BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 - I ZR 55/00 (Naumburg)
Zum Sachverhalt:
Die Bekl. befasst sich mit der Durchführung von Maler- und Dachdeckerarbeiten. Am 2. 10. 1997 suchte einer ihrer Mitarbeiter einen Hauseigentümer unangemeldet in dessen Wohnhaus auf und bot ihm eine Dachsanierung zu einem Festpreis an. Auf dem von dem Mitarbeiter der Bekl. vorgelegten vorgedruckten Auftragsformular der Bekl., das der Hauseigentümer im Lauf des Gesprächs unterzeichnete, befand sich links unten eine schwarz umrahmte Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut: „Der Auftrag kann innerhalb einer Woche schriftlich bei der Firma … widerrufen werden. Zur Wahrung dieser Frist genügt rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Lauf der Widerrufsfrist beginnt mit Aushändigung dieser Vertragsurkunde, nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde“. Der kl. Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat die Verwendung des Auftragsformulars mit der Begründung als wettbewerbswidrig beanstandet, die Widerrufsbelehrung verstoße gegen § 2 I des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG a.F.). Der im letzten Satz der Widerrufsbelehrung enthaltene, mit den Worten „nicht jedoch, bevor …“ beginnende Satzteil stelle eine unzulässige, weil im Gesetz nicht vorgesehene Erweiterung der Belehrung dar und sei zudem geeignet, den Kunden zu verwirren. Der Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit dem Abschluss von Werkverträgen im Bereich der Privatwohnung eines Kunden dem Kunden keine den Anforderungen des Haustürwiderrufsgesetzes genügende Widerrufsbelehrung zu erteilen, insbesondere dem Kunden eine Widerrufsbelehrung zu erteilen, die folgende zusätzliche Erklärung bei dem Hinweis enthält, dass der Lauf der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde beginnt: „… nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde“. Die Bekl. ist der Klage entgegengetreten. Sie hat den Standpunkt vertreten, die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung sei eindeutig und auch für den Verbraucher unmissverständlich. Der Hinweis, dass der Lauf der Widerrufsfrist nicht vor Abgabe der auf Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Auftraggebers beginne, sei zur Klarstellung insbesondere in den Fällen notwendig, in denen sich Auftraggeber erst nach einer Bedenkzeit zur Vertragsunterzeichnung entschließen würden. In diesen Fällen vergäßen Kunden verschiedentlich die gesonderte Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung, was die Vertragsabwicklung erschwere. Deshalb lasse man in solchen Fällen den Kunden die Widerrufsbelehrung unterschreiben, auch wenn er den Auftrag selbst noch nicht unterschrieben habe.
Das LG hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das BerGer. die Klage abgewiesen (OLG Naumburg, OLG-Report 2000, 279). Die Revision des Kl. hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat den vom Kl. geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit der Begründung verneint, der beanstandete Teil der Widerrufsbelehrung verstoße nicht gegen § 2 I 3 HWiG a.F. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Bestimmung des § 2 I 3 HWiG a.F. schließe nicht jeden Zusatz zu der Belehrung aus. Diese dürfe nur keine Erklärungen mit deutlich anderem Inhalt als die vom Gesetz vorgesehenen aufweisen. Da das Verbot, andere Erklärungen mit der Belehrung zu verbinden, deren Übersichtlichkeit und Hervorhebung abzusichern bezwecke, seien solche Ergänzungen zulässig, die die Widerrufsbelehrung in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlichten. Dies sei bei dem vom Kl. beanstandeten Teil der Widerrufsbelehrung der Bekl. der Fall. Die von dieser geschilderte Vorgehensweise, den nicht zur sofortigen Auftragserteilung entschlossenen Kunden ein Auftragsformular mit der Bitte zu überlassen, die Widerrufsbelehrung sogleich zu unterschreiben, sei rechtlich zulässig. Für solche Fälle sei der beanstandete Zusatz notwendig, um zu verdeutlichen, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginne; ansonsten könnte bei den Kunden der unzutreffende Eindruck entstehen, dass die Frist schon vor seiner Unterschrift unter den Auftrag abgelaufen sei. Wenn die Unterschriften unter den Vertrag und die Widerrufsbelehrung gleichzeitig erfolgten, sei der Zusatz zwar überflüssig, aber immerhin nicht falsch. Die verwendete Formulierung sei aus der Sicht eines Verbrauchers auch nicht so schwierig, dass für ihn nicht zumindest bei einiger Überlegung deutlich werde, was mit ihr gemeint sei. Mit der gewählten Formulierung werde die gesetzliche Vorgabe erfüllt, dass der Kunde für jeden denkbaren Fall eindeutig über sein Widerrufsrecht und über die Berechnung der Frist hierfür zu informieren sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg und führen zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen Urteils. Das BerGer. ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das von der Bekl. benutzte Auftragsformular den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, die bei Haustürgeschäften für die dem Kunden zu erteilende Widerrufsbelehrung gelten. Die Verwendung eines solchen Auftragsformulars ist wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG.
1. Die Frage, ob der klagegegenständliche Unterlassungsanspruch begründet ist, beurteilt sich angesichts dessen, dass der Anspruch in die Zukunft gerichtet ist, nach dem im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Recht (st. Rspr.; vgl. BGHZ 141, 329 [336] = NJW 1999, 2898 = GRUR 1999, 923 = LM H. 9/1999 § 2 UrhG Nr. 42 - Tele-Info-CD; BGH, NJW-RR 2001, 851 = GRUR 2001, 348 [349] = LM H. 6/2001 SteuerberatungsG Nr. 71 = WRP 2001, 397 - Beratungsstelle im Nahbereich; NJW 2002, 2039 = GRUR 2002, 717 = LM H. 9/2002 § 1 UWG Nr. 869 = WRP 2002, 679 [680] - Vertretung der Anwalts-GmbH; NJW 2002, 2391 = GRUR 2002, 720 = LM H. 9/2002 § 1 UWG Nr. 874 = WRP 2002, 832 [833] - Postfachanschrift, m.w. Nachw.). Insoweit sind daher nunmehr die auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001 (BGBl I, 3138) am 1. 1. 2002 in Kraft getretenen Bestimmungen des § 312 I 1, II BGB einschlägig, die ihrerseits auf die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 355 I 2, II 1 und 2, 357 I 3 BGB verweisen.
2. Nach dem Wortlaut des § 355 I 2, II 1 und 2 BGB ist die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung, die den Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde mit dem einschränkenden Zusatz „nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde“ verbindet, den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ebenso wenig eindeutig zu beantworten wie nach dem bisherigen Recht (vgl. für die Zeit bis zum 30. 9. 2000 § 2 I 1 bis 3 HWiG a.F. und nachfolgend bis zum In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes § 361a I 2 bis 4 BGB in der Fassung des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. 6. 2000, BGBl I, 897). Die Regelungen des alten wie auch die des neuen Rechts knüpfen hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist jeweils an die Erteilung der Widerrufsbelehrung an, regeln aber nicht ausdrücklich, zu welchem Zeitpunkt diese zu erteilen ist. Ihrem Wortlaut lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Belehrung vor der Abgabe der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers zulässig und, da die Frist zum Widerruf jedenfalls nicht vor der Abgabe der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers beginnen kann (vgl. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 2 HWiG Rdnr. 4; Fischer/Machunsky, HWiG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 45; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 13. Bearb. [2001], § 7 VerbrKrG Rdnr. 39; Ulmer, in: MünchKomm., 3. Aufl., § 2 HausTWG Rdnr. 4; vgl. auch Ulmer, in: MünchKomm., 4. Aufl., § 361a Rdnr. 40 und Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, 2. Aufl., § 2 HWiG Rdnr. 297), ein entsprechender Hinweis auf den richtigen Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung erforderlich, zumindest aber zulässig ist.
3. Entscheidend ist daher, ob der vom Gesetz mit der Einräumung eines Widerrufsrechts zu Gunsten des Verbrauchers verfolgte Zweck mit der von der Bekl. verwendeten Widerrufsbelehrung erreicht wird. Das ist nicht der Fall.
a) Das nunmehr in § 355 BGB und in Vorschriften, die - wie vorliegend § 312 I 1 BGB - auf diese Bestimmung verweisen, geregelte Widerrufsrecht bezweckt ebenso wie das früher unter anderem in § 2 HWiG a.F., § 7 VerbrKrG a.F. und auch schon in § 1b AbzG a.F. geregelte Widerrufsrecht den Schutz der Verbraucher. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung (vgl. BGHZ 121, 52 [54f.] = NJW 1993, 1013 = LM H. 7/1993 HWiG Nr. 11 - Widerrufsbelehrung I). Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (Ulmer, in: MünchKomm., 4. Aufl., § 361a Rdnr. 44; Staudinger/Werner, BGB, 1998, § 2 HWiG Rdnr. 30). Bereits vor der Vereinheitlichung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen durch § 361a BGB a.F. entsprach es darüber hinaus der Zielrichtung des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgesetzes ebenso wie der des früheren Abzahlungsgesetzes, den regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren und ihn über die Berechnung nicht im Unklaren zu lassen (vgl. BGHZ 121, 52 [54f.] = NJW 1993, 1013 = LM H. 7/1993 HWiG Nr. 11 - Widerrufsbelehrung I; BGHZ 126, 56 [62] = NJW 1994, 1800 = LM H. 9/1994 § 1b AbzG Nr. 30). Dies sieht nunmehr § 355 II 1 BGB ausdrücklich vor. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. An diesem in § 2 I 3 HWiG a.F. ausdrücklich normierten Erfordernis hat sich durch die gesetzliche Neuregelung nichts geändert (vgl. Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 117). Es kommt nunmehr darin zum Ausdruck, dass § 355 II 1 BGB eine Gestaltung der Belehrung verlangt, die dem Verbraucher seine Rechte deutlich macht (vgl. insoweit - zu § 1b II AbzG a.F. - BGH, NJW 1987, 125 = GRUR 1986, 816 [818] = LM § 1b AbzG Nr. 12 = WRP 1986, 660 - Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; NJW 1993, 64 [67] = GRUR 1993, 66 = LM H. 2/1993 § 34 GWB Nr. 29).
Diese Regelung schließt allerdings nicht schlechthin jeglichen Zusatz zur Belehrung aus. Ihrem Zweck entsprechend sind Ergänzungen als zulässig anzusehen, die ihren Inhalt verdeutlichen. Nicht hierzu rechnen jedoch Erklärungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und die deshalb von ihr ablenken (vgl. BGH, NJW 1987, 125 = GRUR 1986, 816 [818] = LM § 1b AbzG Nr. 12 = WRP 1986, 660 - Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; NJW 1993, 2868 = GRUR 1994, 59 [60] = LM H. 1/1994 HWiG Nr. 13 = WRP 1993, 747 - Empfangsbestätigung).
b) Diesen Anforderungen genügt die von der Bekl. verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Denn sie legt das unrichtige Verständnis nahe, dass auch Fälle denkbar seien, in denen die Widerrufsfrist nicht bereits mit der Aushändigung der die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsurkunde zu laufen beginne, sondern erst mit der zeitlich nachfolgenden Abgabe der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers. Dies ist jedoch unzutreffend, so dass der von dem Kl. beanstandete Zusatz die Widerrufsbelehrung nicht in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlicht, sondern im Gegenteil für den in der Regel rechtlich nicht geschulten Verbraucher irreführend ist.
aa) Insoweit ist - was das BerGer. auch nicht verkannt hat - davon auszugehen, dass dem Zusatz in denjenigen Fällen, in denen der Verbraucher seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung im Zeitpunkt der Aushändigung der Widerrufsbelehrung bereits abgegeben hat oder zugleich abgibt, keine sachliche Bedeutung zukommt. Denn in diesen Fällen beginnt die Frist immer erst mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung zu laufen, so dass sich der Zusatz hier als überflüssig erweist. Auch ein überflüssiger Zusatz in einer Widerrufsbelehrung ist aber geeignet, das Verständnis des Verbrauchers von ihrem wesentlichen Inhalt zu beeinträchtigen, und trägt deshalb nicht zur Verdeutlichung des gebotenen Inhalts der Belehrung bei. Hinzu kommt, dass von einem rechtsunkundigen Verbraucher nicht das richtige Verständnis des in dem Zusatz verwendeten juristischen Fachbegriffs „Abgabe einer Willenserklärung“ erwartet werden kann.
bb) Die Zulässigkeit des beanstandeten Zusatzes lässt sich aber auch nicht im Hinblick auf diejenigen Fälle bejahen, für die er gedacht ist, das heißt Fälle, in denen der Verbraucher den Auftrag erst nach Inanspruchnahme einer Überlegungsfrist erteilt und die Bekl. ihn deshalb die Widerrufsbelehrung bereits vorab unterzeichnen lässt. Denn die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen (ebenso Staudinger/Wolf, BGB, 1998, § 2 HWiG Rdnr. 40; a.A. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 2001, § 7 VerbrKrG Rdnr. 39; Ulmer, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 2 HausTWG Rdnr. 4; Ulmer, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 361a Rdnr. 40; Fischer/Machunsky, HWiG, § 2 Rdnr. 45) und lässt sich auch nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen.
(1) Allerdings enthält § 355 BGB ebenso wenig wie § 2 HWiG a.F. eine ausdrückliche Bestimmung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es jedoch, dass seine gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende Recht zum Widerruf seiner auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung bereits vor deren Abgabe erteilt wird. Die Belehrung soll dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel wird aber nur dann erreicht, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht. Das setzt voraus, dass der Verbraucher eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht ihm eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nachträglichen Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs des Bundesrats zum HWiG, BT-Dr 10/2876, S. 7). Dagegen ist eine Widerrufsbelehrung, die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe der Vertragserklärung erteilt worden ist, von vornherein mit dem mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer größer werdenden Risiko behaftet, dass dieser sie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend vermag die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser Voraussetzung ihren Sinn nicht zu erfüllen.
Im Übrigen kann auch aus der Tatsache, dass der Wortlaut des Gesetzes dem nicht ausdrücklich entgegensteht, nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Abgabe der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers zulassen wollte. Die Entstehungsgeschichte des Haustürwiderrufsgesetzes, an dessen entsprechende Regelung das nunmehr in den §§ 312 , 355 BGB bestimmte Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften anknüpft, weist nämlich aus, dass die Belehrung nach der Auffassung des Gesetzgebers jedenfalls nicht vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erteilen war. Die Regelungen über die Widerrufsbelehrung in § 2 I 2 und 3 HWiG a.F. waren eng an § 1b AbzG a.F. angelehnt (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs des Bundesrats, BT-Dr 10/2876, S. 12f.). Nach dieser Vorschrift musste die dem Käufer zu erteilende Widerrufsbelehrung auf der Abschrift seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung enthalten sein und begann die Widerrufsfrist erst mit der Aushändigung dieser Abschrift zu laufen. Allein schon im Hinblick darauf kam eine Belehrung vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers nicht in Betracht (vgl. Ulmer, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 361a Rdnr. 40 Fußn. 91, zu der der nunmehrigen Regelung in § 355 II 3 BGB entsprechenden Bestimmung des § 361a I 5 BGB a.F.). Dass nach § 2 I 2 und 3 HWiG a.F. die Belehrung nicht auf einer Abschrift der Vertragserklärung des Kunden anzubringen war, hatte demgegenüber seinen Grund allein darin, dass die Vertragserklärung des Kunden nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht der Schriftform bedurfte (vgl. BT-Dr 10/2876, S. 13).
(2) Dass die Widerrufsbelehrung bei Haustürgeschäften dem Verbraucher nicht vor der Abgabe seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung erteilt werden darf, folgt auch aus der Richtlinie des Rates vom 20. 12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG, ABlEG Nr. L 372 v. 31. 12. 1985, S. 31). Diese ist bei der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften ergänzend heranzuziehen (vgl. BGH, NJW 1994, 2759 [2760] = LM H. 11/1994 HWiG Nr. 15), wobei Divergenzen zu der Richtlinie so weit wie möglich zu vermeiden sind (vgl. BGH, NJW 1996, 55 [56] = LM H. 2/1996 HWiG Nr. 18/19; Staudinger/Werner, BGB, 1998, Vorb. z. HWiG Rdnr. 42; Ulmer, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 1 HausTWG Rdnrn. 6-8 u. 21; Roth, ZIP 1996, 1285 [1286]). Die nationalen Rechtsvorschriften sind so weit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (EuGH, NJW 2000, 2571 [2572f.]). Die richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschriften ist im Streitfall schon deshalb geboten, weil sich die nunmehr in den §§ 312 , 355 BGB enthaltenen Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften mit dem Regelungsgehalt der Richtlinie vom 20. 12. 1985 decken, wobei sie aber - anders als die Richtlinie - die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher auszuhändigen ist, nicht ausdrücklich regeln (vgl. Basedow, in: Festschr.f. Brandner, 1996, S. 658).
Die Widerrufsbelehrung ist dem Verbraucher nach Art. 4 II 2 lit. a der Richtlinie in den Fällen des dortigen Art. 1 I wie namentlich bei Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, die anlässlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden in einer Privatwohnung geschlossen werden (Art. 1 I 2. Spiegelstrich lit. i der Richtlinie), grundsätzlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuhändigen. Abweichendes gilt nur in Sonderfällen, in denen die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl. Art. 1 II i.V. mit Art. 4 II 2 lit. b der Richtlinie) oder zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots (vgl. Art. 1 III und 4 i.V. mit Art. 4 II 2 lit. c der Richtlinie) auszuhändigen ist, nicht dagegen im - auch vorliegend gegebenen - Normalfall, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher ohne vorhergehende Bestellung in dessen Privatwohnung aufsucht.
4. Die Verwendung einer gesetzwidrigen Widerrufsbelehrung durch die Bekl. stellt auch einen Wettbewerbsverstoß i.S. des § 1 UWG dar. Ein Vertragsformular, das den Vertragspartner über ein ihm durch Gesetz eingeräumtes Widerrufsrecht entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht, nicht vollständig oder nicht richtig belehrt, begründet die Gefahr, dass der die Rechtslage nicht überblickende Vertragspartner von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird, was mit Blick auf das Ausnutzen dieser Rechtsunkenntnis mit dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs und den guten kaufmännischen Sitten nicht in Einklang steht. Die Bekl. verschafft sich damit zudem bewusst und planmäßig einen wettbewerbswidrigen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern (st. Rspr.; vgl. BGH, NJW 1987, 125 = GRUR 1986, 816 [818] = LM § 1b AbzG Nr. 12 - Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGHZ 121, 52 [57f.] = NJW 1993, 1013 = LM H. 7/1993 HWiG Nr. 11 - Widerrufsbelehrung I; NJW 2002, 2039 = GRUR 2002, 717 = LM H. 9/2002 § 1 UWG Nr. 869 = WRP 2002, 832 [833] - Postfachanschrift, m.w. Nachw.).
5. Das beanstandete Verhalten der Bekl. berührt wesentliche Belange der Verbraucher i.S. des § 13 II Nr. 3 2 UWG (vgl. BGH, NJW 1989, 2820 = GRUR 1989, 753 [754] = LM § 1 UWG Nr. 522 = WRP 1990, 169 - Telefonwerbung II; NJW-RR 1990, 359 = GRUR 1990, 280 [281] = LM § 1 UWG Nr. 544 = WRP 1990, 288 - Telefonwerbung III).