Rechtsprechung

  • Rechtssachenbeschreibung
    • Nationale Kennung: 162/09
    • Mitgliedstaat: Deutschland
    • Gebräuchliche Bezeichnung:Consumer Advice Centre/ Gas Supplying Company X
    • Art des Beschlusses: Sonstiges
    • Beschlussdatum: 09/02/2011
    • Gericht: BGH
    • Betreff:
    • Kläger:
    • Beklagter:
    • Schlagworte:
  • Artikel der Richtlinie
    Unfair Contract Terms Directive, Article 1, 2. Unfair Contract Terms Directive, Article 2 Unfair Contract Terms Directive, Article 3, 1. Unfair Contract Terms Directive, Article 3, 2. Unfair Contract Terms Directive, Article 3, 3. Unfair Contract Terms Directive, Article 5
  • Leitsatz
    Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    a)
    Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Gaslieferungsverträgen mit Verbrauchern, die außerhalb der allgemeinen Versorgungspflicht im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit beliefert werden (Sonderkunden), nicht den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen, wenn in diesen Vertragsklauseln die für Tarifkunden im Rahmen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht geltenden gesetzlichen Regelungen unverändert in die Vertragsverhältnisse mit den Sonderkunden übernommen worden sind?
    b)
    Sind - soweit anwendbar - Art. 3 und 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie sowie Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden den Anforderungen an eine klare und verständliche Abfassung und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz genügen, wenn in ihnen Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
  • Sachverhalt
    Der Kläger ist die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., die die Beklagte, ein Gasversorgungsunternehmen, aus abgetretenem Recht von 25 Verbrauchern auf Rückzahlung von Gaspreisentgelten in Anspruch nimmt, die aufgrund von Preiserhöhungen der Beklagten geleistet wurden. In der betroffenen Region erfolgte die Gasversorgung vormals durch Unternehmen des mit dem R. -Konzern verschmolzenen V. -Konzerns, und zwar teilweise durch die frühere V. AG (im Folgenden: V. ) und teilweise durch die W. -AG (im Folgenden: W. ). Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der W, die die 25 Verbraucher leitungsgebunden mit Erdgas versorgt hat. Je nach Versorgungsgebiet werden unterschiedliche Verträge geschlossen. Die 25 Verbraucher lassen sich nach Wohngebiet und Datum des Vertragsschlusses in 5 unterschiedliche Gruppen einteilen, wovon 2 für das vorliegende Verfahren von Bedeutung sind. Beide haben nach übereinstimmender Parteienansicht ursprünglich Verträge als Sondervertragskunden geschlossen.
    Die eine Gruppe sind Kunden des nicht „tarifierten“ Gebiets der V. Die zweite Gruppe sind Kunden des „tarifierten“ Gebiets der V, deren Verträge vor der „Tarifierung“ zustande kamen. Sie wurden zum Zwecke der Vertragsumstellung („Tarifierung“) wie folgt angeschrieben:
    "... ändert sich unser Tarifierungssystem. Aus diesem Grund werden Sie zukünftig als Tarifkunde eingestuft und zu inhaltsgleichen Bedingungen versorgt.
    Ab dem 1. Oktober 1999 setzen wir daher das Vertragsverhältnis mit Ihnen auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) fort. Ein entsprechendes Exemplar ist als Anlage beigefügt.
    Der Erdgaspreis ändert sich für Sie durch diese formelle Umstellung nicht."
    Das Berufungsgericht hat nicht entschieden, ob und in welcher Weise sich dabei auf die AVBGasV oder auf die Allgemeinen Versorgungsbedingungen der V. (AVB-V.) bezogen worden ist. Letztere beinhaltet der Beklagten zufolge ein ebensolches Änderungsrecht wie § 4 AVBGasV.

    Die Beklagte hat die Preise zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 1. Oktober 2005 vier Mal erhöht. In diesem Zeitraum hatten die 25 Kunden faktisch keine Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln. Alle beglichen die Rechnungen der Jahre 2003 bis 2005, teilweise jedoch unter Rückforderungsvorbehalt.

    Der Kläger hält die Preiserhöhung für unwirksam. Er verlangt Rückzahlung der 2003 bis 2005 Beträge, die über die von der Beklagten gesetzten Preise bis Ende 2002 hinausgehen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der vorliegenden zulässigen Revision beantragt die Beklagte weiter, die Klage abzuweisen.
  • Rechtsfrage
  • Entscheidung

    Aus den Erläuterungen zu dem in Art. 1 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie geregelten Anwendungsausschluss in den Erwägungsgründen der Richtlinie Erläuterung geht hervor, dass bei nationalen Rechtsvorschriften, die direkt oder indirekt Klauseln für Verbraucherverträge festlegen davon auszugehen ist, dass sie keinerlei missbräuchliche Klauseln enthalten. Daraus resultiert, dass diejenigen Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, nicht in dem Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

    Aus diesem Grund und weil die in Deutschland für Energieversorgungsverträge bestehenden rechtlichen Gegebenheiten bei Schaffung des Art. 1 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie wegen des ursprünglichen Richtlinienvorschlags der Kommission bekannt waren, ist ebenso davon auszugehen, dass solche Klauseln nicht der Kontrolle durch die Richtlinie unterliegen, die allein die unveränderte Übernahme von mitgliedsstaatlichen Vorschriften ermöglichen. Denn auf diese Weise wird der Inhalt der Klauseln indirekt festgelegt.
    Klauseln, die dem Gewerbetreibenden das Recht einräumen, einseitig die Vertragsbedingungen eines unbefristeten Vertrages zu ändern, sind abweichend von Nr. 1 Buchst. j des Anhangs der Klausel-Richtlinie nach dessen Nr. 2 Buchst. b nicht als missbräuchlich anzusehen, sofern die Klausel eine rechtzeitige Informationspflicht des Gewerbetreibenden bestimmt. Dem Verbraucher muss in diesem Fall ein Kündigungsrecht zustehen.
    Ähnliches erzielt Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie. Ihm zufolge müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass der Kunde rechtzeitig von beabsichtigten Vertragsänderungen und seinem damit einhergehenden Rücktrittsrecht Kenntnis erhält.
    Aus letztgenannter Bestimmung geht hervor, dass der europäische Gesetzgeber das Interesse der Versorgungsunternehmen anerkennt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit auf seine Kunden umzulegen, ohne die Verträge kündigen zu müssen.
    Der gleiche Motivationsgrund liegt auch der Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV über das gesetzliche Preisänderungsrecht zugrunde.
    Das sowohl in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 der Gas-Richtlinie als auch in Art. 5 Satz 1 der Klausel-Richtlinie eher allgemein gehaltene Gebot der Transparenz lässt nicht den Schluss zu, dass solche Preisänderungsklauseln ungültig sind, die nach ihrem Inhalt nationalen Vorschriften entsprechen.
    Es ist zweifelhaft, ob das Transparenzgebot aus Anhang A Buchst. c der Gas-Richtlinie sich überhaupt auf Preisänderungen bezieht, da lediglich von „geltenden Preisen und Tarifen“ die Rede ist. Als speziellere Norm ist vielmehr Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie einschlägig, was auch das Verhältnis von Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs der Klausel-Richtlinie verdeutlicht: Die Anforderungen an die Transparenz werden gelockert, im Vertrag muss kein Grund für die Preisänderung angegeben sein. Diesen gelockerten Transparenzanforderungen wird eine Preisänderungsklausel gerecht, die § 4 AVBGasV inhaltlich unverändert übernimmt, da bei richtlinienkonformer Auslegung der Kunde dank frühzeitiger Kenntnis genügend Zeit hat, eine inhaltliche Nachprüfung nach § 315 BGB durchzuführen sowie sich gegebenenfalls vom Vertrag zu lösen .

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