtssachen entschieden, dass eine Empfangsstelle nicht befugt ist, zu beurteilen, ob eine Annahmeverweigerung aus sprachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Das ist an sich auch logisch und vernünftig.
Eine Empfangsstelle kann nur schwer beurteilen, ob ein Empfänger die Sprache beherrscht, in der das Schriftstück abgefasst ist, oder ob er ausreichende Kenntnisse dieser Sprache besitzt. Eine für die Zustellung von Schriftstücken zuständige Behörde verfügt möglicherweise nicht unbedingt über die Mittel, um eine solche Beurteilung vorzunehmen. Außerdem ist eine solche Beurteilung Sache eines unabhängigen Gerichts.

Wird die Sprache des Empfangsmitgliedstaats gewählt, besteht kein Verweigerungsrecht, und die Zustellung kann nicht abgelehnt werden. Die Annahmeverweigerung kann durch die Zustellung einer Übersetzung an den Empfänger geheilt werden.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken unmittelbare Wirkung hat, da ein vollstreckbarer Titel erst dann als zugestellt gilt, wenn er im Empfangsmitgliedstaat wirksam zugestellt wurde.

Wenn die Annahme des Schriftstücks im Einklang mit der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken verweigert wurde und die Verweigerung nicht geheilt wird, gilt die Zustellung als nicht bewirkt.

8 Postalische Zustellung aus dem Ausland (Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken)

8.1 Wird ein ausländisches Schriftstück einem Zustellungsempfänger durch einen Postdienst mit Empfangsbestätigung zugestellt (Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken), stellt der Postdienst das Schriftstück nur dem Empfänger persönlich zu oder kann das Schriftstück nach den für die postalische Zustellung geltenden nationalen Rechtsvorschriften auch einer anderen Person an derselben Anschrift übergeben werden?

Letzteres gilt; das Schriftstück wird per Einschreiben versandt. Darüber gibt es keine vorherige Vereinbarung mit dem Postdienst. Schriftstücke werden oft einer Stelle direkt übermittelt, wobei sie in diesem Fall nicht per Einschreiben versandt werden.

8.2 Wie können ausländische Schriftstücke gemäß Artikel 18 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken in diesem Mitgliedstaat nach seinen für die postalische Zustellung geltenden Vorschriften zugestellt werden, wenn weder der Zustellungsempfänger noch eine andere zustellungsbevollmächtigte Person (falls dies nach den nationalen Vorschriften für die postalische Zustellung möglich ist – siehe oben) an der Zustellungsanschrift angetroffen wird?

In diesem Fall wird das Schriftstück zurückgeschickt.

8.3 Gewährt das Postamt eine bestimmte Zeit für die Abholung der Schriftstücke, bevor es die Schriftstücke als unzustellbar zurückschickt? Wenn ja, wie wird dem Zustellungsempfänger mitgeteilt, dass Post für ihn am Postamt zur Abholung bereitliegt?

Nein. Bei Schriftstücken, die per Einschreiben versandt oder beim Postamt hinterlegt wurden, hinterlässt der Postzusteller (in den Niederlanden) stets eine Benachrichtigung, dass das Schriftstück beim Postamt hinterlegt wurde und abgeholt werden kann.

9 Gibt es einen schriftlichen Nachweis, dass das Schriftstück zugestellt wurde?

Ja, siehe Artikel 14 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken.

10 Was geschieht, wenn der Zustellungsempfänger das Schriftstück nicht erhält oder wenn die Zustellung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgt (z. B. wenn das Schriftstück einer dritten Person zugestellt wird)? Ist die Zustellung trotzdem wirksam (kann z. B. der verfahrensrechtliche Mangel behoben werden) oder muss das Schriftstück erneut zugestellt werden?

Erhält die betreffende Person das Schriftstück nicht, ist die Zustellung nicht bewirkt. Es muss dann ein weiterer Zustellversuch unternommen werden.

11 Gibt es in Fällen, in denen der Zustellungsempfänger die Annahme eines Schriftstücks auf der Grundlage der verwendeten Sprache (Artikel 12 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken) verweigert und das mit dem Gerichtsverfahren befasste Gericht oder die mit dem Verfahren befasste Behörde nach einer Überprüfung entscheidet, dass die Verweigerung nicht gerechtfertigt war, einen konkreten Rechtsbehelf zur Anfechtung dieser Entscheidung?

Nein, der Empfänger muss sich in demselben Verfahren verteidigen.

12 Ist die Zustellung eines Schriftstücks gebührenpflichtig und, wenn ja, wie hoch ist die Gebühr? Werden Fälle, in denen das Schriftstück nach innerstaatlichem Recht zuzustellen ist, und Fälle, in denen das Zustellungsersuchen aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, unterschiedlich behandelt? Siehe auch die Mitteilung nach Artikel 15 der Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken bezüglich der Zustellung von Schriftstücken aus anderen Mitgliedstaaten

Ja, die Gebühr ist je nach Mitgliedstaat unterschiedlich. Die Niederlande erheben derzeit eine Gebühr von 65 EUR. Diese Gebühr wird jedoch mit dem Durchführungsrechtsakt erhöht. In Belgien werden beispielsweise 165 EUR erhoben. Wenn die Zustellung nach der Verordnung für die Zustellung von Schriftstücken erfolgt, ist die Gebühr stets dieselbe. In den Niederlanden werden die Kosten für die Zustellung durch die Verordnung über die Gebühren von Gerichtsvollziehern (Besluit tarieven ambtshandelingen gerechtsdeurwaarders) geregelt.

Letzte Aktualisierung: 14/06/2023

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