BGH, Urteil vom 9. 11. 2004 - X ZR 119/01 (OLG Frankfurt a.M.)
Zum Sachverhalt:
Die Kl. verlangen von der Bekl. Schadensersatz wegen eines Reitunfalls auf einer Urlaubsreise. Die Bekl., ein großes Reiseunternehmen, bot in mehreren Ländern Pauschalurlaubsreisen in jeweils C. genannte Ferienclubs an. Die Clubs waren selbstständige juristische Personen nach dem Recht des jeweiligen Staates. In dem Reiseprospekt der Bekl., in dem der C. beschrieben war, wurden den Reisenden Sportmöglichkeiten angeboten, die vor Ort gegen Entgelt gebucht werden konnten. Insbesondere wurde auf einen Reitstall auf dem Clubgelände, auf Reitkurse und Reitausflüge hingewiesen. Der Ehemann der Kl. zu 1 und Vater der Kl. zu 2 und 3 (nachfolgend: Erblasser) buchte bei der Bekl. für sich und seine Familie für die Zeit vom 21. 12. 1994 bis zum 4. 1. 1995 eine Pauschalreise mit Flug und Aufenthalt im C. Am 25. 12. 1994 nahm der Erblasser, ein geübter Reiter, an einem Ausritt teil, den er beim Club gebucht und bezahlt hatte. In dem Reitstall standen nur Hengste. An dem Ausritt nahmen sechs Reiter teil. Als nach etwa einer halben Stunde das Pferd einer 13-jährigen Mitreiterin, der Hengst „Mistral“ nervös wurde, erklärte der Erblasser sich bereit, dieses Pferd zu übernehmen. Weil der Hengst gleich nach dem Aufsitzen des Erblassers erneut unruhig wurde, stieg dieser aber gleich wieder ab und hielt „Mistral“ am Zügel fest. In diesem Augenblick sprang das Pferd mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft und traf den Erblasser am linken Knie. Dieser erlitt eine Tibiakopffraktur, die noch in Tunesien operativ versorgt wurde. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland litt der Erblasser unter starken Schmerzen und war arbeitsunfähig. Das operierte Knie musste mehrfach punktiert und nachoperiert werden. Am 29. 7. 1995 verstarb der Erblasser infolge einer thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura.
Mit ihrer Klage haben die Kl. materiellen Schadensersatz, hauptsächlich wegen entgangenen Berufseinkommens des Erblassers, und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Bekl. verlangt. Widerklagend hat die Bekl. den restlichen Reisepreis geltend gemacht.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben. Mit ihrer Berufung haben die Kl. im Wege der Teilklage nur noch materiellen Schadensersatz in Höhe von 16000 DM und ein Schmerzensgeld von 45000 DM sowie die gänzliche Abweisung der Widerklage verlangt. Das BerGer. hat mit seinem ersten Urteil vom 10. 7. 1997 die Berufung bis auf eine Änderung im Zinsausspruch zurückgewiesen mit der Begründung, der Reitausflug sei nicht Gegenstand des Pauschalreisevertrags gewesen. Auf die hiergegen eingelegte Revision der Kl. hat der erkennende Senat mit Urteil vom 14. 12. 1999 (NJW 2000, 1188) dieses Berufungsurteil aufgehoben, die Widerklage abgewiesen und die Sache zur anderweiten Entscheidung über die Klage an das BerGer. zurückverwiesen. Dieses hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit dem jetzt angefochtenen zweiten Berufungsurteil die Berufung der Kl. erneut zurückgewiesen, und zwar nunmehr deshalb, weil die Bekl. den Nachweis fehlenden Verschuldens geführt habe. Hiergegen haben die Kl. wiederum Revision eingelegt, die der erkennende Senat hinsichtlich des Schmerzensgeldes nicht angenommen, hinsichtlich des materiellen Schadensersatzanspruchs aber angenommen hat (§ 554b I ZPO in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung). Die Kl. verfolgen mit ihrer jetzigen angenommenen Revision ihre Teilklage auf Ersatz eines materiellen Schadens in Höhe von 16000 DM nebst Zinsen weiter. Das Rechtsmittel führte im Umfang der Revisionsannahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. ist unter Beachtung des ersten Revisionsurteils des Senats (NJW 2000, 1188 [1189 unter I 2c, 3, 4]) von Folgendem ausgegangen: Die Bekl. musste auf Grund des mit dem Erblasser geschlossenen Pauschalreisevertrags die in der Reisebeschreibung angebotenen Reitmöglichkeiten in einer für die Reisenden geeigneten Weise zur Verfügung stellen. Das Pferd „Mistral“ war aber für den Ausritt, auf dem der Unfall geschah, wegen seiner damaligen Nervosität nicht geeignet. Darin lag ein Reisemangel, für den die Bekl. als Reiseveranstalter Schadensersatz leisten muss, es sei denn, der Mangel beruhte auf einem Umstand, den sie als Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat (§ 651g I BGB; vgl. BGHZ 100, 185 [188f.] = NJW 1987, 1938).
Auf Grund einer Beweisaufnahme über die Behauptung der Kl., dass es mit dem Pferd „Mistral“ schon vor dem Unfall des Erblassers zu zwei anderen Reitunfällen gekommen sei, sowie über die gegenteilige Behauptung der Bekl., dass beide Unfälle sich mit anderen Pferden zugetragen hätten, ist das BerGer. zu dem Ergebnis gekommen, dass sich mit „Mistral“ vor dem Unfall des Erblassers keine Vorfälle ereignet hatten, die Anlass gegeben hätten, an der Eignung und Zuverlässigkeit dieses Pferds zu zweifeln und es deshalb nicht für Reitausflüge einzusetzen. Die von den Zeugen bekundeten zwei Unfälle hätten sich mit anderen Pferden zugetragen und besagten daher nichts über die Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit von „Mistral“. Überdies sei nur einer dieser zwei Unfälle vor dem Unfall des Erblassers geschehen.
Das BerGer. meint, dieser eine und bis dahin - mangels anderweitigen Nachweises - einmalige Vorfall sei nicht geeignet gewesen, die Zuverlässigkeit sämtlicher anderer Pferde des Reitstalls in Frage zu stellen. Deshalb hätten weder der Reitlehrer noch der Reitstallbesitzer durch den Einsatz des Pferds „Mistral“ für Ausritte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Auch am Unfalltage habe der Reitlehrer nicht schuldhaft gehandelt. Weder seine anfängliche Zuweisung des Pferds an eine 13-jährige Reiterin, die mit diesem Hengst dann nicht zurechtgekommen sei, noch seine Bitte an den Erblasser, das nervös gewordene Tier zu übernehmen, seien fahrlässig gewesen. Außerdem sei der Erblasser das mit der Übernahme verbundene Risiko bewusst und freiwillig eingegangen. Die Ansicht der Kl., es hätten nicht mehrere Hengste bei dem Ausritt eingesetzt werden dürfen, erscheine abwegig. Die Kl. hätten für ihre Behauptung, „Mistral“ habe als das schwierigste Pferd im Reitstall gegolten, keinen weiteren Beweis angetreten. Die Bekl. habe sich deshalb nach § 651f I BGB vom Verschulden für den Reisemangel entlastet.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das BerGer. hat den Umfang der der Bekl. obliegenden Darlegungs- und Beweislast für fehlendes Verschulden verkannt. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat sich die Bekl. nicht entlastet.
1. Nach § 651f I BGB kann der Reisende Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Dass der Reiseveranstalter den Reisemangel zu vertreten hat, wird also vermutet. Dem Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muss er darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen und keiner von deren Erfüllungsgehilfen zu vertreten hat (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 651f Rdnr. 4; Staudinger/Eckert, BGB [Neubearb. 2003], § 651f Rdnr. 13).
a) Zu vertreten hat der Reiseveranstalter nach der Legaldefinition des § 276 I 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 II BGB).
b) Nicht gefolgt werden kann der von der Revision herangezogenen, in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht, der Begriff des Nichtvertretenmüssens in § 651f I BGB sei richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass nur das eigene Verschulden des Reisenden, das Verschulden eines nicht beteiligten Dritten oder höhere Gewalt den Reiseveranstalter entlasten könne (so Tonner, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 651f Rdnr. 23a, u. ihm folgend OLG München, NJW-RR 2002, 694 [unter I 6b]).
Wäre diese Ansicht richtig, so wäre im vorliegenden Fall schon auf Grund des eigenen Vortrags der Bekl. davon auszugehen, dass sie den Reisemangel zu vertreten hat. Denn der von der Bekl. zur Entlastung geltend gemachte Umstand, dass die Nervosität des Pferds spontan aufgetreten und unvorhersehbar gewesen sei, könnte die Bekl. dann nicht von ihrer Haftung befreien, da dieser Umstand weder vom Erblasser oder einem Dritten verschuldet gewesen wäre noch höhere Gewalt dargestellt hätte, die ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis voraussetzt (BGHZ 100, 185 [188] = NJW 1987, 1938).
Eine derartige einschränkende Auslegung der Entlastungsmöglichkeit des Reiseveranstalters ist jedoch nicht geboten. Die Verschuldensvermutung mit Entlastungsmöglichkeit des § 651f I BGB ist zwar vom deutschen Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen (ABlEG Nr. L 158 v. 23. 6. 1990, S. 59-64) eingeführt worden (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates v. 13. 6. 1990 über Pauschalreisen v. 24. 6. 1994, BGBl I 1994, 1322) und muss deshalb im Zweifel im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie ausgelegt werden (EuGH, Slg. 1984, 1891 [1909] = NJW 1984, 2021). Entgegen der Ansicht der Revision schränkt aber die Richtlinie die Entlastungsmöglichkeit nicht stärker ein, als es die deutsche Umsetzungsvorschrift, die das fehlende Verschulden genügen lässt, vorsieht (vgl. auch Begr. des RegE des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie, BT-Dr 12/5354, S. 11).
Art. 5 II 1 der Richtlinie besagt: „Die Mitgliedstaaten treffen hinsichtlich der Schäden, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung des Vertrags entstehen, die erforderlichen Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung übernimmt, es sei denn, dass die Nichterfüllung oder die mangelhafte Erfüllung weder auf ein Verschulden des Veranstalters und/oder Vermittlers noch auf ein Verschulden eines anderen Dienstleistungsträgers zurückzuführen ist, weil
- die festgestellten Versäumnisse bei der Erfüllung des Vertrags dem Verbraucher zuzurechnen sind;
- diese unvorhersehbaren oder nicht abwendbaren Versäumnisse einem Dritten zuzurechnen sind, der an der Bewirkung der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht beteiligt ist;
- diese Versäumnisse auf höhere Gewalt entsprechend der Definition in Art. 4 VI lit. b ii oder auf ein Ereignis zurückzuführen sind, das der Veranstalter und/oder der Vermittler bzw. der Leistungsträger trotz aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen oder abwenden konnte.“
Die Richtlinie geht also im ersten Teil der mit „es sei denn, dass“ eingeleiteten Ausnahmeregelung davon aus, dass der Veranstalter sich durch den Nachweis fehlenden Verschuldens entlasten kann. Auch der zweite, mit „weil“ eingeleitete Teil gibt nicht Anlass zu der Annahme, dass die Fälle fehlenden Verschuldens enger zu fassen sind als im deutschen Recht. Der zweite Teil enthält zwar eine abschließende, also nicht bloß beispielhafte Aufzählung der Tatbestände, die ein fehlendes Verschulden des Veranstalters begründen können. Diese Aufzählung beschränkt sich aber nicht auf das eigene Verschulden des Verbrauchers, das Verschulden eines nicht beteiligten Dritten und höhere Gewalt, sondern nennt als weiteren und letzten Entlastungsgrund „ein Ereignis, das der Veranstalter und/oder der Vermittler bzw. der Leistungsträger trotz aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen oder abwenden konnte“. Dies entspricht der Definition der fehlenden Fahrlässigkeit nach deutschem Recht. Nichts deutet darauf hin, dass im Vergleich zu der durch § 276 II BGB verlangten Einhaltung der „im Verkehr erforderlichen“ Sorgfalt die Richtlinie mit ihrer Forderung nach Einhaltung „aller gebotenen“ Sorgfalt strengere Anforderungen stellt, etwa im Sinne eines gesteigerten Sorgfaltsmaßstabs, der nur durch Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt erreicht wird. Die von § 276 II BGB abweichende Wortwahl des deutschen Textes der Richtlinie beruht ersichtlich auf der wörtlichen Übersetzung des englischen und französischen Textes, in dem es „with all due care“ bzw. „avec toute la diligence nécessaire“ heißt. Diese Rechtsbegriffe enthalten aber keine Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs im Sinne einer gesteigerten Sorgfaltspflicht bzw. eines unabwendbaren Ereignisses.
c) Die Bekl. hat fehlende Fahrlässigkeit nicht dargelegt.
(1) Unbeschadet der im ersten Revisionsurteil erörterten Frage, ob möglicherweise jeglicher Einsatz des Hengstes „Mistral“ für Reitausflüge mit Reisenden zu einem Reisemangel führte, weil das Pferd sich als für diesen Verwendungszweck ein für allemal ungeeignet erwiesen hatte, muss die jetzige revisionsrechtliche Überprüfung davon ausgehen, dass ein Reisemangel jedenfalls (auch) darin bestand, dass der Reitlehrer gerade auf dem zum Unfall führenden Ausritt dem Erblasser das nervös gewordene Pferd zuwies. Das BerGer. hat in den Gründen seines zweiten Berufungsurteils auf Grund des insoweit übereinstimmenden Vortrags der Parteien festgestellt, dass der Reitlehrer den Erblasser fragte, ob dieser den nervös gewordenen und von seiner bisherigen Reiterin nicht mehr beherrschten Hengst „Mistral“ übernehmen würde, und dass er dem hierzu bereiten Erblasser sodann das nervöse Pferd zuwies. Wie das nachfolgende Unfallgeschehen gezeigt hat, war der Hengst zumindest im Zeitpunkt dieser Zuweisung für den Erblasser - auch wenn der ein geübter Reiter war - zu schwierig und damit ungeeignet. Für den der Bekl. obliegenden Entlastungsbeweis hat dies zur Folge, dass sie (auch) darlegen und beweisen muss, dass weder ihr selbst noch ihrem Leistungsträger noch dessen Erfüllungsgehilfen ein fahrlässiges Verhalten zur Last fällt, das für die Zuweisung des nervösen Hengstes an den Erblasser ursächlich war. Dies hat die Bekl. nicht getan.
(2) Der Schuldner, dem der Entlastungsbeweis obliegt, braucht nicht in jedem Fall speziell den Umstand zu beweisen, der die unverschuldete Schadensursache herbeigeführt hat (vgl. RGZ 74, 342 [344]; BGH, NJW 1952, 59; NJW-RR 1990, 446 [unter I 2c]). Auch rein abstrakte Möglichkeiten, für die es keinen Anhaltspunkt gibt, braucht er nicht zu widerlegen (vgl. BGHZ 116, 334 [337] = NJW 1992, 1036). Wenn aber mehrere Ursachen ernstlich in Betracht kommen, muss er für jede den Entlastungsbeweis erbringen (vgl. BGH, NJW 1980, 2186 [unter II 2b bb]). Es genügt also, wenn der Schuldner nachweist, dass er die als Ursachen in Betracht kommenden Umstände nicht zu vertreten hat (vgl. RGZ 74, 342; BGH, NJW 1952, 59; NJW-RR 1990, 446; Baumgärtel, Hdb. der Beweislast im PrivatR, 2. Aufl., § 282 BGB Rdnr. 6; Staudinger/Otto, BGB [Neubearb. 2004], § 280 Rdnr. F 13). Bleibt hingegen die ernstliche Möglichkeit des Vertretenmüssens bestehen, und sei es auch nur hinsichtlich einer der in Betracht kommenden Ursachen, so ist der Schuldner beweisfällig (vgl. BGH, NJW 1952, 1170; BGHZ 100, 185 [189] = NJW 1987, 1938; Staudinger/Otto, § 280 Rdnr. F 13; Ernst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 280 Rdnrn. 37f.).
(3) So liegt es hier.
aa) Die Kl. haben verschiedene nicht ohne weiteres von der Hand zu weisende Möglichkeiten eines Verschuldens aufgezeigt, das - letztendlich oder unmittelbar - zur Zuteilung des nervösen Pferds an den Erblasser geführt haben könnte. Die in Betracht kommenden Verschuldenstatbestände betreffen zum Teil weiter entfernt liegende Glieder einer Kausalkette, nämlich die Ursachen der Nervosität, die „Mistral“ zur Zeit des Unfalls ungeeignet machte. Dies gilt für die Vorwürfe, der Reitlehrer hätte nicht mehrere Hengste zusammen einsetzen dürfen, er hätte den Hengst „Mistral“ für den Ausritt nicht verwenden dürfen, weil dieser sich schon vorher als ungeeignet erwiesen hatte, und er hätte diesen Hengst nicht einem 13-jährigen Mädchen zuteilen dürfen, das ihm nicht gewachsen war. Die Kl. haben aber auch die zeitlich letzte Ursache beanstandet, nämlich die unvermittelte Zuweisung des Hengstes, nachdem er nervös geworden war, an den Erblasser, die fahrlässig gewesen sein könnte, falls der Zeuge H das unruhige Pferd selbst hätte übernehmen oder doch durch kurzes eigenes Bereiten hätte zur Ordnung rufen müssen.
bb) Das BerGer. hat den Schwerpunkt seiner Prüfung auf die generelle Ungeeignetheit des Pferds „Mistral“ für Reitausflüge gelegt und dabei verkannt, dass die Bekl. sich schon hinsichtlich der letztgenannten Ursache dafür, dass der Erblasser ein unruhiges und damit ungeeignetes Pferd bekam, nämlich hinsichtlich der vom Zeugen H vorgenommenen Zuweisung, nicht entlastet hat. Sie hätte darlegen und erforderlichenfalls beweisen müssen, dass der Zeuge insoweit nicht fahrlässig handelte. Dazu hat sie aber nicht ausreichend vorgetragen. Die Bekl. hat nicht erklärt, dass und weshalb es der von einem Reitlehrer geschuldeten Sorgfalt entsprach, ein unruhiges Pferd, das von der bisherigen Reiterin nicht mehr beherrscht werden konnte, ohne weiteres einem anderen Mitglied der Gruppe zuzuweisen. Sie hätte sich zu der nahe liegenden Frage äußern müssen, ob die Schutzpflichten des Reitlehrers gegenüber den Teilnehmern des Ausritts es nicht erfordert hätten, dass er das unruhige und damit gefährliche Pferd entweder selbst übernahm oder doch wenigstens kurz selbst beritt und dadurch beruhigte und zur Ordnung rief, bevor er es dem Erblasser übergab. Die Bekl. hat auch nicht etwa vorgetragen, dass der Reitlehrer sich in einer Notlage befand, die ihn an solchen Vorsichtsmaßnahmen hinderte. Die letztere Lücke im Vortrag der Bekl. hat das BerGer. auch erkannt. Es hat sie durch die Feststellung zu füllen gesucht, dass das Pferd des Reitlehrers erfahrungsgemäß eine gewisse Leitfunktion gehabt haben dürfte, was einen Pferdewechsel des Reitlehrers selbst nicht nahe gelegt habe. Insoweit hat aber die Revision zu Recht die fehlende Darlegung des BerGer. gerügt, dass es über die besondere eigene Sachkunde verfügte, die erforderlich war, um über diese reitsportliche Frage ohne Sachverständigengutachten entscheiden zu dürfen (BGH, NJW 1993, 2378 = VersR 1993, 749 [unter II 1a]).
cc) Allein deshalb, weil die Bekl. nicht dargelegt hat, dass der Reitlehrer das unruhige Pferd dem Erblasser zuweisen durfte, hat sie sich nicht entlastet. Die oben aufgezeigten anderen Glieder einer Ursachenkette, die möglicherweise vorangegangen sind und ebenfalls als Verschuldenstatbestände in Betracht kommen, brauchen daher beim derzeitigen Sach- und Streitstand nicht geprüft zu werden.
2. Das angefochtene Urteil ist auch nicht etwa in Anbetracht des Hinweises des BerGer., dass der Erblasser das nervös gewordene Pferd in Kenntnis seines Zustands und freiwillig übernommen habe, im Ergebnis dennoch - ganz oder teilweise - richtig (§ 563 ZPO in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung, jetzt: § 561 ZPO). Falls das BerGer. mit seinem Hinweis ein Mitverschulden des Erblassers feststellen wollte, hätte es verkannt, dass die Berufung der Bekl. auf die dem Erblasser damals offen stehende Möglichkeit, die Übernahme des nervösen Pferds zu verweigern, ein gegen Treu und Glauben verstoßendes und damit unzulässiges widersprüchliches Verhalten darstellt (§ 242 BGB). Die sich im Gelände befindliche Gruppe der Reiter war dadurch, dass das 13-jährige Mädchen den Hengst „Mistral“ nicht weiterreiten konnte, in Schwierigkeiten geraten. Wenn der Reitlehrer in dieser Situation den Erblasser fragte, ob er „Mistral“ übernehmen wolle, so handelte es sich um ein Hilfeersuchen und bei der Einverständniserklärung des Erblassers um einen Akt der Hilfeleistung gegenüber dem für die Gruppe verantwortlichen Reitlehrer. Da dieser ein Erfüllungsgehilfe der Bekl. war, kam die Hilfsbereitschaft des Erblassers auch ihr zugute. Deshalb widerspricht es Treu und Glauben, wenn die Bekl. aus der Hilfsbereitschaft des Erblassers nunmehr einen Verschuldensvorwurf herleitet. Wer eine freiwillige Hilfeleistung erbittet, bei welcher der Helfer dann zu Schaden kommt, handelt widersprüchlich, wenn er anschließend allein aus dem Umstand, dass der Helfer seiner Bitte nachgekommen ist und sich dadurch in Gefahr begeben hat, den Vorwurf des Mitverschuldens herleitet.
III. Das angefochtene Urteil kann wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist zur tatrichterlichen Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs der Kl. - ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihnen durch den Unfall des Erblassers ein Schaden entstanden ist - an das BerGer. zurückzuverweisen.
1. Ein Grundurteil (§ 304 ZPO) des erkennenden Senats erscheint nicht angebracht. Da die Bekl. ihr fehlendes Verschulden nicht dargelegt hat, müsste zwar nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Klage dem Grunde nach stattgegeben werden. Das BerGer. hat aber durch seine fehlerhafte Beurteilung der Darlegungs- und Beweislast zu dem mangelhaften Vortrag der Bekl. beigetragen. Deshalb wäre es nicht gerechtfertigt, der Bekl. durch ein Grundurteil die Gelegenheit zur etwaigen Ergänzung ihres Vortrags zu nehmen.
2. Für den Fall, dass es auf Grund ergänzenden Vortrags der Bekl. in der neuen Berufungsverhandlung auf die Vorwürfe der Kl. ankommen sollte, der Betreiber des Reitstalls hätte nicht Reitausflüge mit mehreren Hengsten durchführen, der Reitlehrer hätte den Hengst „Mistral“ überhaupt nicht für Ausritte einsetzen und er hätte ihn nicht einem 13-jährigen Mädchen zuteilen dürfen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass insoweit die Bekl. ihr und ihrer Erfüllungsgehilfen fehlendes Verschulden zum Teil ebenfalls nicht dargelegt und im Übrigen nicht bewiesen hat.
a) Soweit es darum geht, ob „Mistral“ sich schon vor dem Unfall als für Ausritte mit Touristen ungeeignet erwiesen hatte, hat die Bekl. zwar vorgetragen, dass dieses Pferd nicht problematisch, sondern, wie alle im Club gehaltenen Araberhengste, bestens für solche Ausritte geeignet gewesen sei und sich niemals irgendwie auffällig oder gar gefährlich verhalten habe, und für diese Behauptung auch durch Zeugenbenennung der Clubangestellten H, F und K Beweis angetreten. Diesen Beweis hat die Bekl. indessen bisher nicht erbracht.
Das BerGer. hat diese Zeugen hierzu nicht vernommen, weil es, wie die Revision zu Recht rügt, die Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerhaft auf die Kl. verschoben hat. Dies zeigt sich an seinem Beweisbeschluss, der davon ausgeht, dass nur die von den Kl. behaupteten beiden konkreten Unfälle mit „Mistral“ beweisbedürftig seien, sowie daran, dass es auf Grund der Zeugenaussagen, wonach an diesen beiden Unfällen in Wirklichkeit andere Pferde beteiligt waren und sich auch nur einer davon vor dem Unfall des Erblassers ereignete, zu dem Ergebnis gekommen ist, vor dem Unfall des Erblassers habe sich lediglich ein einziger und bis dahin - mangels anderweitigen Nachweises - einmaliger Reitunfall ereignet. Da das BerGer. nicht verkannt haben kann, dass denkgesetzlich zwei Unfälle mit anderen Pferden nicht den Schluss rechtfertigen, es habe keine weiteren Unfälle und insbesondere keinen mit „Mistral“ gegeben, lässt sich die Schlussfolgerung des BerGer. nur durch eine Verlagerung der Beweislast auf die Kl. erklären. Diese Beweislastverschiebung wird auch in dem Satz der Urteilsgründe deutlich, die Kl. hätten für ihre Behauptung, „Mistral“ sei das schwierigste Pferd des Clubs gewesen, keinen weiteren Beweis angetreten, obwohl die Bekl. immer wieder jegliche Kenntnis einer Unzuverlässigkeit des Pferds verneint habe.
Die Bekl. hat den ihr obliegenden Beweis für ihre Behauptung, „Mistral“ sei immer zuverlässig gewesen, auch nicht etwa schon durch die Bekundungen erbracht, welche zwei der vom BerGer. nur zu den beiden von den Kl. behaupteten Unfällen vernommenen Zeugen, über die ihnen gestellten Beweisfragen hinausgehend, zu der grundsätzlichen Eignung von „Mistral“ gemacht haben. Diese Äußerungen sind nicht aussagekräftig genug. Die Zeugin L, die geschrieben hat, dass sie „Mistral“ vor und nach dem Unfall des Erblassers erlebt und keinen Hinweis auf seine Unzuverlässigkeit gefunden habe, war, worauf die Revision zutreffend hinweist, selbst nur Feriengast und konnte deshalb mangels ausreichend langer Beobachtungsdauer keine hinreichend überzeugungskräftige Aussage über die Zuverlässigkeit des Pferds treffen. Der Zeuge H, der „Mistral“ als geeignet beurteilt hat, hat zum einen, worauf die Revision ebenfalls zu Recht hinweist, selbst die Einschränkung gemacht, der Hengst sei „für die meisten Reiter“ angenehm und zuverlässig gewesen. Das lässt die Möglichkeit offen, dass er für nicht wenige Reiter ungeeignet war. Zum anderen hat das BerGer. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen H erwogen und deshalb seiner Aussage keinen großen Beweiswert zugemessen.
Gegebenenfalls müsste das BerGer. auch die Vernehmung der Zeugen nachholen, welche die Kl. gegenbeweislich für ihre Behauptung benannt haben, das Pferd „Mistral“ sei als ein problematisches, aggressives Pferd bekannt gewesen, mit dem es schon häufiger zu Reitunfällen gekommen sei. Soweit das BerGer. gemeint hat, die Kl. hätten hierfür keinen weiteren Beweis angetreten, hat es rechtsfehlerhaft den Beweisantrag der Kl. auf Vernehmung der Zeugen S, E, X, B und W übergangen. Auch dies rügt die Revision zu Recht. Der Beweisantrag ist nicht etwa unbeachtlich, weil die Behauptung der Kl. nicht substanziiert genug wäre. Bei einem Reisemangel, der, wie hier, aus dem Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters stammt, in den der Reisende in der Regel keinen Einblick hat, kann der Reisende regelmäßig kaum mehr tun, als zur Widerlegung des Entlastungsvortrags des Reiseveranstalters auf anderweit Gehörtes, etwa auf unter den Mitreisenden umlaufende Gerüchte zurückzugreifen, auch wenn diese wenig konkret sein mögen.
b) Hinsichtlich des Vorwurfs der Kl., es hätten nicht nur Hengste für den Ausritt eingesetzt werden dürfen, weil deren Verhalten untereinander äußerst problematisch sei, hat das BerGer. ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast der Bekl. verkannt. Diese hat nichts dazu vorgetragen, ob und weshalb der Einsatz mehrerer Hengste für einen Reitausflug für die Reisegäste nicht gefährlich war. Die gegenteilige Behauptung der Kl. war, anders als das BerGer. angenommen hat, nicht wegen fehlenden Bezugs zum konkreten Fall unbeachtlich. Die Kl. haben die Existenz einer allgemeinen Regel des Reitsports - dass der Betreiber eines Reitstalls keine Gruppenausflüge mit mehreren oder nur mit Hengsten anbieten darf - behauptet, die gegebenenfalls im konkreten Fall verletzt wurde. Die Feststellung des BerGer., die Behauptung einer solchen Regel sei abwegig und deshalb unbeachtlich, lässt wiederum die Darlegung der eigenen Sachkunde des BerGer. vermissen.
c) Für den Fall einer erneuten Beweisaufnahme gibt der Senat schließlich noch folgenden Hinweis: Falls es auf die Behauptung der Bekl. ankommen sollte, „Mistral“ sei vorher nicht auffällig geworden, hat das BerGer. die bisher unterbliebene Beweisaufnahme hierzu durch Vernehmung der drei von der Bekl. benannten Zeugen nachzuholen. Sollte es erneut eine schriftliche Beantwortung von Beweisfragen in Erwägung ziehen, wird es prüfen müssen, ob es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person der Zeugen für ausreichend erachten darf (§ 377 III ZPO). Bei Mitarbeitern einer Partei sowie bei Bedenken gegen die Vertrauenswürdigkeit eines Zeugen wird die schriftliche Befragung in der Regel ausscheiden (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 377 Rdnr. 8).