OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.06.1990 - 6 U 2/90
Zum Sachverhalt:
Der Kl. ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin. Gem. § 3 seiner Satzung bezweckt er, „unter Ausschluß eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes“ die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern. Der Bekl. ist ein gemeinnütziger Verein, der auf dem Gebiet der Luftrettung tätig ist. Der Verein hat aktive, passive und sog. Fördermitglieder. Der Jahresbetrag für letztere beträgt zur Zeit 60 DM. Über die vom Bekl. auf Anforderungen durchgeführten Einsätze zur Nothilfe (Primäreinsätze) und Ambulanzflüge (Sekundäreinsätze) informiert eine Kurzinformation. Der Bekl. hat eine Notrufzentrale am Stuttgarter Flughafen eingerichtet. Nach Eingang des Notrufes mietet der Bekl. ein Flugzeug und führt den Rettungseinsatz durch. Die Leistungen des Bekl. können von jedermann und nicht nur von Fördermitgliedern in Anspruch genommen werden. Für seine Fördermitglieder schließt der Beklagte auf eigene Rechnung eine Sammelversicherung bei der P Company Ltd. ab. Die Versicherung übernimmt im Falle eines medizinisch notwendigen Flugeinsatzes dessen Kosten. Der Bekl. stellt die Kosten des Flugeinsatzes aber in jedem Fall dem versorgten Patienten in Rechnung. Der Bekl. wirbt um Fördermitglieder durch Außenmitarbeiter. Diese suchen unaufgefordert Personen zu Hause auf, stellen ihnen die Service-Leistungen des Bekl. vor und versuchen, sie als Fördermitglieder zu gewinnen. Auf diese Weise wurde auch das Fördermitglied S gewonnen, das den Aufnahmeantrag am 25. 11. 1988 unterschrieb. Die Mitgliedschaft beginnt mit dem Datum der Unterschrift unter dem Aufnahmeantrag. Der Kl. hat vorgetragen, der Bekl. verstoße bei der Begründung von neuen Mitgliedschaften in seinem Verein gegen das Haustürwiderrufsgesetz und damit zugleich gegen § 1 UWG, weil der Aufnahmeantrag nicht die nach § 2 I 3 HWiG erforderliche Widerrufsbelehrung enthalte. Zwischen dem Bekl. und dem Fördermitglied werde ein Austauschvertrag geschlossen. Gegen ein Entgelt in Form des Jahresbeitrages würden dem Fördermitglied im Ergebnis kostenfrei bestimmte Service-Leistungen in Notfällen zur Verfügung gestellt. Über die Besonderheit der Vermittlung des Versicherungsschutzes finde im Verhältnis zwischen dem Bekl. und seinem Fördermitglied ein weiterer Leistungsaustausch statt (Werbebroschüre des Bekl., Anlageheft I): Befreiung vom Kostenrisiko eines Krankentransportes; Übernahme des Umganges mit der Versicherung; Zuwendungen an bedürftige Fördermitglieder (Übernahme eines Großteils der Bergungskosten); kostenlose Vergabe eines „Notruf-ABC“ (ansonsten eine Schutzgebühr von 5 DM); Einrichtung einer Notrufnummer für Fördermitglieder. Über den Beitrag bezahle das Fördermitglied den Versicherungsschutz, so daß zumindest das Umgehungsverbot des § 5 I HWiG eingreife. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Aus den Gründen:
Dem Kl. steht gegen den Bekl. der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht zu, da der Bekl. sich nicht wettbewerbswidrig verhält. Der Kl. ist aus der zutreffenden und vom Bekl. nicht ausdrücklich angegriffenen Begründung im angefochtenen Urteil nach § 13 II Nr. 3 UWG prozeßführungsbefugt.
Der Beitritt zum Verein des Bekl., wie er im Falle des Fördermitgliedes S erfolgt ist, fällt nicht unter den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes. Von § 1 HWiG werden alle auf den Abschluß eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichteten Willenserklärungen erfaßt, die in oder im Anschluß an einzelne im Gesetz bestimmte, typische „Überrumpelungssituationen“ abgegeben werden. Es handelt sich hierbei um schuldrechtliche Austauschverhältnisse, die jedoch nicht notwendig gegenseitige Verträge sein müssen.
Der Vereinsbeitritt fällt nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich nicht unter § 1 HWiG (hierzu Löwe, BB 1986, 812 (823)). Allerdings ist zu erwägen, ob § 1 nicht unmittelbar oder über das Umgehungsverbot des § 5 HWiG auf all diejenigen „Vereinsbeitritte“ anzuwenden ist, bei denen ein echter Vereinsbeitritt entweder nicht in Betracht kommt oder dieser nur der Verschleierung eines in Wirklichkeit gewollten entgeltlichen Leistungsaustausches dient. Der Bekl. gewährt seinen Fördermitgliedern gegen das „Entgelt Beitrag" verschiedene Leistungen, die letztlich entgeltlichen Charakter haben. Das Schwergewicht der Beurteilung in diesem Zusammenhang darf aber nicht auf solche Leistungen gelegt werden, die Vereine entsprechend ihrem Vereinszweck typischerweise ihren Mitgliedern erbringen. Denn sonst käme man in Umkehrung des vorerwähnten Grundsatzes zur grundsätzlichen Anwendung des Haustürwiderrufsgesetzes auf den Vereinsbeitritt, da die Vereinsmitgliedschaft üblicherweise mit letztlich entgeltlichen Vorteilen verknüpft ist. Als solche dem Vereinszweck entsprechende übliche Mitgliedervorteile sind die kostenlose Zurverfügungstellung des „Notruf-ABC“ sowie die Einrichtung einer Notrufnummer für das Fördermitglied zu sehen. Die entgeltlichen Serviceleistungen des Vereins in medizinischen Notfällen sind hingegen nicht an die Mitgliedschaft im Verein als Fördermitglied gebunden. Der Verein des Bekl. erbringt auf Anforderung diese Nothilfe für jedermann, gleichgültig, ob er Fördermitglied ist oder nicht. Er stellt diese Leistungen seinem Fördermitglied ebenso in Rechnung wie dem Nichtmitglied. Insbesondere ist der Vereinszweck des Bekl. nicht auf die Gewährung von Nothilfe gegenüber seinem Fördermitglied gerichtet. Vielmehr hat sich der Bekl. nach § 2 der Satzung zur Aufgabe gesetzt, das Gesundheitsbewußtsein und die Gesundheitsvorsorge, insbesondere in Verbindung mit Reisen, zu fördern und Personen zu unterstützen, die auf Reisen verunglücken, erkranken oder sonstwie medizinischer Hilfe bedürfen. Der Verein stellt seine Mittel und Möglichkeiten auch in den Dienst des Katastrophenschutzes. Die Satzung des Bekl. räumt dem Fördermitglied - etwa im Gegensatz zu Nichtmitgliedern - auch keinen Anspruch auf diese Leistungen ein. Die Nothilfe darf dem Fördermitglied auch nicht zu günstigeren Bedingungen gewährt werden. In § 1 Nr. 1 IV der Satzung des Bekl. ist ausdrücklich bestimmt, daß die Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten. Die Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Hilfe in Notfällen erbringt der Verein auch nicht als entgeltliche Leistung für den Mitgliedsbeitrag. Nach § 3 Nr. 1d der Satzung verpflichten sich die Fördermitglieder zur Zahlung des Jahresbeitrages, um dadurch dem Verein Mittel für seine Zwecke (§ 2) zur Verfügung zu stellen.
Entgegen der Behauptung des Kl. stellt der Bekl. das Fördermitglied auch nicht vom Kostenrisiko eines Krankentransportes frei. Die „kostenträchtige und komplizierte Vorbereitung und Durchführung“ des Transportes werden in jedem Fall vom Verein „in eigener Regie" übernommen. Die Kosten werden stets dem versorgten Patienten in Rechnung gestellt.
Der Verein verschafft seinem Fördermitglied als entgeltliche Leistung zwar den Versicherungsschutz einer Sammelversicherung, die er als Fremdversicherung auf eigene Rechnung abschließt. Hierdurch wird jedoch weder ein Austauschverhältnis i. S. des § 1 I HWiG noch ein Umgehungstatbestand nach § 5 HWiG begründet. Denn ganz davon abgesehen, daß nach § 6 II HWiG die Vorschriften dieses Gesetzes bei Abschluß von Versicherungsverträgen keine Anwendung finden, schließt der Bekl. weder mit dem Fördermitglied einen Versicherungsvertrag ab noch erhält das Mitglied gegen den Verein einen Anspruch auf Leistungen bei Eintritt des Versicherungsfalls. Die Freistellung nach § 6 II gilt um so mehr für die bloße Vermittlung des Versicherungsschutzes. Nach § 1 Nr. 1 IV der Satzung darf der Bekl. auch keine Leistungen an seine Fördermitglieder erbringen. Das versorgte Fördermitglied bleibt den Ansprüchen des Vereins auf Bezahlung seiner Leistungen ausgesetzt; der Anspruch des Fördermitglieds auf Ersatz seiner Kosten richtet sich allein gegen den Versicherer aufgrund der Sammelversicherung. Die Erledigung der notwendigen Formalitäten durch den Bekl. bei Eintritt des Versicherungsfalles ist eine Nebenfolge des Sammelversicherungsverhältnisses und fällt unter die Freistellung des § 6 II HWiG.
Die Mitgliedschaft des Förderungsmitglieds beim Bekl. ist in Wirklichkeit auch nicht bloß auf die Erlangung des Versicherungsschutzes für den Fall von Hilfeleistungen in Notfällen mit der Folge gerichtet, daß der Beitrag letztlich nur der Bezahlung dieses Versicherungsschutzes dient. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung liegt daher auch kein Umgehungsfall des § 5 HWiG vor, wobei allerdings auch insoweit die Freistellung des Abschlusses von Versicherungsverträgen durch § 6 II HWiG zu beachten wäre. Der Bekl. wendet unbestritten nur ca. 10 % des Beitrages des Fördermitgliedes für den Abschluß der Sammelversicherung zu dessen Gunsten auf. Der wesentlich größere Anteil des Beitrages fließt dem Verein zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Zwecke zu.
Auch soweit der Bekl. ausnahmsweise die Kosten der Nothilfe für bedürftige Patient selbst trägt, gilt das gleichermaßen für Nichtmitglieder wie für Fördermitglieder. Die Beschränkung der Kostenübernahme in solchen Fällen auf Fördermitglieder verstieße gegen das Verbot in § 1 Nr. 1 IV der Satzung des Bekl.