Recht der Mitgliedstaaten

Ungarn

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Rechtsquellen

I. Normenhierarchie

1. Grundgesetz

Das am 25. April 2011 verkündete ungarische Grundgesetz steht in der ungarischen Normenhierarchie an oberster Stelle und alle anderen Gesetze müssen mit ihm vereinbar sein. Das Grundgesetz wurde vom ungarischen Parlament (auch Nationalversammlung genannt) verabschiedet. Verfassungsänderungen bedürfen nach Artikel S Absatz 2 des Grundgesetzes einer Zweidrittelmehrheit der Vollversammlung des Parlaments.

Das Grundgesetz und dessen am 31. Dezember 2011 verkündete Übergangsbestimmungen sind am 1. Januar 2012 in Kraft getreten.

Das ungarische Grundgesetz ist in sechs Abschnitte gegliedert: eine Präambel mit dem Titel Nationales Bekenntnis sowie die folgenden Abschnitte mit den Überschriften Grundlegendes (Artikel A-U), Freiheit und Verantwortung (Artikel I-XXXI), Der Staat (Artikel 1-54), Besondere Rechtsordnung und Schlussbestimmungen.

Der Abschnitt mit der Überschrift Grundlegendes enthält allgemeine Bestimmungen zu:

  • Staatsform,
  • den Grundprinzipien der Funktionsweise des Staates,
  • der Übertragung bestimmter Kompetenzen an Organe der Europäischen Union,
  • Ungarns Hauptstadt und Regionalverwaltungen,
  • den Grundvorschriften zur ungarischen Staatsbürgerschaft und dazu, wie diese zu erlangen ist,
  • Ungarns Amtssprache, Wappen, Flagge, Nationalhymne, Nationalfeiertagen und der Landeswährung,
  • dem Stellenwert, den das Grundgesetz im ungarischen Rechtssystem einnimmt (das Grundgesetz bildet die Grundlage für das ungarische Rechtssystem),
  • dem Verfahren für Annahme und Änderung des Grundgesetzes,
  • der Typologie der ungarischen Rechtsvorschriften,
  • einer Reihe von Grundprinzipien einschließlich
    • des Verbots der gewaltsamen Machtergreifung und -ausübung,
    • der Verantwortung für das Schicksal derjenigen Ungarn, die außerhalb der Landesgrenzen leben,
    • der Mitwirkung bei der Verwirklichung eines vereinten Europas,
    • des Schutzes der Ehe,
    • der Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen,
    • des Grundsatzes einer ausgeglichenen, transparenten und nachhaltigen Haushaltsführung,
    • der Pflicht, die natürlichen Ressourcen zu schützen und zu erhalten,
    • der Schaffung und Wahrung von Frieden und Sicherheit und des Strebens nach Zusammenarbeit mit allen Nationen und Ländern der Welt mit dem Ziel einer nachhaltigen Menschheitsentwicklung.

Der Abschnitt mit der Überschrift Freiheit und Verantwortung enthält Grundrechte und -pflichten. Es werden (unter anderem) folgende Rechte als Grundrechte anerkannt:

  • das Recht auf Leben und Achtung der Menschenwürde,
  • das Verbot von Folter, menschenunwürdiger oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie von Versklavung oder Leibeigenschaft und Menschenhandel,
  • das Verbot sämtlicher Erbhygienepraktiken, der Verwendung des menschlichen Körpers oder von Teilen desselben zu Gewinnzwecken sowie des Klonens von Menschen,
  • das Recht auf Freiheit und persönliche Sicherheit und Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass niemand seiner Freiheit beraubt wird,
  • das Recht, seinen Wohn- und Aufenthaltsort frei zu wählen,
  • das Recht auf Privat- und Familienleben,
  • das Recht auf Schutz der persönlichen Daten und auf Zugriff auf Daten von öffentlichem Interesse,
  • die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit,
  • das Recht, sich friedlich zu versammeln,
  • das Recht auf freie Meinungsäußerung,
  • das Recht auf Kultur und Bildung,
  • das Recht auf freie Wahl von Arbeit und Beruf sowie auf unternehmerische Tätigkeit,
  • das Recht auf Eigentum,
  • das Verbot, ungarische Staatsbürger aus dem ungarischen Staatsgebiet auszuweisen,
  • das Recht auf Asyl,
  • die Gleichheit vor dem Gesetz,
  • das Diskriminierungsverbot,
  • das Verbot von Kinderarbeit,
  • das Recht auf eine gesunde Umwelt,
  • das aktive und passive Wahlrecht bei Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen sowie bei Wahlen zum Europäischen Parlament,
  • das Recht auf Bearbeitung persönlicher Angelegenheiten durch die Behörden in unparteiischer, gerechter Weise sowie innerhalb einer angemessenen Frist,
  • das Recht jedes ungarischen Staatsbürgers auf Schutz durch den ungarischen Staat während eines Aufenthalts im Ausland,
  • im Grundgesetz sind ferner die Rechte der in Ungarn lebenden Nationalitäten sowie die wesentlichen Rechte strafrechtlich verfolgter Personen festgelegt.

Laut Grundgesetz ist Ungarn unter anderem bestrebt,

  • all seinen Bürgern soziale Sicherheit zu bieten
  • und dafür zu sorgen, dass alle Bürger über geeigneten Wohnraum verfügen und Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen haben.

Im Grundgesetz sind auch diverse Pflichten festgeschrieben, und zwar

  • die Pflicht, zur Erfüllung der staatlichen und gemeinschaftlichen Aufgaben beizutragen (öffentliche Lastenverteilung) und
  • die Pflicht für ungarische Bürger, ihr Land zu verteidigen.

Der Abschnitt des Grundgesetzes mit der Überschrift Der Staat enthält die wichtigsten Grundregeln für ranghohe politische Ämter und die wichtigsten Einrichtungen des Staates. Es werden Rechtsstellung und Aufgaben der folgenden Organe bestimmt:

  • des Parlaments,
  • des Präsidenten der Republik,
  • der Regierung,
  • der selbstständigen Regulierungsorgane,
  • des Verfassungsgerichts,
  • der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden,
  • des Grundrechtsbeauftragten,
  • der örtlichen Selbstverwaltungen,
  • der Ungarischen Nationalbank,
  • des Rechnungshofs,
  • der ungarischen Streitkräfte,
  • der Polizei und der nationalen Sicherheitsdienste,
  • der nationalen Volksabstimmungen.

Der Abschnitt des Grundgesetzes mit der Bezeichnung Besondere Rechtsordnung enthält Vorschriften für den Ausnahmezustand, den Notstand, den Katastrophenfall sowie präventive Verteidigungssituationen, unerwartete Angriffe und Gefahrensituationen.

2. Parlamentsgesetze

In Ungarn werden Gesetze vom Parlament verabschiedet. Laut Grundgesetz sind die Grundrechte und Grundpflichten durch Gesetze weiter auszuführen. Das Parlament verabschiedet Gesetze mit einfacher Mehrheit (also mit mehr als der Hälfte der Stimmen der anwesenden Parlamentsmitglieder). Dies gilt nicht für so genannte Schwerpunktgesetze: Die Verabschiedung und Änderung dieser Gesetze, auf die im Grundgesetz verwiesen wird, erfordert eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Parlamentsmitglieder.

Gemäß Grundgesetz werden unter anderem die Aspekte Staatsbürgerschaft, Kirche, Rechte der in Ungarn lebenden nationalen Minderheiten, Rechtsstellung und Bezüge der Parlamentsmitglieder und des Präsidenten der Republik, Verfassungsgericht, örtliche Selbstverwaltungen, Durchführungsbestimmungen für die Verwendung des Wappens und der Flagge und Bestimmungen für staatliche Auszeichnungen in Schwerpunktgesetzen geregelt.

Dem Grundgesetz zufolge ist auch für die Anerkennung des verbindlichen Charakters des EU-Gründungsvertrags und der Änderungsverträge sowie für Kriegserklärungen, Friedensschlüsse und die Ausrufung eines unter die „Besonderen Rechtsordnungen“ fallenden Zustands eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen aller Parlamentsmitglieder erforderlich.

Bis zur Verabschiedung des Gesetzes XXXI zur Änderung der Verfassung von 1989 war der ungarische Präsidialrat befugt, Gesetzesverordnungen zu erlassen. In der Normenhierarchie stehen die noch geltenden Gesetzesverordnungen auf derselben Stufe wie Gesetze.

3. Verordnungen

Nach Maßgabe des Grundgesetzes gibt es Regierungsverordnungen, Verordnungen des Ministerpräsidenten, Ministerialverordnungen, Verordnungen des Präsidenten der ungarischen Nationalbank, Verordnungen der Leiter der selbstständigen Regulierungsorgane und Verordnungen, die von den Organen der örtlichen Selbstverwaltung erlassen werden. Im Falle eines Ausnahmezustands kann auch der nationale Rat für Landesverteidigung Verordnungen erlassen. Dasselbe gilt für den Präsidenten der Republik im Falle eines Notstands.

3.1 Regierungsverordnungen

Die Regierung kann aufgrund ihrer Grundvollmachten oder aufgrund einer durch Gesetz verliehenen Befugnis zum Erlass von Verordnungen ermächtigt sein. Die Grundvollmachten der Regierung sind in Artikel 15 Absatz 3 des Grundgesetzes niedergelegt, der besagt, dass die Regierung dann im Rahmen ihrer Zuständigkeit zum Erlass von Verordnungen berechtigt ist, wenn ein Sachverhalt nicht durch ein Gesetz geregelt ist. Regierungsverordnungen dürfen nicht mit einem Gesetz kollidieren. Dadurch wird das Parlament in seinen Befugnissen nicht eingeschränkt, denn es kann in allen Regelungsbereichen tätig werden, die in seine Zuständigkeit fallen.

Darüber hinaus ist die Regierung nach Maßgabe des Grundgesetzes und laut Gesetz CXXX zur Gesetzgebung von 2010 – ebenfalls aufgrund einer besonderen Gesetzgebungskompetenz – zum Erlass von Durchführungsverordnungen ermächtigt. Nach Artikel 5 Absatz 1 des Gesetzes CXXX von 2010 müssen in jeder Ermächtigung zum Erlass von Durchführungsverordnungen Inhaber, Gegenstand und Reichweite der Ermächtigung genannt werden. Die Gesetzgebungskompetenz kann nicht weiter übertragen werden.

3.2 Verordnungen des Ministerpräsidenten

Nach Maßgabe des Grundgesetzes ist auch der Ministerpräsident berechtigt, Verordnungen zu erlassen. Er kann zum Beispiel einen stellvertretenden Ministerpräsidenten aus der Reihe seiner Minister per Verordnung ernennen. Verordnungen des Ministerpräsidenten stehen hierarchisch auf einer Ebene mit Ministerialverordnungen.

3.3 Ministerialverordnungen

Ministerialverordnungen sind in der Normenhierarchie unter der Regierungsverordnung angesiedelt. Nach Maßgabe des Grundgesetzes sind die Minister berechtigt, allein oder in Absprache mit anderen Ministern Verordnungen zu erlassen, wenn sie per Gesetz oder Regierungsverordnung (das oder die im Rahmen ihrer ursprünglichen Gesetzgebungskompetenz erlassen wurde) dazu ermächtigt wurden; diese Verordnungen dürfen nicht im Widerspruch zu einem Gesetz, einer Regierungsverordnung oder einer Verordnung des ungarischen Nationalbankpräsidenten stehen.

3.4 Verordnungen des Präsidenten der Ungarischen Nationalbank

Der Präsident der Ungarischen Nationalbank ist innerhalb seines durch ein Schwerpunktgesetz festgelegten Aufgabenbereichs gesetzlich dazu ermächtigt, Verordnungen zu erlassen. Diese dürfen nicht im Widerspruch zu einem Gesetz stehen.

3.5 Von den Leitern der selbstständigen Regulierungsorgane erlassene Verordnungen

Nach Maßgabe von Artikel 23 Absatz 4 des Grundgesetzes sind die Leiter der selbstständigen Regulierungsorgane gesetzlich dazu ermächtigt, in ihrem durch Schwerpunktgesetz festgelegten Aufgabenbereich Verordnungen zu erlassen. Diese dürfen nicht im Widerspruch zu einem Gesetz, einer Regierungsverordnung, einer Verordnung des Ministerpräsidenten, einer Ministerialverordnung oder einer Verordnung des ungarischen Nationalbankpräsidenten stehen.

3.6 Verordnungen der örtlichen Selbstverwaltung

Nach Maßgabe von Artikel 32 Absatz 2 des Grundgesetzes sind die örtlichen Gebietskörperschaften dazu berechtigt, innerhalb ihres Aufgabenbereichs Selbstverwaltungsverordnungen zu erlassen, um damit örtliche gesellschaftliche Verhältnisse zu regeln, die nicht bereits gesetzlich geregelt sind oder für die ein Ermächtigungsgesetz besteht. Die Verordnungen der örtlichen Selbstverwaltungen dürfen nicht mit anderen Rechtsvorschriften kollidieren.

Die genauen Vorschriften zu Verordnungen, die von den Organen der örtlichen Selbstverwaltung erlassen werden dürfen, sind im Gesetz CLXXXIX über die örtlichen Gebietskörperschaften von Ungarn von 2011 festgelegt.

4 Internationale Übereinkommen und Grundprinzipien des Völkerrechts

Die ungarische Regierung kann mit anderen Staaten oder den Regierungen anderer Staaten internationale Übereinkommen schließen. In Ungarn basiert das Verhältnis zwischen internationalen Übereinkommen und innerstaatlichem Recht auf einem dualen Ansatz, d. h. die Bestimmungen internationaler Übereinkommen werden durch ihre Verkündung in einem innerstaatlichen Rechtsakt Bestandteil des ungarischen Rechts.

Prinzipien des Völkerrechts

Gemäß Artikel Q Absatz 3 des Grundgesetzes finden die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts Eingang in das ungarische Rechtssystem. Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts werden zum Bestandteil der ungarischen Rechtsordnung, ohne dass es einer Umsetzung in innerstaatliches Recht bedarf.

II. Rechtsquellen ohne Gesetzescharakter

1. Rechtsinstrumente der staatlichen Verwaltung

Die ungarische Rechtsordnung kennt auch Rechtsinstrumente der staatlichen Verwaltung, die zwar normative Vorschriften enthalten, aber keinen Gesetzescharakter haben. Das Gesetzgebungsgesetz (Gesetz CXXX von 2010) enthält zwei Arten von Rechtsinstrumenten der staatlichen Verwaltung: normative Beschlüsse und normative Erlasse. Hierbei handelt es sich um Normen, die nicht allgemein (d. h. für jedermann) verbindlich sind. Es sind rein interne Vorschriften über Organisation und Abläufe, die nur für die ausstellende Behörde oder untergeordnete Stellen oder Personen gelten. Normative Beschlüsse und Erlasse dienen nicht der Festlegung der Rechte und Pflichten von Bürgern. Rechtsinstrumente der staatlichen Verwaltung dürfen nicht mit anderen Rechtsvorschriften kollidieren oder rechtliche Bestimmungen wiederholen.

Nach einer früheren Fassung des Gesetzgebungsgesetzes (Gesetz XI von 1987) zählten auch Mitteilungen des Statistischen Zentralamts und Richtlinien zu den Rechtsquellen („Sonstige Rechtsinstrumente“) ohne Gesetzescharakter. Im neuen Gesetzgebungsgesetz sind diese Instrumente nicht mehr erwähnt. Während die Richtlinien mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes (am 1. Januar 2011) aufgehoben wurden, behalten die vor diesem Datum herausgegebenen Statistikpapiere bis zu ihrer Aufhebung ihre Gültigkeit. (Die Mitteilungen des Statistischen Zentralamts werden von seinem Präsidenten herausgegeben und enthalten verbindliche Bestimmungen, die ausschließlich aus statistischen Begriffen, Methoden, Klassifizierungen, Verzeichnissen und Zahlen bestehen.)

1.1 Normative Beschlüsse

In normativen Beschlüssen legen das Parlament, die Regierung und andere zentrale Verwaltungsbehörden, das Verfassungsgericht und der Haushaltsrat ihren eigenen Organisationsplan und ihre Arbeitsweise sowie die sie betreffenden Maßnahmen und Aktionsprogramme fest.

Auch die Organe der kommunalen Gebietskörperschaften haben die Möglichkeit, die von ihnen selbst und von untergeordneten Stellen durchzuführenden Maßnahmen sowie ihre Aktionsprogramme und die Organisationspläne und Vorschriften zur Arbeitsweise von untergeordneten Stellen in normativen Beschlüssen festzuschreiben. Ebenso können die Organe der nationalen Selbstverwaltungen ihre eigenen Organisationspläne und Vorschriften zur Arbeitsweise, ihre Maßnahmen und Aktionsprogramme und die Organisations- und Arbeitsvorschriften der ihnen unterstellten Behörden in normativen Beschlüssen festlegen.

1.2 Normative Erlasse

Der Präsident der Republik, der Ministerpräsident, die Leiter der zentralen Verwaltungsbehörden (mit Ausnahme der Regierung), der Präsident des Landesgerichtsamts, der Oberste Staatsanwalt, der Grundrechtsbeauftragte, der Präsident der Ungarischen Nationalbank, der Präsident des Rechnungshofs, die Leiter der Stadt- oder Gemeindeverwaltung, die Bürgermeister und Magistrate dürfen – jeweils in ihrem Aufgabenbereich und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen – Organisation, Arbeitsweise und Maßnahmen der Behörden, die sie leiten, führen oder überwachen in normativen Erlassen festlegen.

Ferner sind das Parlament, der Präsident der Republik, das Verfassungsgericht, der Grundrechtsbeauftragte, die selbstständigen Regulierungsorgane, das Büro des Ministerpräsidenten und der Leiter des Leitungsstabs des Ministeriums zur Verabschiedung von normativen Erlassen berechtigt, die für die Mitarbeiter der jeweiligen Institution bindend sind.

2. Entscheidungen des Verfassungsgerichts

Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts haben im ungarischen Rechtsetzungssystem eine wichtige Funktion:

Nach Maßgabe des Gesetzes CLI über das Verfassungsgericht von 2011 lauten die Aufgaben des Verfassungsgerichts wie folgt:

  • nachträgliche Überprüfung von Gesetzesvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (Ex-Post-Prüfverfahren);
  • Ex-ante-Überprüfung von verabschiedeten, aber noch nicht verkündeten Gesetzen sowie von bestimmten Vorschriften aus internationalen Verträgen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz;
  • individuelle Prüfungen auf Antrag eines Richters: Wenn ein Richter im Laufe eines Verfahrens eine Rechtsvorschrift anwenden muss, die er für verfassungswidrig erachtet oder bei der das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, muss er das Verfahren aussetzen und das Verfassungsgericht darum ersuchen, die Verfassungswidrigkeit des betreffenden Rechtsakts oder der betreffenden Rechtsvorschrift festzustellen und deren Anwendung zu verbieten;
  • Entscheidung über Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung eines vom Grundgesetz geschützten Rechts: Eine betroffene Person oder Organisation kann Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn ihre im Grundgesetz verankerten Rechte aufgrund der Anwendung der verfassungswidrigen Rechtsvorschrift in dem laufenden Gerichtsverfahren verletzt werden und wenn sie bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat oder kein Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln besitzt;
  • Prüfung von Rechtsakten auf ihre Konformität mit internationalen Vereinbarungen;
  • Feststellung von Unterlassungen des Gesetzgebers, die mit dem Grundgesetz kollidieren;
  • Beilegung bestimmter Kompetenzkonflikte zwischen den Organen des Staates oder zwischen den Organen der örtlichen Selbstverwaltung und anderen staatlichen Organen;
  • Auslegung der Bestimmungen des Grundgesetzes;
  • Durchführung verschiedener gesetzlich vorgesehener Verfahren, die in seine Zuständigkeit fallen.

Das Verfassungsgericht versieht seine Entscheidungen mit einer ausführlichen Begründung. Gegen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts können keine Rechtsmittel eingelegt werden; sie sind für jedermann verbindlich.

3. Die Rechtsprechung der Gerichte

Um seinem Auftrag nachzukommen, eine einheitliche Rechtsanwendung zu garantieren und nachgeordnete Gerichte bei der Rechtsanwendung zu unterstützen, erlässt der ungarische Oberste Gerichtshof, die Kurie (vor dem 1. Januar 2012 „Oberster Gerichtshof“ genannt), Entscheidungen zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie Grundsatzentscheidungen.

Das Verfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann eingeleitet werden, wenn aufgrund von Entwicklungen in der Rechtsprechung im Interesse der Einheitlichkeit der gerichtlichen Praxis in einer Grundsatzfrage eine Entscheidung geboten ist und wenn eine Kammer der Kurie von der Entscheidung einer anderen Kammer dieses Gerichts abzuweichen gedenkt. Diesbezügliche Entscheidungen der Kurie entfalten für alle Gerichte eine bindende Wirkung.

Grundsatzentscheidungen entspringen der Rechtsprechungspraxis der Kammern der Kurie und fördern ebenfalls die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

Entscheidungen zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und Grundsatzentscheidungen werden in der Amtlichen Entscheidungssammlung der Kurie veröffentlicht.

III. Geltungsbereich der Rechtsvorschriften

Der räumliche Geltungsbereich der Rechtsvorschriften erstreckt sich auf das ungarische Staatsgebiet; Lokalverordnungen gelten jedoch nur innerhalb des jeweiligen Stadt- oder Gemeindeverwaltungsgebiets. Der persönliche Anwendungsbereich der Rechtsvorschriften erstreckt sich auf natürliche und juristische Personen und Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit innerhalb des ungarischen Staatsgebiets, ungarische Bürger außerhalb des ungarischen Staatsgebiets und, im Falle von Lokalverordnungen, auf natürliche und juristische Personen und Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit innerhalb des Verwaltungsbereichs der örtlichen Gebietskörperschaft.

Das Gesetzgebungsgesetz untersagt die rückwirkende Geltung von Rechtsinstrumenten mit der Begründung, dass eine Rechtsvorschrift nicht für den Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten Verpflichtungen begründen oder verschärfen, Rechte entziehen oder beschränken oder Handlungen für ungesetzlich erklären kann.

In allen Rechtsvorschriften muss der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens genannt werden. Dieser muss so gewählt sein, dass genügend Zeit bleibt, die Umsetzung des Rechtsakts vorzubereiten.

Gesetze und ihre Durchführungsbestimmungen müssen stets gleichzeitig in Kraft treten. Ein Rechtsakt (oder eine Rechtsvorschrift) tritt außer Kraft, wenn er (sie) aufgehoben wird. Enthält der Rechtsakt (bzw. die Rechtsvorschrift) nur Bestimmungen zur Änderung oder Aufhebung, tritt er (sie) entsprechend den Bestimmungen des Gesetzgebungsgesetzes außer Kraft.

IV. Rechtsdatenbanken

Das ungarische Amtsblatt „Magyar Közlöny“ wird in elektronischem Format veröffentlicht. Der Wortlaut ist verbindlich.

Im ungarischen Amtsblatt werden mit Ausnahme der Verordnungen der Organe der kommunalen Selbstverwaltung alle ungarischen Rechtsvorschriften veröffentlicht. Dazu gehören unter anderem:

  • Beschlüsse und Entscheidungen des Verfassungsgerichts, die in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften oder auf Grundlage einer Entscheidung des Verfassungsgerichts im ungarischen Amtsblatt veröffentlicht werden müssen
  • Beschlüsse des Parlaments
  • Entscheidungen der Kurie zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung
  • Stellungnahmen des Nationalen Wahlausschusses
  • Anhänge, einschließlich der Sammlung der Rechtsprechung
  • Beilage zum Amtsblatt (Hivatalos Értesítő)

Die Nationale Rechtsdatenbank (Nemzeti Jogszabálytár) enthält mit Ausnahme der von den Organen der kommunalen Selbstverwaltung erlassenen Verordnungen alle Rechtsvorschriften und Rechtsinstrumente für die staatliche Verwaltung, die am Tag der Datenbankabfrage in Kraft sind. Das Suchergebnis wird in konsolidierter Form einschließlich aller Änderungen angezeigt.

Die Suche kann anhand von Titel, Nummer und Textinhalten eines Dokuments durchgeführt werden.

Der Zugang zu diesen Datenbanken ist unentgeltlich und keinen Beschränkungen unterworfen.

Links zum Thema

Amtsblatt in elektronischer Form

Nationale Rechtsdatenbank

Letzte Aktualisierung: 17/07/2020

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