Rechtsprechung

  • Rechtssachenbeschreibung
    • Nationale Kennung: III CZP 79/2010
    • Mitgliedstaat: Polen
    • Gebräuchliche Bezeichnung:Anna S. I Szymon S. v. „A.S.” Biuro Podróży I.S.S.S. sp.j
    • Art des Beschlusses: Sonstiges
    • Beschlussdatum: 19/11/2010
    • Gericht: Sąd Najwyższy
    • Betreff:
    • Kläger:
    • Beklagter:
    • Schlagworte:
  • Artikel der Richtlinie
    Package Travel Directive, Article 5, 1. Package Travel Directive, Article 5, 2.
  • Leitsatz
    Die Vorschrift des Art. 11a des Gesetzes vom 29. August 1997 über Tourismusdienstleistungen (Dz.U. 2004.223.2268 mit Änderungen) kann gesetzliche Grundlage für die Haftung eines Tourveranstalters gegenüber dem Kunden für immaterielle Schäden in Form von verschwendetem Urlaub sein.
  • Sachverhalt
    Die Kläger Anna S. und Szymon S. schlossen mit der Beklagten „A.S.“ Biuro Podróży I.S.S.S. sp.j. einen Vertrag über Tourismusdienstleistungen – eine Pauschalreise nach Ägypten vom 2. bis zum 9. Oktober 2007 für den Preis von 1890 Slotys pro Person. Die Kläger fanden bei Ankunft in Ägypten heraus, dass die Beklagte kein Hotel gebucht hatte. Sie versuchten ohne Erfolg, in Polen und in Ägypten eine Kontaktperson zu erreichen. Nach mehreren Stunden wurden sie in ein anderes Hotel gebracht und schliefen in einem Raum, der für Hotelpersonal bestimmt war. Der Raum war im Keller gelegen, schmutzig, hatte benutzte Betten und einen Blick auf eine Rutsche. In der zweiten Nacht wurden die Kläger zu einem anderen Zimmer gebracht, das vertraglichen Standards entsprach, aber mit einem Paar geteilt werden musste, das seine Hochzeitsreise machte. Das Zimmer hatte ein Ehebett, ein Zustellbett und ein Sofa. Privatsphäre oder Ruhe waren unmöglich. Beide Paar waren peinlich berührt.
    Schließlich wurden die Kläger am letzten Tag in ein eigenes Doppelzimmer in einem anderen Hotel als dem vertraglich festgelegten untergebracht. Während des Aufenthalts in Ägypten verfassten die Kläger eine Beschwerde, die am 9. November 2007 schriftlich bestätigt wurde. Sie forderten Rückzahlung von 2/3 des Preises für die Pauschalreise und Ersatz des immateriellen Schadens i.H.v. 5000 Slotys pro Person. Auf Ausbleiben jeder Reaktion des Tourorganisators entschieden sie sich für den Klageweg.
    Das Gericht erster Instanz (Bezirksgericht) ordnete Rückzahlung von 945 Slotys an und wies die Klage im Übrigen ab. Das Gericht erklärte, dass Ersatz des immateriellen Schadens nicht vertraglichen Charakters ist, die Haftung der Beklagten in diesem Fall aber vertraglicher Art ist.
    Beide Parteien legten Berufung ein. Die Kläger begehrten die Feststellung einer Verletzung des Art. 11a des Gesetzes vom 29. August 1997 über Tourismusdienstleistungen (im Folgenden: ATS) und Art. 23, 24 und 448 PICC. Das Gericht der zweiten Instanz erhob ernsthafte Bedenken und verwies die Rechtsfrage an den Obersten Gerichtshof.
  • Rechtsfrage
    Der Oberste Gerichtshof hält die Rechtsfrage auf Grundlage der Haftung eines Reiseveranstalters für immaterielle Schäden in Form von „verschwendetem Urlaub“, was unter Art. 11a des Gesetzes über Tourismusdienstleistungen oder Art. 448 in Verbindung mit Art. 24 § 1 des Polnischen Zivilgesetzbuches fallen könnte.
    Der Oberste Gerichtshof hat eine steigende Anzahl von Klagen auf Ersatz immaterieller Schäden als Resultat von Nichterfüllung oder Schlechterfüllung eines Pauschalreisevertrags festgestellt. Ein nicht-materieller Charakter einer Verletzung, die aus einem Vertrag resultiert, bedeutet im Polnischen Rechtssystem ein rechtliches Problem. Es herrscht die überwiegende Ansicht, dass Ersatz immaterieller Schaden von Gesetzes wegen vorgesehen werden sollte. Und Schäden wegen immaterieller Verletzungen werden durch Deliktsrecht abgedeckt, nicht durch Vertragsrecht. Dennoch können die Vertragsparteien Haftung für immaterielle Schäden wegen Nichterfüllung des Vertrags vorsehen (Art. 3531 PISS – Vertragsfreiheit).
    Der Ausnahmecharakter des Schutzes persönlicher Interessen sollte dabei beachtet werden. Mechanismen zu deren Schutz sollten mit Vorsicht und Zurückhaltung und ohne künstliche Ausdehnung des Katalogs persönlicher Interessen in den Vertrag aufgenommen werden. Es ist allgemein akzeptiert, dass persönliche Interessen von unantastbaren Werten herrühren, die eng mit einer Person verbunden sind und ihre physische und psychische Integrität, Kreativität, Entfaltung menschlicher Individualität, Würde und Stellung unter anderem Menschen einschließen. Jedes persönliche Interesse besteht darüber hinaus aus zwei Elementen – einem geschützten Wert und einem Recht, von anderen dessen Respektierung zu fordern. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erlaubt, ein Recht auf ungestörten Schlaf als persönliches Interesse zu konstruieren. Stattdessen ist es gerechtfertigt, sich auf die Vorschriften des Gesetzes über Tourismusdienstleistungen zu beziehen. Probleme mit Reiseverträgen fallen unter die Richtlinie dem 13. Juni 1990 über Pauschalreisen und Pauschalurlaube (weiterhin „Richtlinie 90/314/EG“), die in Polen durch das Gesetz über Tourismusdienstleistungen umgesetzt worden ist. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 90/314/EG war Gegenstand einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12. März 2002 (Simone Leitner, Rechtssache C-168/00), in dem der Gerichtshof zu dem Schluss kam, dass die vorgenannten Vorschriften dahin auszulegen seien, dass sie sich auf materielle wie immaterielle Schäden beziehen, die auf fehlendem Genuss des Urlaubs beruhen.
    Der Oberste Gerichtshof betonte, dass die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten, die Richtlinien umzusetzen, vom Europäischen Gerichtshof als im Einklang mit dem Loyalitätsprinzip stehend angesehen werden. Die Wirkung der umgesetzten Vorschriften ist für das nationale Recht bindend. Daher schafft Art. 11a des Gesetzes über Tourismusdienstleistungen eine gesetzliche Grundlage für die Haftung des Organisators des Urlaubs für materielle und immaterielle Schäden des Kunden als Folge von Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags. Die Auslegung nach der EU-Rechtsprechung stellt keine Verletzung von Vorschriften des Polnischen Recht dar.
  • Entscheidung

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