Judgment Text:
Amtlicher Leitsatz:
Schließt eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft objektiv zu einem Zweck ab, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätig-keit zugerechnet werden kann, so kommt eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 30. September 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richterin Dr. Hessel sowie
die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zi-vilkammer 9, vom 16. Dezember 2008 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 13. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsanwältin in H. . Die Beklagte vertreibt Lampen über das Internet. Am 7. Oktober 2007 bestellte die Klägerin über die Internet-plattform der Beklagten unter anderem drei Lampen zu einem Gesamtpreis von 766 EUR. Sie gab dabei als Liefer- und Rechnungsadresse an:
"Kanzlei Dr. B. ....".
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In ihrer Bestelleingangsbestätigung vom 7. Oktober 2007 räumte die Beklag-te der Klägerin ein Widerrufsrecht von 14 Tagen ein; die Widerrufsfrist be-gann mit Erhalt der Bestätigung. Die Klägerin bezahlte und erhielt die be-stellten Lampen. Mit E-Mail-Schreiben vom 19./21. November 2007 widerrief die Klägerin ihre Vertragserklärungen mit der Begründung, sie habe die Lampen als Verbraucherin bestellt und sei - was zwischen den Parteien au-ßer Streit steht - nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1 BGB belehrt worden. Die Beklagte wies den Widerruf als verspätet zurück.
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Das Amtsgericht hat sich - im weiteren Verfahren unangegriffen - nach Be-weisaufnahme davon überzeugt, dass die bestellten Lampen für die Privat-wohnung der Klägerin bestimmt waren, und hat der auf Zahlung von 766 EUR sowie Feststellung des Annahmeverzugs hinsichtlich der zurückzuge-benden Lampen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Be-klagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landge-richt zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht (LG Hamburg, CR 2009, 261) ist der Auffassung, der Klägerin stehe kein Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1 BGB zu, da sie bezüglich des Lampenkaufs nicht als Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB gehandelt habe. Ob ein Verbraucherhandeln vorlie-ge, sei nach dem objektiven Empfängerhorizont zur Zeit des Vertrags-schlusses zu beurteilen. Dies gebiete der Verkehrsschutz, der nicht grund-sätzlich nachrangig zu den Belangen des Verbraucherschutzes sei. Der Kunde habe es in der Hand, sich in Zweifelsfällen klar und eindeutig zu ver-halten, während sich der Verkäufer im Hinblick auf Gewährleistungsaus-schlüsse und Belehrungspflichten auf das Auftreten seines Geschäftspart-ners verlassen müsse. Stelle man auf den objektiven Empfängerhorizont ab, könnten auch Abgrenzungsprobleme bei sowohl für den privaten wie auch den geschäftlichen Bereich nutzbaren Wirtschaftsgütern vermieden werden. Dies entspreche auch allgemeinen Auslegungsgrundsätzen für empfangs-bedürftige Willenserklärungen, nach denen es nicht auf den inneren Willen des Erklärenden ankomme, sondern auf den durch normative Auslegung zu bestimmenden objektiven Erklärungsgehalt aus der Sicht des Erklärungs-empfängers. Im hier zu entscheidenden Fall habe die Beklagte das Auftreten der Klägerin beim Kaufvertragsschluss so verstehen müssen, dass sie als Rechtsanwältin für freiberufliche Zwecke gehandelt habe. Entscheidend hierfür sei, dass die Klägerin die Kanzleianschrift nicht nur als Lieferadresse, sondern auch als Rechnungsadresse angegeben habe.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit des von der Klägerin erklärten Wider-rufs mit der Begründung verneint, die Klägerin habe die ihr von der Beklag-ten gelieferten Lampen nicht als Verbraucherin bestellt.
6
1.
Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsge-schäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Danach hat die Klägerin bei der Bestellung der Lampen objektiv als Verbraucherin ge-handelt, denn der Zweck ihres Handelns - die Ausstattung ihrer Privatwoh-nung mit den bestellten Lampen - ist, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, objektiv nicht ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit als Rechts-anwältin, sondern ihrem privaten Lebensbereich zuzurechnen.
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2.
Der Wortlaut des § 13 BGB lässt allerdings nicht erkennen, ob für die Ab-grenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln allein objektiv auf den von der handelnden Person verfolgten Zweck abzustellen ist (so Münch-KommBGB/Micklitz, 5. Aufl., § 13 Rdnr. 35; PWW/Prütting, BGB, 4. Aufl., § 13 Rdnr. 9; Jauernig/Jauernig, BGB, 13. Aufl., § 13 Rdnr. 3; Schmidt-Räntsch in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. § 13 Rdnr. 9), wie die Revision unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 162, 253 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 2007 - III ZR 295/06, NJW 2008, 435) meint, oder ob es - wie das Berufungsgericht annimmt - für die Zurech-nung des Handelns auf die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände an-kommt (so auch Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 13 Rdnr. 4; AnwK-BGB/Ring, § 13 Rdnr. 30; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., § 42 Rdnr. 41; vgl. auch K.Schmidt, JuS 2006, 1, 8; wohl auch Staudinger/Weick, BGB (2004), § 13 Rdnr. 42, 64).
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Der erkennende Senat hat die Frage bislang offen gelassen (Senatsurteil vom 22. Dezember 2004 - VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045, unter II 2 a m.w.N.). Sie bedarf auch hier keiner Entscheidung.
9
a)
Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGB wird deutlich, dass rechtsgeschäftli-ches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhan-deln anzusehen ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das kon-krete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden sind.
10
b)
Eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln ob-jektiv verfolgten Zweck kommt daher nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolg-ten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (Senatsurteil vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619, Tz. 13). Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertrags-partner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen indes nach der negati-ven Formulierung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers. Es kann daher - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht darauf an-kommen, ob der Erklärende sich dem anderen Teil eindeutig als Verbrau-cher zu erkennen gibt. Vielmehr ist bei einem Vertragsschluss mit einer na-türlichen Person grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. An-ders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerbli-chen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist.
11
c)
An solchen Umständen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Angabe der An-schrift der Rechtsanwaltskanzlei als Lieferanschrift für die bestellten Lampen mag schon darin eine nahe liegende Erklärung finden, dass die Klägerin an Arbeitstagen zu den üblichen Postzustellzeiten unter ihrer Privatanschrift nicht erreichbar war. Auch die Angabe der Anschrift "Kanzlei Dr. B. " in Ver-bindung mit dem hiervon abweichenden Namen der Klägerin als Rech-nungsadresse lässt keinen eindeutigen und zweifelsfreien Schluss auf eine Bestellung der Lampen zu selbständigen freiberuflichen Zwecken zu. Denn hieraus konnte die Beklagte allenfalls erkennen, dass die Klägerin in der Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt war. Damit blieb aus der verständigen Sicht der Beklagten jedenfalls offen, ob es sich bei der Klägerin um eine dort tätige Rechtsanwältin oder um eine angestellte Kanzleimitarbeiterin, etwa die Bürovorsteherin oder eine Rechtsanwaltsgehilfin, handelte.
12
3.
Auch nach den für unternehmensbezogene Geschäfte entwickelten Regeln (dazu etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 - II ZR 311/88, WM 1990, 600, unter II 1) kann aus der Sicht der Beklagten das Handeln der Klägerin nicht deren freiberuflicher Tätigkeit als Rechtsanwältin zugerechnet werden. Die Beklagte hat stets die Klägerin persönlich, nicht den Inhaber und Namens-geber der Kanzlei Dr. B. als ihre Vertragspartnerin angesehen. Dass sie un-geachtet der Namensverschiedenheit die Klägerin für die Kanzleiinhaberin gehalten habe, hat die Beklagte nicht behauptet.
III.
13
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzu-heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da wei-tere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind. Der Senat entscheidet daher in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klägerin den Kaufver-trag wirksam widerrufen hat (§§ 312d, 355 BGB) und somit die Klage auf Kaufpreisrückzahlung und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begründet ist, ist die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattge-bende amtsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.