Oberster Gerichtshof 17. Januar 2001, 6 Ob 324/00s
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, ***** vertreten durch Dr. Mondel & Partner, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2000, GZ 1 R 162/00a-9, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom
16. Mai 2000, GZ 24 Cg 11/00a-5, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Beklagte vermietet Parkplätze u. a. auch solche in Garagen. Beim Abschluss von Mietverträgen mit Verbrauchern legt sie unter Verwendung von Formblättern den Verträgen allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde. Der gemäß § 29 KSchG klagelegitimierte Verein begehrt die Unterlassung folgender, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltenen Klauseln wegen Sittenwidrigkeit:
"1. A***** haftet nur für Schäden, die nachweislich von A***** oder von Gehilfen der A***** vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden.
2. Bei Abstellen des Fahrzeuges außerhalb eines markierten oder als "reserviert" gekennzeichneten Parkplatzes oder bei Überschreiten der zulässigen Ladezeit ist A***** berechtigt
a) das Fahrzeug zur Sicherung entstehender Ansprüche zu immobilisieren,
b) das Fahrzeug auf Kosten des Kunden auf einen ordnungsgemäßen Stellplatz zu verbringen,
c) dem Kunden die tarifmäßigen Kosten für Sicherung und Verbringung laut Aushang zu verrechnen.
3. Bei Verlust des Parktickets ist A***** berechtigt, mindestens die doppelte Tagesgebühr zu verrechnen.
4. Die Gefahr, dass durch Verstreichenlassen der zur Ausfahrt zur Verfügung stehenden Ausfahrtszeit eine Ausfahrt nicht möglich ist, trägt der Kunde.
5. Etwaige Beschädigungen durch den Parkkunden werden auf dessen Kosten behoben."
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren zur Gänze statt.
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:
Die Entscheidung über die Klauseln Pkt 1., 3. und 5. wird nur unter Hinweis "auf die bisherige Argumentation in der Klagebeantwortung und der Berufung" bekämpft. Ein solcher Verweis ist nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig und einer Verbesserung nicht zugänglich (SZ 43/117; SZ 69/209 uva).
Zur angefochtenen zweiten Klausel ist das Berufungsgericht zutreffend und im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung von der für den Unternehmer ungünstigsten Auslegungsmöglichkeit "im kundenfeindlichen Sinn" (SZ 68/79, SZ 70/174, SZ 71/150 uva) und ferner davon ausgegangen, dass im Verbandsprozess, in dem eine vorbeugende Inhaltskontrolle vorzunehmen ist (Gesetzesmaterialien zum KSchG EBRV 744 BlgNR 14. GP) keine geltungserhaltende Reduktion der Klausel stattfinden kann (SZ 71/150 uva). Nach der ungünstigsten Auslegung der Klausel ist die Vermieterin aber schon bei einem nur teilweisen Überragen des gekennzeichneten Parkplatzes (etwa nur mit einer Reifenbreite des Fahrzeugs) zu den in der Klausel angeführten Maßnahmen auf Kosten des Kunden berechtigt. Die Revision geht ausschließlich von der aus dem Wort "außerhalb" abgeleiteten möglichen Auslegung aus, dass nur ein Abstellen des Fahrzeugs zur Gänze auf einem nicht gekennzeichneten Parkplatz die Sanktion auslöse, führt aber andererseits selbst den Zweck der Klausel ins Treffen, nämlich das Interesse an strikter Einhaltung der Parkordnung. Diese verbietet aber auch geringfügige Überragungen der markierten Parkflächen. Die Revisionswerberin bejaht selbst den Pönalecharakter der Klausel, die eine Selbsthilfemaßnahme anstelle des im Gesetz vorgesehenen Besitzesschutzes vorsieht. Das Berufungsgericht hat eine Interessenabwägung vorgenommen und danach im Einklang mit der Judikatur eine gröbliche Benachteiligung des Verbrauchers bejaht, die immer dann anzunehmen ist, wenn keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittlichsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (SZ 56/62; SZ 57/41; SZ 58/144; 1 Ob 1/00d mwN). Eine sachliche Rechtfertigung der in der Klausel vorgesehenen Sanktion auch für ganz geringe Verstöße gegen die Parkordnung zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Diese Rechtfertigung kann auch nicht durch den Hinweis auf das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters gemäß § 1101 ABGB ersetzt werden, weil die Klausel ja gerade nicht den Fall des Verzuges mit der Miete regelt, sondern die Verletzung der Parkordnung sanktioniert.
Die weiters bekämpfte vierte Klausel überwälzt die Gefahrentragung für den Fall des Verstreichenlassens der Parkzeit auf den Mieter. Die Revisionswerberin legt den Text rein grammatikalisch dahin aus, dass nur das vom Mieter unverschuldete Verstreichenlassen der Parkzeit gemeint sei. Wenn das Berufungsgericht mit seiner Auslegung nach dem Durchschnittsverständnis des Konsumenten (SZ 62/29; SZ 69/134) und der Unklarheitenregel (SZ 68/79 uva; § 6 Abs 3 KSchG) zu einem anderen Ergebnis gelangte, liegt darin keine im Revisionsverfahren über ein außerordentliches Rechtsmittel aus den Gründen der Rechtssicherheit aufgreifbare Fehlbeurteilung. Entgegen den Revisionsausführungen steht auch das Verbot der Verwendung "sinngleicher" Klauseln im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur (5 Ob 227/98p).
Zuletzt releviert die Beklagte noch eine Verfassungswidrigkeit der im
§ 29 KSchG normierten Klagebefugnis der dort genannten Interessenverbände. Die Revision führt allerdings im Wesentlichen nur mögliche Wettbewerbsverzehrungen ins Treffen, die sich aus einer unterschiedlichen Ausnützung der gesetzlich eingeräumten Klagebefugnis durch die Interessenverbände ergeben könnte. Aus der Anwendung einer gesetzlichen Regelung in der Praxis ergibt sich aber noch keineswegs ein Widerspruch des Gesetzes zu verfassungsrechtlich geschützten Positionen, die die Revisionswerberin konkret gar nicht benennt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verbandsklage nach
§ 29 KSchG (vgl auch § 14 UWG) bestehen schon im Hinblick auf die europarechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, solche Klagebefugnisse zu normieren, in keiner Weise. Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sind nach Art 7 Abs 2 der Richtlinie des Rates 93/13/EWG (Klausel - Richtlinie; abgedruckt bei Jesser/Kiendl/Schwarzenegger, Das neue Konsumentenschutzrecht) verpflichtet, Organisationen, die nach innerstaatlichem Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, die Anrufung der Gerichte zur Entscheidung über die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln einzuräumen (Kiendl, Unfaire Klauseln in Verbraucherverträgen, 56 f). Einer weiteren Begründung dieses Beschlusses bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).