BGH, Urteil vom 22. 11. 2004 - VIII ZR 21/04 (LG Mainz)
Zum Sachverhalt:
Der Kl. kaufte von dem Bekl., der ein Fachhandelsgeschäft für Gartenartikel betreibt, am 11. 7. 2002 ein Teichbecken aus glasfaserverstärktem Kunststoff für seinen privaten Gebrauch. Das Teichbecken wurde dem Kl. am folgenden Tag durch Mitarbeiter des Bekl. geliefert. Anschließend ließ der Kl. das Becken durch einen Fachbetrieb auf seinem Grundstück einbauen. Nach dem Befüllen des Teichbeckens zeigte sich, dass dieses undicht war. Der Kl. ließ das Becken am 24. 7. 2002 in den Betrieb des Bekl. zurückbringen. Zu diesem Zeitpunkt wies es einen Riss von 10 bis 15 cm Länge sowie weitere undichte Stellen auf. Der Bekl. nahm - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - Reparaturmaßnahmen vor. Das vom Kl. mit dem Einbau beauftragte Unternehmen holte das Teichbecken ab und baute es erneut ein; danach trat wiederum Wasser aus. Der Bekl. lehnte die Lieferung eines neuen Beckens sowie weitere Reparaturmaßnahmen ab. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 3. 11. 2002 erklärte der Kl. den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kl. hat Rückzahlung des Kaufpreises von 645 Euro nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Teichbeckens verlangt und die Feststellung begehrt, dass sich der Bekl. im Annahmeverzug befindet.
Das AG hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich des Zahlungsanspruchs stattgegeben und sie hinsichtlich des Feststellungsantrags abgewiesen. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG die Klage insgesamt abgewiesen. Die vom BerGer. zugelassene Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt:
Die Klage sei nicht begründet, weil der Kl. nicht bewiesen habe, dass das Teichbecken bereits bei Gefahrübergang undicht gewesen sei. Hierfür sei der Kl. beweispflichtig. Die Beweislastumkehr gem. § 476 BGB n.F. sei nicht zu Gunsten des Kl. anwendbar, da der vorliegende Sachverhalt nicht der Fallkonstellation entspreche, die in § 476 BGB habe geregelt werden sollen. Hintergrund der gesetzlichen Vermutung, dass eine innerhalb von sechs Monaten aufgetretene Vertragswidrigkeit schon zur Zeit der Lieferung bestanden habe, sei, dass der Verkäufer im Zeitpunkt der Übergabe die beste Sachkenntnis in Bezug auf das zu übergebende Verbrauchsgut habe und zu prüfen gehalten sei, ob es vertragsgemäß sei. Demgegenüber habe der Verbraucher erheblich schlechtere Möglichkeiten des Beweises. Vor diesem Hintergrund erscheine es nicht als sachgerecht, eine Beweislastumkehr eingreifen zu lassen, wenn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Kaufsache ein Dritter mit dieser befasst werde, sie zum Beispiel einbaue oder sonst bearbeite, und somit die konkrete Möglichkeit bestehe, dass der Mangel auch von diesem Dritten verursacht worden sein könne. Die Beweislast dafür, dass der Mangel bei Übergabe vorgelegen habe, trage in diesem Fall der Käufer.
II. Die Ausführungen des BerGer. halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die zulässige Revision des Kl. hat Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
1. Vergeblich rügt die Revision allerdings, das Berufungsurteil verstoße gegen § 540 ZPO, da es die Berufungsanträge nicht wiedergebe. Zutreffend geht die Revision zwar davon aus, dass nach § 540 I 1 Nr. 1 ZPO n.F. - der gem. § 26 Nr. 5 EGZPO auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist, da die mündliche Verhandlung vor dem AG am 31. 3. 2003 geschlossen wurde - die wörtliche oder zumindest sinngemäße Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil nicht entbehrlich ist (Senat, BGHZ 154, 99 [100f.] = NJW 2003, 1743; Urt. v. 26. 5. 2004 - VIII ZR 314/03 [unter II 1], jew. m.w. Nachw.). Dieser Anforderung wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen zulässigerweise auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug nimmt (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO), indessengerecht. Aus dem Urteilszusammenhang erschließt sich, dass der Bekl. als Berufungskl. den Antrag gestellt hat, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen des BerGer., die Berufung habe in der Sache Erfolg und die Klage sei abzuweisen. Dem entspricht der Tenor des Berufungsurteils. Dass der Kl. das erstinstanzliche Urteil verteidigt und er demgemäß die Zurückweisung der Berufung beantragt hat, ergibt sich ebenfalls aus dem Sinnzusammenhang des angefochtenen Urteils.
2. Die Revision beanstandet dagegen mit Erfolg, dass das BerGer. die in § 476 BGB für den - hier vorliegenden - Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) neu geregelte Beweislastumkehr mit der Begründung für unanwendbar gehalten hat, es sei nicht sachgerecht, die Beweislastumkehr eingreifen zu lassen, wenn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Kaufsache ein Dritter mit dieser befasst gewesen sei und somit die konkrete Möglichkeit bestehe, dass der Sachmangel auch von diesem Dritten verursacht worden sein könnte. Eine solche Einschränkung des § 476 BGB ist weder dem Wortlaut der Regelung zu entnehmen, noch ist sie unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks gerechtfertigt.
Gemäß § 476 BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit diesem Zeitpunkt ein Sachmangel zeigt, es sei denn, dass diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Der Wortlaut des § 476 BGB bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme des BerGer., die Regelung sei bereits dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer, wie vorliegend der Kl., den bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überlässt. § 476 BGB setzt in seinem ersten Halbsatz lediglich voraus, dass sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Diese Voraussetzung ist nach den vom AG getroffenen Feststellungen, auf die das BerGer. Bezug genommen hat, erfüllt, da das Teichbecken bereits wenige Tage nach der Anlieferung am 12. 7. 2002 undicht war. Feststellungen, dass die gesetzliche Vermutung im vorliegenden Fall mit der Art der Sache oder des Mangels nicht vereinbar ist (§ 476 Halbs. 2 BGB), hat das BerGer. nicht getroffen.
Auch der Zweck des § 476 BGB rechtfertigt es nicht, die gesetzliche Vermutung und die damit einhergehende Umkehr der Beweislast von vornherein dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer die Sache durch einen Dritten einbauen lässt. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Verbrauchers. Sie enthält eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass ein innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretener Mangel bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag (vgl. Senat, NJW 2004, 2299 = WM 2004, 1489 [unter II 2a], zur Veröff. in BGHZ bestimmt). Nach den Gesetzesmaterialien liegt die Rechtfertigung der Beweislastumkehr, wie das BerGer. zutreffend ausgeführt hat, in den schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und den - jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Übergabe - ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers (Begr. z. Entw. eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Dr 14/6040, S. 245).
Das BerGer. hat nicht beachtet, dass der Verbraucher, der den bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überlässt, hinsichtlich des Nachweises ihrer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs in gleichem Maße schutzwürdig ist wie der Verbraucher, der die Sache selbst einbaut. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, im Verhältnis zum Verkäufer den einen Verbraucher schlechter zu stellen als den anderen. Einerseits werden die in der Gesetzesbegründung aufgezeigten Beweisschwierigkeiten des Käufers hinsichtlich der Beschaffenheit der Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht dadurch verringert, dass er die Sache durch einen Dritten einbauen lässt; andererseits begründet es für die Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers hinsichtlich des Zustands der Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs regelmäßig keinen Unterschied, ob der Käufer die Sache nach ihrer Übergabe selbst einbaut oder ob er einen Dritten damit betraut.
3. Das BerGer. durfte daher dem Kl. die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht mit der gegebenen Begründung versagen. Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 III ZPO). Das BerGer. wird auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen zu prüfen haben, ob die Bekl. die Vermutung des § 476 BGB ausgeräumt hat und ob danach eine vom erstinstanzlichen Urteil abweichende Entscheidung gerechtfertigt ist (§ 513 ZPO).