Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht
durch die Senatspräsidentin Dr. Primus als Vorsitzende,
den Richter Mag. Hofmann und die Kommerzialrätin Schmidt
in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik- Wehrle & Langer, Rechtsanwälte KG
in Wien, wider die beklagte Partei Ideo Labs GmbH, D12107 Berlin, Großbeerenstraße 2, vertreten durch Mag.
Dr. Lothar Wiltschek, Dr. David Plasser, Dr. Katharina
Majchrzak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und
Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert EUR 36.000
s.A.) über die Berufung der beklagten Partei gegen das
Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. Jänner 2017,
GZ: 57 Cg 46/15p-16, in nicht öffentlicher Sitzung zu
Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.051,12 (darin EUR 508,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu
ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt
EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Bereitstellungszeitpunkt: 16.10.2017 14:43:55 | Anschriftcode: P120360 | ÜSt: MANZ
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Beklagte betreibt Online-Plattformen für Partnersuchende. Dabei bietet sie sowohl ein (praktisch) kostenloses „Schnupperangebot“ für den Zeitraum von 14 Tagen
gegen eine marginale Einmal-Zahlung (von EUR 1) als auch
kostenpflichtige Vertragsverhältnisse für längere
Zeiträume gegen entsprechende Monatsbeiträge, etwa ein
„Standardangebot“ für den Zeitraum von 6 Monaten zum
Preis von rund EUR 90 pro Monat, an.
Der Kläger ist ein nach § 29 KSchG und § 14 Abs 2
UWG klagebefugter Verband. Mit der vorliegenden Klage
wendet er sich gegen die Website-und AGB-Vertragsgestaltung der Beklagten sowie deren Geschäftspraktik damit, an
einen praktisch kostenlosen kurz laufenden „SchnupperVertrag“ eine mehrmonatige hochpreisige Folgemitgliedschaft anzuknüpfen. Er strebt mit seinen Unterlassungsbegehren - samt korrespondierendem Begehren auf
Urteilsveröffentlichung auf den Websites der Beklagten
sowie im redaktionellen Teil einer Samstagsausgabe der
bundesweit erscheinenden „Kronen Zeitung“ - an, der
Beklagten zu verbieten,
I. (gestützt auf §§ 1 und 2 UWG) auf den von ihr
betriebenen Casual Dating-Onlineportalen wie www.dailydate.at und www.dateformore.at den unrichtigen Eindruck zu
erwecken, sie böte Kunden eine Mitgliedschaft für einen
begrenzten Zeitraum zu einem geringen Preis an, etwa
durch Ankündigungen wie „Jetzt 14 Tage testen – Nur für
kurze Zeit verfügbar – 14 Tage Schnuppermitgliedschaft
für nur 1 EURO“ oder sinngleiche Ankündigungen, wenn sie
Kunden, die dieses Angebot annehmen, tatsächlich für eine
länger dauernde Mitgliedschaft zu einem höheren Preis,
etwa für sechs Monate zu einem Preis von EUR 89,90 monat4 R 52/17x
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lich verpflichte;
II. (gestützt auf § 1a UWG) Rücktrittserklärungen
von Verbrauchern über Vertragsabschlüsse auf ihren
Casualdating-Onlineportalen, wie www.daily-date.at und
www.dateformore.at, nicht zu akzeptieren, wenn sie diesen
Kunden zuvor eine unrichtige Belehrung über die Voraussetzungen des Rücktrittsrechtes erteilt hat, dies insbesondere durch Verwendung der von ihr vorformulierten –
oder einer sinngleichen - Klausel auf ihren Onlinebestellportalen „Ich wünsche ausdrücklich, dass der Anbieter sofort nach dem Kauf ohne Verzögerung mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Mir ist bekannt, dass ich durch diese
Zustimmung mit Bereitstellung der digitalen Inhalte mein
Widerrufsrecht verliere“;
III. folgende oder sinngleiche Klauseln zu verwenden
oder sich darauf zu berufen:
a) Ich wünsche ausdrücklich, dass der Anbieter
sofort nach dem Kauf ohne Verzögerung mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte vor Ablauf der Widerrufsfrist
beginnt. Mir ist bekannt, dass ich durch diese Zustimmung
mit Bereitstellung der digitalen Inhalte mein Widerrufsrecht verliere.
b) Damit ich alle Vorteile ohne Unterbrechung weiternutzen kann, verlängert sich die Mitgliedschaft,
sofern ich nicht von meinem Kündigungsrecht, wie in den
AGB geregelt, Gebrauch mache, um eine sich daran
anschließende reguläre sechsmonatige Premium-Mitgliedschaft für nur EUR 89,90 monatlich.
Dadurch würden insbesondere die Rücktrittsbestimmungen des FAGG verletzt. Zu I. werde dem Verbraucher im
Übrigen über ein Schnäppchenangebot für eine 14-tägige
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Probenutzung undeutlich und somit auf irreführende Weise
sowie mittels unrichtiger Belehrung über seine gesetzlichen Rücktrittsrechte eine teure mehrmonatige Mitgliedschaft unterjubelt. Zu II. sei es eine aggressive
Geschäftspraktik iSd § 1a UWG, dass sich die Beklagte
ungerechtfertigt weigere, den von Verbrauchern rechtzeitig erklärten Rücktritt zu akzeptieren. Zu III. lit a sei
wiederum ein Verstoß gegen die Rücktrittsregelung der §§
18, 10 und 11 FAGG verwirklicht, zu lit b enthalte die
beanstandete AGB-Klausel entgegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG
eine Erklärungsfiktion ohne zugleich vorzusehen, dass vor
Fristablauf nochmals gesondert auf die Konsequenz der
Unterlassung einer Kündigung hingewiesen werde.
Die Beklagte verteidigt ihr Vorgehen als gesetzeskonform und erachtet eine Urteilsveröffentlichung in der
„Kronen Zeitung“ als überschießend.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem
Klagebegehren statt. Es traf die auf den Seiten 7 bis 19
der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf
die verwiesen wird. In rechtlicher Hinsicht führte es
zusammengefasst zu I. aus, aufgrund der Ankündigungen
„JETZT 14 Tage testen“, „Gutschein einlösen“, „14 Tage
Schnuppermitgliedschaft“, „Ihr persönliches Willkommensgeschenk“, „14 Tage Schnupperangebot Premium nur EUR 1,00
Einmalzahlung“ gehe der Durchschnittsverbraucher davon
aus, dass er lediglich ein 14-tägiges Schnupperangebot
erhalte und demgemäß auch nur eine 14-tägige Schnuppermitgliedschaft um EUR 1 erwerbe. Ihm werde der Eindruck
suggeriert, es handle sich um etwas Unverbindliches, das
er probeweise testen könne, ohne weitere finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Erst beim letzten Schritt vor
dem Vertragsabschluss finde sich im rechten Kasten der
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Hinweis, dass die Schnuppermitgliedschaft bei nicht
fristgerechter Kündigung automatisch in eine sechsmonatige Premium-Mitgliedschaft um EUR 89,90 monatlich übergehe. Auf der gesamten Website bis unmittelbar vor Vertragsabschluss finde sich somit keine Aufklärung über
eine allfällige Verlängerung der Mitgliedschaft, sondern
erst kurz vor dem Vertragsabschluss in einem Kästchen,
wobei dieses abermals mit der Überschrift „Laufzeit: 14
Tage - Gesamtbetrag: EUR 1,00“ fett hervorgehoben werde
und lediglich darunter in Kleindruck die Information über
die automatische Verlängerung im Falle unterbleibender
Kündigung erfolge. Zur ordnungsgemäßen Aufklärung
bedürfe es aber eines ausreichend deutlichen Hinweises.
Der kleingedruckte Fließtext auf der rechten Seite reiche
dafür nicht. Denn auch ein durchschnittlich informierter
und verständiger Verbraucher werde bei Inanspruchnahme
eines mehrmals ausdrücklich als „Schnupperangebot für nur
EUR 1,00“ bezeichneten Dienstes nicht annehmen, dass sich
aus dem Kleingedruckten das Gegenteil des blickfangartig
herausgestellten Angebotes ergeben könne. Vielmehr werde
ein beträchtlicher Teil solcher Verbraucher den erst auf
die eigene Vertragserklärung folgenden Text im Vertrauen
auf das ohnehin zugesagte Schnupperangebot nicht lesen.
Daran ändere der Hinweis auf die jederzeit auf der Website abrufbaren und unmittelbar vor dem Button „Kaufen“
mit einem Link hinterlegten AGB nichts, da auch dies dem
Erfordernis eines ausreichend deutlichen Hinweises nicht
entspreche. Davon ausgehend sei die beanstandete blickfangartige Ankündigung jedenfalls zur Irreführung von
Verbrauchern iSd § 2 Abs 1 Z 2 und 4 UWG geeignet, sodass
der Unterlassungsanspruch schon aus diesem Grund zu Recht
bestehe.
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Zu II. kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass die
Beklagte die Erfordernisse des § 18 FAGG für einen Entfall des Rücktrittsrechts, insbesondere die Ausdrücklichkeit der Verbrauchererklärung verfehle. Hiezu sei es
erforderlich, dass der Verbraucher seine Erklärung selbst
in Worte bzw. Zeichen fasse oder einen gleichwertigen
aktiven Erklärungsakt setze. Die vorgefasste Textierung
der Beklagten sei somit weder als ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers auf sofortige Erbringung der Dienstleistung im Sinne des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG noch als seine
ausdrückliche Zustimmung zum vorzeitigen Lieferbeginn im
Sinne der Z 11 leg cit zu qualifizieren. Demnach habe die
Beklagte die Rücktrittserklärung in einem näher dargelegten Fall ( zu Unrecht zurückgewiesen und somit
gegen § 1a UWG verstoßen.
Zu III. widerspreche erstgenannte Klausel – wie zu
II. dargelegt - dem § 18 Abs 1 Z 1 iVm §§ 10 und 11 FAGG.
Zweiteres enthalte eine Vertragsverlängerung im Wege
einer Erklärungsfiktion, verstoße aber gegen das weitere
Vereinbarungserfordernis des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG, wonach
vor Fristablauf nochmals gesondert auf die Bedeutung der
Unterlassung einer Kündigung hingewiesen werde.
Die Urteilsveröffentlichung bezwecke, über die
Rechtsverletzung aufzuklären und der Weiterverbreitung
unwahrer Ansichten entgegenzuwirken. Ausgehend davon,
dass ehemalige Vertragspartner der Beklagten gerade nicht
mehr auf deren Internetseiten zurückkehren, sei auch eine
Veröffentlichung in einem Printmedium erforderlich.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten
wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger
Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung
mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzuge4 R 52/17x
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ben; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu
geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Es ist sogleich auf die Rechtsrüge einzugehen, weil
sich damit auch die Tatsachenrüge weitgehend erledigt.
1. Zum Recht auf Vertragsrücktritt nach dem FAGG ist
in allseitiger Überprüfung der erstgerichtlichen rechtlichen Beurteilung (Kodek in Rechberger4, § 471 Rz 9) vorauszuschicken:
1.1. Gemäß § 11 Abs 1 FAGG kann der Verbraucher –
soweit hier relevant - von einem Fernabsatzvertrag binnen
14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Ein solcher Rücktritt ist nicht nur von Vertragserklärungen möglich, die zur erstmaligen Begründung eines Vertragsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien abgegeben werden. Das Rücktrittsrecht steht vielmehr auch dann zu,
wenn ein - wie auch immer zustande gekommenes - bestehendes Vertragsverhältnis im Wege eines Fernabsatzvertrages
inhaltlich verändert oder verlängert werden soll (Schwarzenegger in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 11
FAGG Rz 6, sowie Stabentheiner, Das neue Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, VbR 2014/68, 118, jeweils unter
Hinweis auf die Gesetzesmaterialien [89 BlgNR 25. GP
34]).
1.2. Gemäß § 18 Abs 1 FAGG hat der Verbraucher –
soweit hier primär relevant - kein Rücktrittsrecht bei
Verträgen über Dienstleistungen (Z 1) oder über die Lieferung von […] digitalen Inhalten (Z 11), wenn der Beginn
der Leistungen des Unternehmers noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG „auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 sowie einer
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Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom
Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung“ (Z 1) oder „mit ausdrücklicher Zustimmung des
Verbrauchers, verbunden mit dessen Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vorzeitigem Beginn mit der
Vertragserfüllung, und nach Zurverfügungstellung einer
Ausfertigung oder Bestätigung nach § 5 Abs 2 oder § 7 Abs
3“ erfolgte.
1.3. Die Beklagte knüpft an einen kurzlaufenden (14-
tägigen) und nahezu kostenlosen „Schnupper-Vertrag“ –
mittels Erklärungsfiktion infolge unterbleibender Kündigungserklärung – einen langlaufenden (sechsmonatigen)
kostenintensiven Anschluss-Vertrag an. Wie zu Punkt 1.1.
dargelegt, ist demnach zwischen zwei im Fernabsatzweg
geschlossenen Verträgen zu differenzieren, nämlich einerseits dem vorangehenden „Schnuppervertrag“ sowie andererseits dem nachfolgenden Standardvertrag. Da das Rücktrittsrecht nach § 11 Abs 1 FAGG und die Frage dessen
Entfalls nach § 18 FAGG für jeden dieser beiden Verträge,
insbesondere für den in Wahrheit wirtschaftlich allein
relevanten Anschlussvertrag gesondert zu beurteilen ist,
kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei einer solchen
Partnervermittlung um Dienstleistungen im Sinne der Z 1
oder um die Lieferung digitaler Inhalte im Sinne der Z 1
des § 18 Abs 1 FAGG handelt, und ob die Beklagte mit
ihrer Website- und sonstigen Vertragsgestaltung – wie im
bisherigen Verfahren kontrovers argumentiert – die Voraussetzungen für den Entfall des Rücktrittsrechtes nach
einer dieser Bestimmungen erfüllt hat. Selbst wenn man
dies bejahen wollte, wäre nämlich immer nur der anfängliche „Schnuppervertrag“ betroffen. Hingegen fehlt es hinsichtlich des nachfolgenden Standardvertrags jedenfalls
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am ausdrücklichen Verlangen des Verbrauchers (Z 1) oder
an seiner ausdrücklichen Zustimmung, verbunden mit der
Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts (Z 11),
dass noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Dienstleistung oder Lieferung begonnen werde.
2. Zu den Begehren im Einzelnen
2.1. Die Berufungswerberin hält der Irreführungseignung ihres Auftritts nach § 2 UWG entgegen, die Kombination aus einer kostenlosen Anmeldung/Registrierung, die
bloß einen ein-geschränkten Nutzungszugang gewähre, und
einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft, die eine
uneingeschränkte Nutzung ermögliche, sei branchenüblich.
Mit dieser Branchenübung vertraute Interessenten wüssten
daher, dass sie – über die jeweiligen Gratis- und Testangebote hinaus – für einen uneingeschränkten Zugang ein
Abonnement zu einem höheren Preis abschließen müssten.
Beides geht am hier zu beurteilenden Sachverhalt
vorbei. Die Beklagte differenziert ihren Leistungsumfang
gar nicht danach, ob der Kunde eine Test- oder ein
Bezahl-Variante wählt. Ihr Schnupperangebot umfasst nämlich keineswegs nur eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten,
sondern „sofort sämtliche Premium-Vorteile“. Auch steht
die inkriminierte Irreführung nicht in Zusammenhang mit
Preisunterschieden zwischen Test- und Standardangeboten,
sondern in der Erkennbarkeit, ob die anfängliche kostenfreie Testphase mit Zeitablauf endet oder eine kostenträchtige längere Vertragsbindung entsteht.
Die Berufungswerberin versucht im Übrigen darzulegen, warum ihre Website-Gestaltung ausreichend deutlich
sei. Der zentralen Argumentation des Erstgerichtes zur
blickfangartigen Darstellung der 14-tägigen Schnuppermitgliedschaft und der im Fließtext vergleichsweise unauf4 R 52/17x
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fällig gehaltenen Möglichkeit einer daran anschließenden
regulären Mitgliedschaft im Wege einer Zustimmungsfiktion
hält sie aber nichts Stichhältiges entgegen. Das Berufungsgericht erachtet diese Rechtsausführungen des Erstgerichtes für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden
kann (§ 500a ZPO).
2.2. Die Berufungswerberin meint, selbst wenn sie,
wie ihr das Erstgericht – überdies zu Unrecht - vorwerfe,
jenem einen Kunden ( das Rücktrittsrecht hätte
zubilligen müssen, bewirke ein solcher einmaliger Umstand
noch keine aggressive Geschäftspraktik im Sinne des § 1a
UWG. Im Übrigen habe sie mittels der Urkunden
Beilagen ./16 bis ./18 den Beweis angetreten, dass sie
„Rücktritte und Vertragsbeendigungen akzeptiere, sofern
die Kunden eindeutig zum Erkennen geben, dass sie das
kostenpflichtige Online-Angebot gar nicht nutzen wollen
und dieses auch tatsächlich nicht nutzen“. Dem Vorwurf
einer aggressiven Geschäftspraktik aufgrund einer systematischen Weigerung von Kundenrücktritten fehle daher
jede Grundla-ge. Überdies sei der diesen Kunden (
betreffende Vorfall gemäß § 20 UWG verjährt, weil
der Kläger hievon bereits im Frühjahr 2015 erfahren, die
Klage aber erst am 2.11.2015 eingebracht habe. Letztlich
wiederholt die Berufungswerberin ihre Rechtsauffassung,
dass sich das Rücktrittsrecht allein nach Z 11 des § 18
Abs 1 FAGG beurteile, die für den Wegfall erforderlichen
Erklärungen ausreichend vorlägen und das weiters normierte Kriterium, wonach der Unternehmer auch eine Bestätigung hierüber auszustellen habe, unionsrechtswidrig
umgesetzt sei.
All dem kann schon in Hinblick auf die einleitenden
Rechtsausführungen in Punkt 1. kein Erfolg zukommen:
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Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist, dass
mit dem „Schnupperanbot“ zunächst ein bloß 14-tägiges
Vertragsverhältnis zu einem marginalen (Anlock-)Preis
verbunden ist (der allerdings der Beklagten immerhin Konto- oder Kreditkarteninformationen des Verbrauchers verschafft). Mangels ins Gewicht fallender Kostenbelastung
wird kaum ein Interesse bestehen, Rücktrittsrechte zu
ersterem „Schnuppervertrag“ wahrzunehmen. Dem entsprechend ist auch den verfahrensgegenständlichen Rücktrittserklärungen vor allem ein Widerspruch gegen die kostenträchtige Anschlussmitgliedschaft zu entnehmen. Von diesem – zweiten – Vertragsverhältnis durften sämtliche Kunden der Sachverhaltsfeststellungen jedenfalls zurücktreten, weil ihnen mangels darauf bezogener ausdrücklicher
Erklärungen das Rücktrittsrecht nach § 18 FAGG jedenfalls
zustand. Dass dieses Rücktrittsrecht wegfiele, wenn der
Kunde gewisse Umstände nicht (in den Worten der Beklagten) „eindeutig zum Erkennen gebe“, widerspricht der klaren und zwingenden Rechtslage. Wenn die Beklagte behauptet, sie billige derartigen Kunden den Rücktritt faktisch
ohnehin zu, knüpft sie damit nämlich sehr wohl ein gewisses Erklärungsverhalten der Verbraucher an die Akzeptanz
der Rücktritte, obwohl den Verbrauchern das Rücktrittsrecht bedingungslos zusteht.
Davon betroffen sind sämtliche auf diese Art eingegangenen Kundenbeziehungen, sodass es weder auf anderweitige Details der nachträglichen Korrespondenz (und die in
diesem Zusammenhang erhobene Beweisrüge) noch auf die
Frage der Verjährung im Fall jenes einen vom Erstgericht
herausgegriffenen Kunden ankommt. Vielmehr erweist sich
das Unterlassungsgebot in Ansehung der rechtswidrigen
Geschäftspraktik nach § 1a UWG jedenfalls im Ergebnis als
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zutreffend, sodass die Berufung auch insoweit erfolglos
bleibt.
2.3. Die Berufungswerberin wiederholt, dass nicht §
18 Abs 1 Z 1 FAGG, sondern Z 11 leg cit anzuwenden sei.
Auch übersehe das Erstgericht, dass der Text in SpruchPunkt 3.a keine gesonderte Vertragsklausel enthalte, sondern damit die Zustimmung des Verbrauchers und dessen
Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts eingeholt
werden solle. Die Verwendung dieser gesetzlich vorgeschriebenen Erklärungen könne nicht untersagt werden,
andernfalls wäre die Beklagte auch künftig bei jeder
Bereitstellung digitaler Online-Inhalte faktisch daran
gehindert, die Zustimmungs- und Kenntnisnahmeerklärungen
einzuholen. Dem kann nicht gefolgt werden:
Die Berufungswerberin hält den erstgerichtlichen
Argumenten, warum die von ihr selbst stammende klauselmäßige Textierung eine gebotene ausdrückliche Erklärung des
Verbrauchers nicht zu ersetzen vermag, nichts entgegen.
Stellt sich die angegriffene Formulierung somit als Versuch dar, eine ausdrückliche Verbrauchererklärung mittels
vorformulierter Klausel auf gesetzwidrige Weise zu substituieren, bestehen am Verbot ebendieser Klausel zu
Punkt 3.a des erstgerichtlichen Spruches keine Bedenken.
Auch insofern ist auf die zutreffenden Ausführungen des
Erstgerichtes zu verweisen (§ 500a ZPO).
Gegen das Verbot zu Punkt 3.b des erstgerichtlichen
Spruches wendet sich die Berufungswerberin in der Tatsachenrüge insofern, als sie die Kunden im Einklang mit Pkt
6.4. der AGB – wie mit „Ersatzfeststellung“ begehrt -
nach Vertragsschluss und rechtzeitig vor Ablauf des
Schnupper-Abos auf die Bedeutung einer nicht frist- und
formgerechten Kündigung hingewiesen habe. Dem ist voraus4 R 52/17x
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zuschicken, dass der Inhalt unstrittiger Urkunden – hier:
der AGB Beilagen ./2a und ./2b - der Entscheidung ohnehin
zugrunde zu legen ist (stRsp, 2 Ob 36/14d, 2 Ob 204/10d
uva; RIS-Justiz RS0121557 T3), sodass sich die Frage
einer „Ersatzfeststellung“ oder eines sekundären Verfahrensmangels nicht stellt. Im Übrigen ist den Berufungsausführungen Folgendes entgegenzuhalten:
Wirksamkeitserfordernis einer Verlängerungsfiktion
ist es, dass der in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweis des Verwenders in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter selbst aufgenommen ist
(jüngst etwa 7 Ob 52/17y). Dem wird die Klausel zu Punkt
3.b des Unterlassungsgebotes, so wie sie beim Bestellvorgang aufscheint (Beilagen ./i und ./J) nicht gerecht. Die
von der Berufungswerberin ins Treffen geführten anderweitigen Formulierungen in Punkt 6 der AGB ändern daran
nichts. Die an der inkriminierten Stelle unvollständige
und daher gesetzwidrige Klausel wird schon in Hinblick
auf das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG nicht
dadurch gesetzeskonform, dass an gänzlich anderer, gesondert aufzurufender Stelle eine weiter reichende Klausel
zu diesem Themenbereich aufscheint.
2.4. Die Berufungswerberin bekämpft die zuerkannte
Urteilsveröffentlichung auch in einem Printmedium als
überschießend, insbesondere weil sich die Werbung auf das
Internet beschränkt habe.
Der OGH konnte erst jüngst in einem Verbandsverfahren gegen ein Online-Partnervermittlungsinstitut kein
Argument gegen die hier wie dort zugesprochene Urteilsveröffentlichung in der „Kronen-Zeitung“ erkennen, dies
insbesondere im Hinblick auf den Zweck der Urteilsveröffentlichung, über die Rechtsverletzung aufzuklären und
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den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben,
sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen
geschützt zu sein (4 Ob 80/17v vom 24.08.2017). Im vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Der vom Erstgericht zugebilligte Veröffentlichungsumfang ist somit
gleichermaßen zutreffend (§ 500a ZPO).
Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50,
41 ZPO.
Der Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO folgt der
Bewertung der klagenden Partei. Die ordentliche Revision
war zuzulassen, weil noch keine Judikatur des OGH darüber
besteht, ob – im Sinne der auf die Gesetzesmaterialien
gestützten Lehrmeinungen - der Übergang einer kurzfristigen und (nahezu) kostenlosen Vertragsbeziehung in eine
längerfristige und kostenträchtige Vertragsbeziehung zu
einer jeweils gesonderten Beurteilung des Rücktrittsrechts nach §§ 11, 18 FAGG führt. Dies ist eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO.
Oberlandesgericht Wien
1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 4, am 28. September 2017
Dr. Dorit Primus
Elektronische Ausfertigung
gemäß § 79 GOG