BGH, Urteil vom 8. 6. 2004 - XI ZR 167/02 (OLG Bamberg)
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten um gegenseitige Ansprüche aus einem zur Finanzierung der Beteiligung an einem Immobilienfonds geschlossenen Darlehensvertrag. Die Kl. erwarben mit notariellem Vertrag vom 26. 9. 1995 Anteile an der GbR W für 91950 DM. Zur Finanzierung des Preises nahmen sie mit Antrag vom selben Tag bei der bekl. Bank ein Darlehen über 105720 DM auf. Die Beteiligung und die Finanzierung wurden ihnen durch denselben Anlagevermittler nachgewiesen. Die Kl. unterzeichneten eine vorformulierte Widerrufsbelehrung, die den Hinweis enthält, dass im Falle der Auszahlung des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt. Das Darlehen wurde vertragsgemäß ausgezahlt und zur Finanzierung des Anteilserwerbs verwendet. Bis Dezember 1999 zahlten die Kl. Zinsen in Höhe von insgesamt 29261,82 DM. Danach stellten sie ihre Zahlungen ein. Die Bekl. kündigte daraufhin am 9. 10. 2000 den Darlehensvertrag fristlos.
Nachdem die Kl. am 6. 10. 2000 ihre Beteiligung an der GbR fristlos gekündigt hatten, haben sie am 20. 12. 2001 den Darlehensvertrag nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz widerrufen. Sie verlangten Rückzahlung der gezahlten Zinsen, Freistellung von sämtlichen weiteren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag sowie Freigabe bzw. Rückabtretung der geleisteten Sicherheiten Zug um Zug gegen Herausgabe der vereinnahmten Mietüberschüsse und Übertragung der erworbenen Gesellschaftsanteile. Die Bekl. forderte im Wege der Widerklage Rückzahlung des Darlehens und Ausgleich des Negativsaldos auf dem für die Kl. eingerichteten Kontokorrentkonto in Höhe von insgesamt 111583,98 DM zuzüglich Zinsen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Die - vom Senat zugelassene - Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
II. Entgegen der Auffassung des BerGer. war - wie die Revision mit Recht rügt - ein etwaiges Widerrufsrecht der Kl. gem. § 1 HWiG in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung mangels ordnungsgemäßer Belehrung bei Abgabe ihrer Widerrufserklärungen vom 20. 12. 2001 nicht erloschen.
1. Wie der erkennende Senat in seinem erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 9. 4. 2002 (BGHZ 150, 248 = NJW 2002, 1881 = NZM 2002, 539) dargelegt hat, gebietet es die vom EuGH (Slg. I-2001, 9945 = NJW 2002, 281 = NZM 2002, 189 L - Heininger) vorgenommene Auslegung der Haustürgeschäfte-Richtlinie, die in § 5 II HWiG a.F. normierte Konkurrenzregelung zu Gunsten des Verbrauchers einschränkend auszulegen. Dies hat in der Weise zu geschehen, dass Kreditverträge insoweit nicht als Geschäfte im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind, die „die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz“ erfüllen, als dieses dem Darlehensnehmer kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz einräumt. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung der Norm ist nicht auf Realkreditverträge beschränkt, sondern gilt in gleicher Weise für Personalkreditverträge wie den vorliegenden. Nur diese Betrachtungsweise wird dem vorgenannten Urteil des EuGH vom 13. 12. 2001 gerecht und vermeidet untragbare Wertungswidersprüche (Senat, BGHZ 150, 248 [258f.] = NJW 2002, 1881 = NZM 2002, 539).
Durch die auslegungsfähige Subsidiaritätsklausel des § 5 II HWiG a.F. wird ein etwaiges Widerrufsrecht der Kl. aus § 1 HWiG a.F. danach hier nicht verdrängt. Ein Widerrufsrecht der Kl. aus § 7 VerbrKrG a.F.) ist spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung vom 26. 9. 1995 erloschen (§ 7 II 3 VerbrKrG a.F.) und war damit bei ihren Widerrufserklärungen vom 20. 12. 2001 nicht mehr gegeben. Dies gilt jedoch nicht für das von den Kl. ausdrücklich geltend gemachte Widerrufsrecht aus § 1 HWiG a.F., weil es jedenfalls insoweit an einer gesetzmäßigen Belehrung fehlt.
2. Der Umstand, dass die streitige Widerrufsbelehrung ersichtlich auf die speziellen Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes zugeschnitten ist, rechtfertigt es entgegen der Ansicht des BerGer. nicht, die Belehrung auch in Bezug auf das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz für wirksam zu halten.
a) Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, die gem. § 2 I 2 HWiG a.F. die einwöchige Widerrufsfrist in Gang gesetzt hätte, ist den Kl. bei Abschluss des Darlehensvertrags nicht erteilt worden. Mit dem formularmäßigen Hinweis, dass im Falle der Auszahlung des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt, entspricht die Widerrufsbelehrung zwar den zwingenden Vorgaben des § 7 III VerbrKrG a.F. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12. 11. 2002 (NJW 2003, 424 = NZM 2003, 173 = WM 2003, 61 [63]) für einen Realkreditvertrag entschieden hat, enthält dieser einschränkende Zusatz aber eine nach § 2 I 3 HWiG a.F. unzulässige andere Erklärung. Diese konnte bei einem Durchschnittskunden die unrichtige Vorstellung erwecken, dass sein aus § 1 I HWiG a.F. folgendes Widerrufsrecht genauso wie im Bereich des Verbraucherkreditgesetzes die Rückzahlung des Kredits innerhalb der genannten Frist voraussetzt. Die Widerrufsbelehrung erfüllt daher nicht die strengen Voraussetzungen des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes mit der Folge, dass ein etwaiges Widerrufsrecht nach § 2 I 4 HWiG a.F. erst einen Monat nach vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrags erlischt.
b) Ob die Widerrufsbelehrung der Bekl. den Anforderungen des Art. 4 der Haustürgeschäfte-Richtlinie und/oder des § 7 II 2 VerbrKrG a.F. genügt, ist - anders als das BerGer. angenommen hat - ohne Bedeutung. Nach der sowohl für Realkreditverträge als auch für Personalkreditverträge gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 5 II HWiG a.F. (Senat, BGHZ 150, 248 [258f.] = NJW 2002, 1881 = NZM 2002, 539) muss die Widerrufsbelehrung des Darlehensnehmers, sofern ihm ein Widerrufsrecht nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz zusteht, den Vorgaben dieses Gesetzes in jeder Hinsicht genügen. Nur dann wird dem Schutzzweck der Widerrufsbelehrung hinreichend Rechnung getragen (Senat, NJW 2003, 424 = NZM 2003, 173 = WM 2003, 61). Dem wird von einem Teil der Literatur (s. vor allem Edelmann/Krümmel, BKR 2003, 99 [100f.]; Peters/Ivanova, WM 2003, 55 [57]) zwar entgegengehalten, dass der Kreditgeber durch die Gesetzeslage zu der von ihm erteilten Belehrung nach den Besonderheiten des § 7 III VerbrKrG a.F. gezwungen gewesen sei und er deshalb nicht nachträglich - auf Grund einer europarechtlich motivierten Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - mit einem unbefristeten Widerrufsrecht des Vertragsgegners nach § 2 I 4 HWiG a.F. belastet werden dürfe. Bei dieser Betrachtungsweise bleibt aber unberücksichtigt, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte der richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegenstehen (Senat, BGHZ 150, 248 [257f.] = NJW 2002 1881 = NZM 2002, 539; Senat, NJW 2003, 424 = NZM 2003, 173 = WM 2003, 61).
Der EuGH hat von der Möglichkeit, die Wertung seines Urteils zu beschränken, keinen Gebrauch gemacht. Vertrauensschutzgesichtspunkte können deshalb nicht herangezogen werden, die Konsequenzen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 5 II HWiG a.F. zu beseitigen.
Der Umstand, dass der Gesetzgeber (BT-Dr 10/2876, S. 14; BT-Dr 10/584, S. 7) mit Hilfe des § 5 II HWiG a.F. zwei parallele Widerrufsbelehrungen nach dem Verbraucherkreditgesetz und nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz vermeiden wollte, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung (s. aber Edelmann/Krümmel, BKR 2003, 99 [101]; Peters/Ivanova, WM 2003, 55 [58]). Der Gesetzgeber hat dieses Ziel nicht erreicht, weil die Vorschrift einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich ist und bedarf (Senat, BGHZ 150, 248 [253] = NJW 2002, 1881 = NZM 2002, 539). Dass eine verständige und übersichtliche Belehrung des Verbrauchers über die verschiedenen Widerrufsrechte sowie deren Rechtsfolgen unlösbare Schwierigkeiten bereitet, wird von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich.
c) Für das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz fehlt es daher an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung der Kl. Ein Widerrufsrecht konnte infolgedessen noch im Dezember 2001 ausgeübt werden.
III. Das angefochtene Urteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Kl. haben die Voraussetzungen für eine der Bekl. zurechenbare Haustürsituation i.S. des § 1 HWiG a.F. nicht schlüssig dargelegt. § 1 I Nr. 1 HWiG a.F. setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung zu einer späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei ist Mitursächlichkeit ausreichend. Es genügt, dass die besonderen Umstände der Kontaktaufnahme einen unter mehreren Beweggründen darstellen, sofern nur ohne sie der später abgeschlossene Vertrag nicht oder nicht mit demselben Inhalt zu Stande gekommen wäre (s. z.B. BGHZ 131, 385 [392] = NJW 1996, 926). Ausreichend ist dabei, dass der Darlehensnehmer durch einen Verstoß gegen § 1 HWiG a.F. in eine Lage gebracht worden ist, in der seine Entschließungsfreiheit beeinträchtigt war, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen (BGHZ 123, 380 [393] = NJW 1994, 262 m.w. Nachw.; s. auch Senat, NJW-RR 2004, 1126 = NZM 2004, 351 = WM 2004, 521 [522]).
So ist es hier entgegen der Ansicht der Revision nicht: Dem Vortrag der Kl. ist nicht zu entnehmen, dass mündliche Verhandlungen über die Kreditaufnahme an ihrem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung gem. § 1 I Nr. 1 HWiG a.F. stattgefunden haben. Dass die Kl. - wie sie erstmals im zweiten Rechtszug unter Beweisantritt behauptet haben - von einer Mitarbeiterin des Anlagevermittlers unverlangt zu Hause angerufen worden sind, reicht dafür nicht. Zwar ist anerkannt, dass auch bei einer den Kunden unvorbereitet treffenden telefonischen Anfrage die Gefahr einer Überrumpelung bestehen kann und dass deswegen, wenn der Kunde in einem solchen Telefongespräch einem Hausbesuch zugestimmt hat, sein Widerrufsrecht nicht gem. § 1 II Nr. 1 HWiG a.F. ausgeschlossen ist. Daraus folgt aber nicht, dass eine telefonische Kontaktaufnahme auch ohne nachfolgenden Hausbesuch genügt, um die Voraussetzungen des § 1 I Nr. 1 HWiG a.F. zu erfüllen (Senat, BGHZ 132, 1 [4f.] = NJW 1996, 929). Da für einen Hausbesuch von den darlegungs- und beweispflichtigen Kl. nichts dargetan oder ersichtlich ist, fehlt für eine Anwendung des § 1 HWiG a.F. die notwendige Tatsachengrundlage.