OLG München, Urteil vom 24. 1. 2002 - 8 U 2053/01 (nicht rechtskräftig)
Zum Sachverhalt:
Die Kl. macht Schadensersatzansprüche gegen die Bekl. als Reiseveranstalterin nach dem am 28. 12. 1999 bei der Jamtalhütte im Silvrettagebiet/Österreich erlittenen Lawinenunfall geltend. Sie hatte bei der Bekl. für sich und ihren Ehemann für die Zeit vom 26. 12. 1999 bis 1. 1. 2000 eine geführte Skitouren- und Schneeschuhwanderwoche gebucht. Das Programm beinhaltete gemäß Katalogbeschreibung verschiedene Aufstiege zu in der Nähe der Jamtalhütte gelegenen Berggipfeln. Gemäß Katalog sollte es sich um „sichere, sanfte Anstiege und Genussabfahrten mit täglichen Gehzeiten von drei bis fünf Stunden“ handeln. Am Morgen des 28. 12. 1999 entschlossen sich die fünf Bergführer zur Durchführung einer Tour mit allen Teilnehmern auf den Rußkopf. Der Lawinenlagebericht für den 28. 12. 1999, ausgegeben vom Lawinenwarndienst Tirol um 7.30 Uhr, meldete „erhebliche und große Lawinengefahr“. Dort hieß es: „In den Tiroler Tourengebieten herrscht überwiegend erhebliche Lawinengefahr. Im Raum Arlberg/Außerfern, der Silvretta und den Nordalpen ist die Gefahr als groß einzustufen. Die Tourenmöglichkeiten sind derzeit eingeschränkt und erfordern Erfahrung in der Beurteilung der Lawinensituation. Eine Schneebrettauslösung ist schon durch eine Einzelperson in steilen Hängen aller Expositionen möglich!“. Die Landeswarnzentrale Vorarlberg gab die Lawinenwarnstufe drei aus, das Schweizer Lawinenbulletin ebenfalls die Stufe drei. Gegen 9.00 Uhr vormittags starteten die fünf Gruppen mit jeweils einem Bergführer. Dabei querten sie, schräg abwärtsgehend bzw. fahrend, einen nach Nordwesten exponierten Hang, dessen Steigung teilweise mehr als 35 Grad beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen L beträgt die Hangneigung im hüttennahen Bereich ca. 30 Grad und nimmt dann weiter südlich auf ca. 40 Grad zu, wobei in den steileren Hangbereich eine ca. 30 m breite Rinne eingebettet ist, die nach unten auf einen leicht ausgeprägten Buckel hin ausläuft. Die stärkste Hangneigung beträgt 41 Grad. Nach dem Erreichen des Talbodens steigen die Gruppen von dort aus zum Rußkopf auf. Nach mehrstündigem Aufstieg entschlossen sich die Bergführer wegen der Verschlechterung des Wetters zum vorzeitigen Abbruch der Tour. Bei der Rückkehr zur Jamtalhütte folgten zwei Schneeschuh-Gruppen, geführt von den beiden deutschen Bergführern, den übrigen drei Gruppen; diese geführt von den drei österreichischen Bergführern, nach. Diese entschlossen sich beim Anstieg zur bereits in Sichtweite gelegenen Jamtalhütte den oben beschriebenen Hang wiederum auf der Spur zu queren, die man bereits am Morgen - dabei abwärtsfahrend bzw. - gehend - gelegt hatte. Die drei Bergführer gingen voran, die Teilnehmer der drei Gruppen folgten ihnen, ohne dass sie zu diesem Zeitpunkt Entlastungsabstände einhielten und wobei sie pulkartig in der Gruppe gingen. In einer Entfernung von nur noch etwa 250m zur Jamtalhütte löste sich ca. 75 m oberhalb der Tourengruppe in dem Nordwesthang eine Schneebrettlawine und riss die hinter den Bergführern gehenden Teilnehmer der drei Gruppen mit sich. Dabei wurden 14 Personen, darunter die Kl. und ihr Ehemann, verschüttet. Die Kl. erlitt Verletzungen, ihr Ehemann konnte nur noch tot geborgen werden.
Das LG hat die Schadensersatzansprüche der Kl. abgewiesen. In der Berufung hat die Kl. beantragt, ihr ein Schmerzensgeld (mindestens 30000 DM) zu zahlen (II), festzustellen, dass die Bekl. eine Geldrente entsprechend den Unterhaltsverpflichtungen des Ehemannes zahlen müsse (III), festzustellen, dass der Verdienstausfall der Kl. zu ersetzen sei (IV), festzustellen, dass die Bekl. verpflichtet sei, die künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen (V), und die Bekl. zu verurteilen, Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu zahlen (VI). Das OLG hat den Antrag zu II dem Grunde nach für gegeben erklärt, dem Antrag zu VI mit 1314,02 EURO und den Feststellungsanträgen hat es stattgegeben.
Aus den Gründen:
Die Bekl. haftet der Kl. aus einem zwischen den Parteien im Oktober 1998 abgeschlossenen Reisevertrag gem. §§ 651a , 651c I , 651f I , II BGB auf Erstattung des Verdienstausfalls infolge des erlittenen Lawinenunfalls (§ 651f I BGB) und auf Zahlung eines in Höhe des Reisepreises von 1314,02 Euro (2570 DM) angemessenen Schadensersatzes wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f II BGB). Insoweit war den Berufungsanträgen Nr. IV und Nr. VI stattzugeben sowie Nr. V, soweit es dort um die Feststellung der Verpflichtung geht, den künftigen materiellen Schaden der Kl. zu tragen. Des Weiteren haftet die Bekl. der Kl. wegen eines Organisationsverschuldens bei Planung und Durchführung der Reise gem. § 823 I BGB i.V. mit § 847I BGB auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Insoweit war bezüglich des Berufungsantrags Nr. II ein Grundurteil (§ 304 ZPO) zu erlassen, da der Anspruch angesichts des durch die Bekl. bestrittenen Umfangs der Verletzungen und Verletzungsfolgen der Kl. noch nicht zur Endentscheidung reif ist, eine Entscheidung vorweg über den Grund des Anspruchs aber zweckmäßig erscheint. Gleichermaßen war dem Antrag Nr. V zu entsprechen, soweit es um die Feststellung der Verpflichtung geht, den künftigen immateriellen Schaden der Kl. zu tragen. Gem. § 844II BGB haftet die Bekl. der Kl. wegen der Tötung des Ehemanns durch den Lawinenunfall auf Schadensersatz in Form der Entrichtung einer Geldrente, weil der Kl. infolge des Unfalls das Recht auf den Unterhalt durch die Tötung des Ehemanns entzogen worden ist. Insoweit war dem Berufungsantrag Nr. III zu entsprechen.
Sowohl für den Bereich der vertraglichen Haftung (Art. 28 I , II EGBGB), wie für denjenigen aus unerlaubter Handlung (Art. 40 II EGBGB) ist deutsches Recht anzuwenden. Im Einzelnen:
I. Vertragliche Haftung der Bekl. als Reiseveranstalterin gem. §§ 651a , 651c , I , 651f I , II BGB.
- Berufungsanträge Nr. IV (Verdienstausfall) und VI (Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs) sowie teilweise (s.o.: künftiger materieller Schaden) - Nr. V -
1. Bei den hier betroffenen Anträgen Nr. IV und VI handelt es sich um gem. §§ 523 , 264 Nr. 2 ZPO a.F. auch noch im Berufungsrechtszug zulässige Klageerweiterungen, nämlich um Erweiterungen des Klageantrags, die nicht mit der Einführung eines anderen Streitgegenstands einhergehen (Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 264 Rdnr. 3). Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte und annehmen wollte, es handele sich inhaltlich um Klageänderungen i.S. von § 263 ZPO, so wären diese als sachdienlich zuzulassen wegen der gleichzeitig möglichen Sachentscheidung auch über diese Anträge zusammen mit den übrigen Klageanträgen.
2. Für die Feststellungsanträge Nr. IV und (teilweise, s.o. Nr. V) ist das rechtliche Interesse der Kl. an alsbaldiger Feststellung als besondere Prozessvoraussetzung zu bejahen. Dafür genügt die - hier gegebene - nicht eben fernliegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rdnr. 14).
3. Die Bekl. ist Reiseveranstalterin i.S. von § 651a I BGB und haftet der Kl. als solche vertraglich aus einem zwischen der Bekl. und ihr im Oktober/November 1998 abgeschlossenen Pauschalreisevertrag.
Der einschränkende Hinweis der Bekl., wenn sie auch im „formalrechtlichen Sinne“ als Reiseveranstalterin zu qualifizieren sei, so handele es sich bei ihr doch um eine Bergsteigerschule, ist insoweit rechtlich unbeachtlich. Zum einen ist diese Formulierung so zu verstehen, dass auch die Bekl. ihre rechtliche Stellung letztlich - zutreffend - als diejenige einer Reiseveranstalterin beurteilt. Zum anderen ist allein entscheidend, dass die Bekl. ausweislich ihres Katalogs die von der Kl. gebuchte kombinierte Skitouren-Schneeschuh-Wanderwoche mit den einzelnen, im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Leistungen (sechs Übernachtungen, Halbpension, Sylvesterparty, Stellen von S Club-Bergführern usw.) als Gesamtheit von Reiseleistungen zu einem einheitlichen Gesamtpreis auf der Grundlage eines Reisekatalogs angeboten und durchgeführt hat.
4. Bei der Kl. handelt es sich um die aus dem abgeschlossenen Reisevertrag Berechtigte. Aus der an sie gerichteten Rechnung der Bekl. vom 16. 11. 1998 ist ersichtlich, dass sie die Buchung, zugleich für ihren Ehemann S, vorgenommen hat.
5. Entgegen der Sichtweise der Bekl. war die Durchführung der Pauschalreise infolge des durch die Kl. erlittenen Lawinenunglücks vom 28. 12. 1999 auch mit einem Reisemangel i.S. von § 651c I BGB behaftet. Danach ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlich oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
a) Insoweit ist mit der allgemein herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum entscheidend auf die herausgehobene Bedeutung der Reisebeschreibung im Katalog abzustellen. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt für den Inhalt der Leistungspflicht den Prospektangaben und sonstigen Informationen des Reiseveranstalters entscheidende Bedeutung im Allgemeinverständnis des Reisenden zu (BGH, NJW 2000, 1188; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., S. 68, 77, 112; Führich, ReiseR, 3. Aufl., Rdnr. 201; Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl., § 561c Rdnr. 2). Grundsätzlich wird der Prospekt Vertragsinhalt, die Leistungsverpflichtungen des Veranstalters von Pauschalreisen ergeben sich aus der Reisevertragsbestätigung in Verbindung mit der Reisebeschreibung in dem vom Veranstalter herausgegebenen Reiseprospekt (BGH, NJW 2000, 1188). Den Katalogangaben kommt eine Doppelnatur als Werbe- und Vertragsaussage zu (Tonner, S. 77). Nach § 1 I 2 der Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern sind die in dem Prospekt enthaltenen Angaben für den Reiseveranstalter bindend, wodurch klargestellt ist, dass die Prospektangaben Vertragsinhalt werden und die vertraglichen Leistungspflichten des Veranstalters bestimmen (Palandt/Sprau, Anh. zu §§ 561a-l).
b) Die Abweichung der erbrachten Leistung von der nach dem Prospektinhalt geschuldeten zum Nachteil des Reisenden stellt in der Regel einen Reisemangel dar mit den Folgen gem. §§ 651c ff. BGB (Palandt/Sprau, § 651c Rdnr. 3). Dabei gilt der Grundsatz der Prospektwahrheit, worunter zu verstehen ist, dass der Prospekt richtig ist, also zutreffende Angaben enthält, sowie vollständig und klar ist (Führich, S. 194, 195). Im vorliegenden Fall enthielt der Reisekatalog für die Skitourenwoche auf der Jamtalhütte die Formulierung „sichere, sanfte Anstiege und Genussabfahrten mit täglichen Gehzeiten von drei bis fünf Stunden“. Der Wiederaufstieg zur Jamtalhütte bei der Rückkehr vom Rußkopf am Nachmittag des 28. 12. 1999 hat dieses Kriterium und diese Zusagen der Bekl. im Reiseprospekt, bei ihren Touren „sichere, sanfte Anstiege“ zu wählen, in Abweichung von der geschuldeten Reiseleistung mit der Folge des Vorliegens eines Reisemangels nicht erfüllt:
aa) Der Kl. ist darin Recht zu geben, dass sie nach dieser Form der Reisebeschreibung im Katalog mit ihrem Ehemann davon ausgehen konnte, bei den angebotenen Touren handele es sich - auch an den jeweiligen Tourentagen - um unproblematische, jedenfalls nur mit einen hinzunehmenden Restrisiko an Lawinengefährdung verbundene, von Fachleuten geführte Touren. Dies gilt umsomehr, als noch eine gleich bzw. ähnlich lautende Formulierung zwar nicht in der Beschreibung der Schneeschuh-Wanderwoche zur Jamtalhütte, wohl aber in der auf der gleichen Seite des Prospekts direkt unterhalb angebrachten Beschreibung der Skitourenwochen zur Franz-Senn-Hütte in den Stubaier Alpen mit der Formulierung „sichere und leichte Anstiege“ angebracht war. Die Bekl. hat dadurch das Vertrauen ihrer Reisekunden in eine kontrollierte, ungefährliche Durchführung der Touren geweckt, wobei die Beschreibung der Schneeschuh-Wanderwoche im Katalog („Sie brauchen keine Schneeschuh-Erfahrung der Bergführer zeigt Ihnen, wie es geht“) diesen Eindruck der Geeignetheit der Touren selbst für Anfänger unterstreichen musste. Das folgenschwere Lawinenunglück hat gezeigt, dass sich die Tourenwahl der Bergführer - in Abweichung von der geschuldeten Leistung - gerade nicht als sicher dargestellt hat.
bb) Demgegenüber kann die Bekl. nicht damit argumentieren, es könne nur darauf abgestellt werden, ob die Auswahl der Touren abstrakt gesehen in dem Sinne sicher gewesen sei, dass es sich um ein im Vergleich zu anderen Hochgebirgslagen vergleichsweise unproblematisches Gebiet gehandelt habe. Der verständige Reisekunde, der eine derartige Reisebeschreibung liest und zur Grundlage seiner Buchung macht, kann bei derartigen Formulierungen erwarten, dass gerade auch die konkrete Tourenwahl unter sachkundiger Leitung und Führung der gemäß Katalogbeschreibung von der Bekl. gestellten eigenen Club-Bergführer die Gewähr für die größtmögliche Sicherheit bei jeder einzelnen angebotenen und durchgeführten Tour bietet. Einschränkungen nach dem Verständnis der Bekl., die generelle Geeignetheit des Gebietes für die Durchführung „sicherer“ Touren reiche aus, braucht sich die Kl. in diesem Zusammenhang nicht entgegenhalten zu lassen. Dem steht nicht entgegen, dass auch der Kl. und ihrem Ehemann nach dem eigenen Vorbringen bewusst war, sich im Hochgebirge mit dessen besonderen Gefahren aufzuhalten. Dieses stets vorhandene Restrisiko, welches der verständige Reisekunde hinnimmt und welches hinsichtlich unbeherrschbarer Gefahrensituationen auch nicht einem Reiseveranstalter überbürdet werden kann, ist aber hier nicht betroffen. Vielmehr handelte es sich vorliegend darum, eine unnötige und schon durch bloße andere Routenwahl (wie beispielsweise über den Talboden) beherrschbare Gefahrenlage zu vermeiden. Der Hinweis der Bekl. in Nr. 10 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die generelle Gefahrenlage im Hochgebirge stellt in diesem Zusammenhang auch keineswegs einen etwa wirksamen Haftungsausschluss dar. Ein solches Verständnis dieser Regelung würde u.a. gegen § 9 II AGBG verstoßen, weil es mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen würde, nicht mehr zu vereinbaren wäre und wesentliche Vertragspflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, unzulässig einschränken würde. Es liegt auf der Hand, dass die Bekl. nicht einerseits sichere Touren anbieten und auf der anderen Seite ihre Haftung vollständig ausschließen kann.
Im Übrigen ist eine Haftungsbeschränkung über den in § 651h BGB vorgesehenen Umfang hinaus gem. § 651l BGB a.F. unzulässig.
6. Als Folge des Vorliegens eines Reisemangels haftet die Bekl. der Kl.gem. § 651f I BGB auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, worunter vorliegend auch der geltend gemachte Verdienstausfall (Antrag Nr. IV) fällt. Die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung gem. § 651f I BGB würde nur entfallen, wenn die Bekl. als Reiseveranstalterin diesen Mangel nicht zu vertreten hätte. Dabei wird das Vertretenmüssen nach Abs. 1 Halbs. 2 der Vorschrift vermutet. Dem Reiseveranstalter steht der Entlastungsbeweis offen, indem er darlegt und beweist, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht zu vertreten hat, also dass weder ihn (§ 276 BGB) noch einen seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) bei der sorgfältigen Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Reise ein Verschulden an den aus seinem Gefahrenbereich stammenden schädigenden Umständen trifft (BGHZ 100, 185 = NJW 1987, 1938; Palandt/Sprau, § 651f Rdnr. 4). Es gilt demnach insoweit eine Beweislastumkehr zu Lasten des Reiseveranstalters. Sie ist durch das Umsetzungsgesetz zur EG-Pauschalreiserichtlinie von 1994 ausdrücklich in den Wortlaut der Vorschrift aufgenommen worden, galt jedoch auf Grund der so genannten Nilschiff-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1987 (BGHZ 100, 185 = NJW 1987, 1938) bereits vorher kraft Richterrechts (Tonner, S. 186).
b) Nach Art. 5 II der Pauschalreiserichtlinie darf der Reiseveranstalter den Beweis mangelnden Verschuldens nur auf unvorhersehbare und nicht abwendbare Versäumnisse eines Dritten, auf höhere Gewalt und auf ein Verschulden des Verbrauchers stützen. Genau genommen hätte der Umsetzungsgesetzgeber diese beschränkten Entlastungsmöglichkeiten in den Wortlaut des § 651f I BGB aufnehmen müssen. Der Sache nach sind andere Entlastungsmöglichkeiten kaum vorstellbar. Im Wege richtlinienkonformer Rechtsanwendung ist der Reiseveranstalter zurückzuweisen, wenn er ausnahmsweise die Entlastung auf einen anderen als einen der drei genannten Gründe stützt (Tonner, S. 186).
Letztlich kann diese - die Entlastungsmöglichkeiten des Reiseveranstalters noch stark einengende - Sichtweise dahinstehen. Denn der Bekl. ist es im vorliegenden Fall - entgegen ihrer eigenen Beurteilung - keineswegs möglich nachzuweisen, ihre Bergführer als Erfüllungsgehilfen hätten uneingeschränkt sorgfältig und in keiner Weise vorwerfbar gehandelt. Ein solcher Nachweis völlig unverschuldeten Zustandekommens des Lawinenunglücks im Sinne eines unvermeidbaren Naturereignisses ist der Bekl. nicht gelungen und kann insbesondere auch nicht auf der Grundlage des von ihr beigebrachten Privatgutachtens des Sachverständigen M als geführt angesehen werden. Ebenso wenig kann dafür ins Feld geführt werden, dass die Feststellungen des Sachverständigen L und die übrigen Beweiserhebungen im Strafverfahren gegen die drei österreichischen Bergführer vor dem LG Innsbruck zu einem rechtskräftigen Freispruch geführt haben.
c) Vielmehr ist es in diesem Zusammenhang für die Beurteilung eines nicht geführten Entlastungsbeweises seitens der Bekl. ausreichend, von der jedenfalls zu bejahenden Möglichkeit auszugehen, dass vorwerfbare Fehleinschätzungen und unsorgfältige Handlungsweisen der Bergführer mit zu dem Unfall beigetragen haben können. In diesem Zusammenhang ist der zwischen den Parteien letztlich unstreitige Umstand hervorzuheben, dass mit nur geringfügig größerem Zeitaufwand von zusätzlich fünf bis zehn Minuten der Umweg über den Talboden beim Wiederaufstieg zur Jamtalhütte anstelle der Querung des Lawinenhangs möglich gewesen wäre, wobei hier die Feststellung genügt, dass dadurch aller Voraussicht nach - wenn nicht sicher - das Unglück vermieden worden wäre. Auch die Einhaltung von Entlastungsabständen hätte möglicherweise - wobei diese Feststellung in dem hiesigen Zusammenhang ausreicht - ebenfalls das Unglück vermeiden können. So wird die Einhaltung von Entlastungsabständen unter dem Stichwort „gestaffeltes Gehen“ u.a. nunmehr in den eigenen verbindlichen Standards der Bekl. gefordert. Gleiches gilt für das Einholen des Lawinenlageberichts, dessen genaue Kenntnis auch in den Einzelheiten der Bergführer möglicherweise von der Durchführung dieser Tour abgehalten hätte. Vor allem wäre das Unglück vermieden worden, wenn die Bergführer die jetzt aufgestellten verbindlichen Standards befolgt hätten, wonach bei Lawinenwarnstufe drei nur Hänge mit weniger als 40 Grad und bei Lawinenstufe vier nur Hänge mit weniger als 30 Grad Neigung begangen werden dürfen.
Nochmals hervorzuheben ist, dass in diesem Zusammenhang der vertraglichen Haftung die Feststellung genügt, dass aus den vorgenannten Gründen eine pflichtwidrige Vorgehensweise der Bergführer der Bekl., für deren Verhalten die Bekl. gem. § 278 BGB einzustehen hat, in Betracht kommt und sich die Bekl. in zusammenfassender Würdigung aller Umstände nicht durch den Nachweis etwa vollständig pflichtgemäßen Handelns ihrer Bergführer zu entlasten vermag.
Auch unter Berücksichtigung des nachstehend unter Nr. II näher dargelegten Organisationsverschuldens der Bekl. ist der Entlastungsbeweis nicht als geführt anzusehen.
Für die materielle Begründetheit des Feststellungsantrags ist die Wahrscheinlichkeit einer Schadensentstehung (hier: Verdienstausfall) ausreichend (BGH, NJW 1991, 2707).
Diese ist hier zu bejahen. Die Bekl. kann nicht bestreiten, dass die bei dem Lawinenunglück verschüttete Kl., die z.B. unstreitig auch am Folgetag zur Behandlung ihrer Verletzungen ausgeflogen werden musste, jedenfalls gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hat. Der Senat versteht das Bestreiten der Verletzungen mit Nichtwissen so, dass lediglich der Umfang der Verletzungen streitig ist. Insoweit ist jedenfalls - für den Feststellungsantrag ausreichend - mit Einkommenseinbußen der berufstätigen Kl. zu rechnen.
7. Aus den vorgenannten Gründen steht der Kl. auch ein Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651f II BGB zu. Da bei den hier gegebenen schwerwiegenden Folgen für die Kl. nicht von einem Rest-Erholungswert auch nur der bis dahin ohne Beeinträchtigung verlaufenen ersten zwei Tage der gebuchten Reise gesprochen werden kann, hält es der Senat für angemessen, die Entschädigung an der gesamten Reisedauer zu orientieren, ferner erscheint es vorliegend sachgerecht, die Entschädigung in Höhe des gezahlten Reisepreises (1314,02 Euro = 2570 DM) zu bemessen. Der Orientierung der angemessenen Entschädigung am Reisepreis gegenüber derjenigen an den Einkommensverhältnissen des Reisenden, die ebenfalls vertreten wird, ist nach Ansicht des Senats der Vorzug zu geben.
8. Die Bekl. hat in zulässiger Weise in Nr. 10 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die vertragliche Haftung für Nichtkörperschäden auf den dreifachen Reisepreis beschränkt (§ 651h I BGB). Diese Haftungsbeschränkung kommt vorliegend noch nicht zum Tragen. Die Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit bemisst sich nur in Höhe des einfachen Reisepreises, hinsichtlich des Verdienstausfallschadens handelt es sich lediglich um einen Feststellungsantrag, bei dem sich die Haftungsbeschränkung noch nicht auswirkt.
II. Haftung der Bekl. aus unerlaubter Handlung wegen Organisationsverschuldens gem. §§ 823 I , 844 II , 847 I BGB.
- Berufungsanträge Nr. II (Schmerzensgeld), Nr. III (Unterhaltsausfallschaden) sowie teilweise Nr. V (künftiger immaterieller Schaden) -
1. Soweit es sich um Feststellungsanträge der Kl. handelt (Nr. III) und Nr. V) ist aus den schon o.a. Gründen das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen.
2. Neben der vertraglichen Haftung ist auch die Haftung der Bekl. auf Leistung von Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gem. § 823 I BGB gegeben.
Der Reiseveranstalter verspricht eine bestimmte Gestaltung der Reise. Er vermittelt nicht nur Fremdleistungen, sondern übernimmt selbst die Haftung für den Erfolg der Reise, soweit dieser von seinen Leistungen abhängt (BGHZ 130, 128 = NJW 1995, 2629; BGH, NJW 2000, 1189). Er erbringt dabei, u.a. in der Bündelung der einzelnen Leistungen zu einem Gesamtpaket, insbesondere auch eine Organisationsleistung. Ihn treffen nach ständiger Rechtsprechung neben den gegenüber seinen Kunden vertraglich übernommenen Pflichten auch deliktische Verkehrspflichten zum Schutz der Kunden vor Gefahren, die auf der Reise entstehen können. Dies folgt aus der vom Reiseveranstalter beruflich gegenüber dem Kunden übernommenen Pflichtenstellung; die gewerblichen Berufspflichten begründen und begrenzen zugleich deliktische Verkehrspflichten. Der Reiseveranstalter hat dabei die Sicherheit seiner Kunden auch bei Einschaltung selbstständiger Leistungsträger in eigener Verantwortung zu gewährleisten (BGHZ 103, 298 [306] = NJW 1988, 1380; Staudinger, BGB, 13. Bearb., § 823 Rdnr. E 384). Dabei ist Grund für die deliktischen Verkehrspflichten des Reiseveranstalters auch das Vertrauen der Reisekunden in die Organisation und Überwachung der Reiseleistungen durch den Reiseveranstalter (BGHZ 103, 298 = NJW 1988 ,1380, Staudinger, § 823 Rdnr. E 384, OLG München, RRa 1995, 204).
3. a) In diesem Zusammenhang hat der BGH bereits im Jahre 1988 durch das so genannte „Balkonsturzurteil“ (BGHZ 103, 298 = NJW 1988, 1380) eine eigene gewerbliche Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen konstatiert, die sich nicht nur auf Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals und eigener Transportmittel erstrecke, sondern auch auf Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger, so der Vertragshotels. Nehme der Reiseveranstalter ein Hotel als Leistungsträger unter Vertrag, so müsse er sich zuvor vergewissern, dass es nicht nur den gewünschten und angebotenen Komfort, sondern auch ausreichenden Sicherheitsstandard biete. Er sei für die Sicherheit der Hotels und Ferienwohnungen selbst mit verantwortlich und es sei ihm zuzumuten, für die regelmäßige Kontrolle der unter Vertrag genommenen Unterkünfte und Ferieneinrichtungen Personen einzusetzen, die über hinreichende Sachkunde und kritische Sicht verfügten.
b) In jüngster Zeit hat der BGH durch die Entscheidung vom 14. 12. 1999 (BGH, NJW 2000, 1188) einen Schadensersatzanspruch eines Pauschalreisenden wegen eines erlittenen Reitunfalls bei einem Club-Urlaub in Tunesien infolge der Bereitstellung eines unzuverlässigen Reitpferdes grundsätzlich bejaht und ausgeführt, ein Veranstalter von Clubreisen, der umfangreiche Sportmöglichkeiten anbiete, sei nicht nur verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die in der Reisebeschreibung genannten Sportmöglichkeiten überhaupt vorhanden seien. Vielmehr habe er auch dafür einzustehen, dass die zur Ausübung der Sportarten erforderlichen Clubeinrichtungen und Ausstattungen in einer für den Reisenden geeigneten Weise zur Verfügung stünden; sei dies nicht der Fall, liege ein Reisemangel vor. Das BerGer. habe auch zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung und damit zugleich den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch gem. §§ 823 I , 847 I BGB verneint. Gleichzeitig hat der BGH dazu Ausführungen gemacht, für derartige Fälle sei deutsches Recht anzuwenden (BGH, NJW 2000, 1188). Der Reisende dürfe darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles Erforderliche zur erfolgreichen Durchführung der Reise unternehme, entsprechend müsse der Veranstalter auch im Hinblick auf die Einrichtungen des Leistungsträgers die notwendigen und ihm zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, um Schaden von den Reisenden zu wenden. Dazu gehöre insbesondere die Überwachung der Einrichtungen auf die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsstandards (BGH, NJW 2000, 1188).
c) In einer anderen Entscheidung hat das OLG München (RRa 1995, 204) ausgeführt, ein Reiseveranstalter, zu dessen Leistungsangebot ein Wanderführerlehrgang mit Wildwasserschwimmübungen gehöre, sei verpflichtet, den Lehrgangsleiter zu überwachen und anzuweisen, den Fluss auf große Steine hin zu kontrollieren, bevor er die Lehrgangsteilnehmer zu einem Sprung in das Gewässer auffordere.
4. Diese auch vom Senat als zutreffend erachteten Anforderungen belegen, dass das Deliktsrecht heute weit gehend von der Konzeption der unerlaubten Handlung als Verkehrspflichtverletzung und damit als Verstoß gegen ein sozial-ethisch fundiertes Rücksichtsgebot beherrscht wird (Mertens, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 823 Rdnr. 204). Als Typen von Verkehrssicherungspflichten werden dabei unter anderem Obhuts- und Fürsorgepflichten sowie Gefahrenkontrollpflichten, Auswahl- und Aufsichtspflichten und Organisationspflichten herausgestellt (Mertens, in: MünchKomm, § 823 Rdnr. 203). Verkehrspflichten zum Schutze der Besucher von Freizeit- und Sportveranstaltungen sowie Organisations- und Absperrmaßnahmen, Einrichten von Sicherheitszonen, Pistensicherungspflichten usw. sind in diesem Zusammenhang für derartige Veranstalter seit langem anerkannt (Staudinger, § 823 Rdnrn. E 320f.; Mertens, in: MünchKomm, § 823 Rdnrn. 243ff.).
In einer Fülle weiterer Beispiele hat insbesondere der BGH, ebenso die Rechtsprechung der übrigen Obergerichte immer wieder die Haftung für verschiedene Arten von Organisationsverschulden bejaht: So hat der BGH in NJW-RR 1994, 823 = MDR 1994, 776 im Rahmen des Katastrophenschutzes bei Überschwemmungen ein Organisationsverschulden der für den Katastrophenschutz zuständigen Behörde insoweit angenommen, als er die Verpflichtung bejaht hat, Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes, dem Katastrophenschutzaufgaben übertragen worden waren, bezüglich persönlicher und sachlicher Ausstattung zu prüfen. Aus dem Bereich der Arzthaftung hat der BGH in NJW 1991, 1543 = MDR 1991, 603 ein Organisationsverschulden des Krankenhausträgers darin gesehen, dass ein Medikament mit erheblich niedrigeren Risiken für den Patienten nicht rechtzeitig vor der Operation zur Verfügung stand. Die Entscheidung des KG, KG-Report 1999, 384, befasst sich mit Organisationsverschulden im Rahmen des Haftungsfalls für einen Schwimmbadunfall. Die Entscheidung des OLG Dresden, OLG-Report 1999, 330 betrifft die Haftung einer Stadt als Skipistenbetreiberin wegen Nichtvorhandenseins von Fangzäunen u.a., die Entscheidung des OLG Hamm, OLG-Report 2000, 90 bezieht sich ebenfalls auf die Haftung eines Veranstalters aus Organisationsverschulden bei einer Massenveranstaltung.
5. Grund für die deliktischen Verkehrspflichten des Reiseveranstalters ist auch das Vertrauen der Reisekunden in die Organisation und Überwachung der Reiseleistungen durch den Reiseveranstalter (Staudinger, § 823 Rdnr. E 384 u. Hinw. u.a. auf das „Balkonsturzurteil“ des BGH, BGHZ 103, 298 = NJW 1988, 1380). Einer Veranstalterin von speziellen Bergsteiger-Reisen, von Tourenwochen in die Hochregionen der Alpen, gleichzeitig einem Tochterunternehmen des Deutschen Alpenvereins - wie hier , wird dabei ein besonderer Vertrauensvorschuss von Reiseinteressenten entgegengebracht. Dass dies auch auf Seiten der Kl. und ihres Ehemannes der Fall war, hat die Kl., gerade unter Schilderung des Eindrucks, den der o.a. wiedergegebene Kataloginhalt auf sie und ihren Ehemann gemacht hat, überzeugend dargelegt.
Während normalerweise einen Sporttreibenden keine Verantwortung dafür trifft, dass diejenigen, die gemeinsam mit ihm Sport ausüben, ihrerseits die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllen, ist dies bei demjenigen anders zu beurteilen, der eine Veranstalterfunktion ausübt. Eine besondere Verantwortung haben in dieser Hinsicht z.B. auch Sportlehrer im Rahmen ihres Unterrichts, Personen die eine Verantwortung für das Verhalten anderer trifft, die eine Gruppenführerfunktion ausüben oder verantwortliche Leiter eines sportlichen Vorhabens sind, wie z.B. Bergführer (Mertens, in: MünchKomm, § 823 Rdnrn. 325, 326). Der Vertrauensvorschuss, der insoweit der Bekl. kraft ihrer besonderen Erfahrungen, Kenntnisse und ihrer Qualifikation ebenso wie den von ihr eingesetzten speziell geschulten Kräften vom Reiseinteressenten üblicherweise entgegengebracht wurde, musste der Bekl. auch bekannt sein.
6. Diese - nach Ansicht des Senats zutreffenden - Anforderungen zeigen, dass es nicht hinzunehmen ist, wenn die Bekl. argumentiert, sie als Reiseveranstalterin könne bei derartigen Veranstaltungen keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Bergführer nehmen und dies sei nicht geboten, weil den Bergführern die Freiheit der Entscheidung vor Ort zu belassen sei.
Diese Sichtweise verkennt schon, dass es sich bei den Bergführern - jedenfalls im hier gegebenen Fall - um Verrichtungsgehilfen der Bekl. i.S. von § 831 BGB gehandelt hat. Nach der herkömmlichen Definition ist derjenige Verrichtungsgehilfe, dem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Für das Weisungsrecht ist ausreichend, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (Palandt/Sprau, § 831 Rdnr. 6).
Diese Kriterien sind hier als erfüllt anzusehen:
Im Katalog der Bekl. findet sich die Bezeichnung „S-Club-Bergführer“, die den Schluss zulässt, dass es sich um eigene Kräfte der Bekl. handelt. Selbst wenn die Bergführer von der Bekl. nur von Fall zu Fall beauftragt, von dieser aber direkt vergütet werden, wie die Bekl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, unterliegen sie gleichwohl Anweisungen der Bekl. Dies zeigt schon der Umstand, dass die jetzt von der Bekl. eingeführten Sicherheitsstandards unstreitig für deren Bergführer als verbindlich erklärt worden sind, von diesen also zu beachten sind.
Ob die Bekl. - wie die Kl. meint - vorliegend für die Schadenszufügung durch die Bergführer als Verrichtungsgehilfen wegen mangelnder Auswahl bzw. Überwachung haftet, kann jedoch vorliegend dahinstehen.
7. Denn nach der hier vertretenen Auffassung haftet die Bekl. für den durch die Kl. erlittenen Körperschaden unmittelbar aus § 823 I BGB wegen eines Organisationsmangels. Es wäre von Anfang an erforderlich gewesen, sich als Reiseveranstalter nicht auf die Programmgestaltung als solche zu beschränken, sondern ein Sicherheitskonzept und einen Rahmen für die Durchführung einer derartigen Veranstaltung in sicherheitsrelevanter Hinsicht zu erstellen und dazu eine Weisung an die eigenen Bergführer zu erteilen. Das Fehlen jeglicher sicherheitsrelevanter Anordnungen stellt einen Organisationsfehler der Bekl. dar. Das tragische Unglück zeigt, dass es geboten war, die Bergführer nicht in ausschließlich eigener Verantwortung ohne jede Vorgaben und Beachtung von Sicherheitsanforderungen, die die Bekl. als Veranstalterin für erforderlich hielt, Entscheidungen über die Durchführung von Touren bei mindestens erheblicher - wenn nicht starker - Lawinengefahr, Tourenwahl usw. treffen zu lassen. Es ist gerade ein entscheidender Unterschied darin zu sehen, ob ein einzelner Bergsteiger oder eine Gruppe ihrerseits einen Bergführer beauftragt, der dann eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen haben mag oder ob sich - wie hier - weit gehend ungeübte Reiseteilnehmer unter der Ankündigung der Durchführung vermeintlich sicherer Touren einem Spezialreiseveranstalter für Hochgebirgstouren anvertrauen. Im letzteren Fall hat dann auch der Veranstalter durch rechtzeitige Einflussnahme auf seine Bergführer seinerseits für die Beachtung der größtmöglichen Sicherheit zu sorgen. Dies kann nur durch von Anfang an klare Anweisungen an die Bergführer geschehen, die auch dahin lauten müssen, im Zweifelsfall trotz eines Druckes, „etwas bieten zu müssen“, Touren bei ungünstiger Wetterlage, Lawinengefahr und an Hängen mit zu hoher Neigung zu unterlassen. Die jetzige Anordnung der Bekl. zeigt, dass es der Bekl. möglich war, sehr wohl verbindliche Limits, Standards und Verhaltensweisen für ihre Bergführer aufzustellen und dass keine Anhaltspunkte für etwa fehlende Durchsetzbarkeit dieser Anordnungen bestehen. Die Regelung ist als „Risikomanagement, verbindliche Standards im Winter“ überschrieben. Sie enthält unter der Rubrik „tägliche Standards“ als ersten zu beachtenden Punkt: „Lawinenlagebericht einholen“. Als Punkt zwei unter „eigene Beurteilung vor Ort“ ist u.a. angeführt „Formel 3 × 3“ - also ein Hinweis auf die Beachtung der so genannten M-Methode. Als Punkt drei ist angeführt „Vergleich mit Lawinenlagebericht“ (mit Entscheidungskriterien im Einzelnen). Sodann heißt es unter diesem Abschnitt über diese drei Punkte seien die Kunden rechtzeitig zu informieren. In einem weiteren Punkt „Entscheidungsstrategie“ sind Entscheidungshilfen nach der Reduktionsmethode, die wiederum auf M zurückzuführen ist, angeführt. Schließlich heißt es unter „Limits (verbindliche Obergrenzen)“. „Stufe drei erheblich - weniger als 40 Grad in allen Expositionen“ und weiter „Stufe vier groß - weniger als 30 Grad in allen Expositionen“. Unter „generelle Standards“ heißt es z.B. bei „Kommunikation unter den Bergführern“: „Gestaffeltes Gehen (angemessene Abstände einhalten)“.
8. Die Beachtung dieser jetzigen Standards hätte, was auch von der Bekl. nicht ernsthaft in Frage gestellt wird, den folgenschweren Lawinenunfall an der Jamtalhütte verhindert. Abgesehen von den übrigen Versäumnissen der Bergführer, wie Nichteinholen des Lawinenlageberichts am Morgen des 28. 12. 1999 (wobei es nicht ausreichend sein kann, dass allenfalls dem Hüttenwirt der Lawinenlagebericht und höchstens einem der Bergführer die mitgeteilte Gefahrenstufe bekannt gewesen sein mag) und Nichteinhaltung von Entlastungsabständen beim Queren des Lawinenhangs, sind eindeutig die als verbindliche Obergrenzen bezeichneten Limits, nämlich bei Stufe drei (erheblich) nur Hänge von weniger als 40 Grad Neigung und bei Stufe vier (groß) nur solche von weniger als 30 Grad Neigung zu begehen - wie oben dargelegt - nicht beachtet worden.
Der Annahme der Vermeidbarkeit stehen auch nicht die Einschätzungen des Sachverständigen M in dessen durch die Bekl. vorgelegten Privatgutachten entgegen:
a) So kann dahinstehen, ob - wie M meint - die Lawine durch bloße Windeinwirkung selbst ausgelöst worden sein kann. Abgesehen davon, dass es einen äußerst ungewöhnlichen Zufall darstellen würde, wenn die Lawine ausgerechnet in dem Augenblick - durch Wind (der nach Darstellung der Bekl. aber gerade nachgelassen haben soll) - ausgelöst worden sein soll, als die Gruppe den Hang querte, kann die Auslösungsursache letztlich offen bleiben.
Denn bei der gebotenen Nichtbegehung wegen zu hoher Lawinenwarnstufe und zu großer Hangneigung wäre selbst eine Windauslösung folgenlos geblieben.
b) Nicht entgegen steht auch die Einschätzung M, den Bergführern seien keine Sorgfaltsverstöße anzulasten. Wiederum fällt es schwer, diese Beurteilung nachzuvollziehen, was jedoch dahinstehen kann. Denn es handelt sich insoweit um Rechtsfragen, die der Senat selbst zu beurteilen hat.
c) Auch die Beurteilung im Privatgutachten, es sei nicht der Lawinenlagebericht für Tirol (Stufe 4 für Silvretta, im Übrigen Stufe 3) zutreffend gewesen, sondern derjenige für das Engadin (Stufe 3) ist einerseits schwer nachvollziehbar, da die Jamtalhütte unstreitig im Tiroler Silvrettagebiet liegt, andererseits nicht ausschlaggebend. Nach der hier vertretenen Ansicht kommt es nur darauf an, dass die Lawinenwarnstufe als solche als objektive Größe in einem amtlichen Lawinenlagebericht ausgegeben wird. Dies muss die Bergführer veranlassen, eine eigene abweichende Einschätzung nur in einem begründeten Ausnahmefall vorzunehmen und jedenfalls zu Gunsten der Sicherheit vorsichtshalber die höhere von zwei denkbaren Warnstufen zu beachten. Im gleichen Sinne hätte eine Anweisung der Bekl. an ihre Bergführer ergehen müssen. Dahingehend versteht der Senat auch die nunmehr verbindlichen Standards, d.h., dass die Bekl. jedenfalls nunmehr diese vorsichtigere Handhabung - im Zweifelsfall die höhere Warnstufe zu beachten - anordnet.
Letztlich schlussfolgert insbesondere auch M in seinem Privatgutachten S. 4 unten, es gebe für ihn „überhaupt keine Zweifel“, dass man „solche Unfälle vermeiden könnte“, wenn man „den längst fälligen Paradigmenwechsel in der Lawinenkunde endlich vollziehen würde“.
9. Die Nichtbeachtung der vorgenannten Sicherheitsstandards hat auch zu der weiter oben dargelegten Körper- und Gesundheitsverletzung der Kl. und zum Tod ihres Ehemannes geführt.
10. Die Bekl. muss sich auch entgegenhalten lassen, dass der Organisationsmangel, nicht rechtzeitig verbindliche Sicherheitsstandards gegenüber ihren Bergführern aufgestellt und für deren Beachtung gesorgt zu haben, ein fahrlässiges Fehlverhalten ihrerseits, mithin ein Organisationsverschulden, darstellt.
a) Der nach wie vor - trotz Einführung ihrer eigenen Sicherheitsstandards - von der Bekl. eingenommene Standpunkt, letztlich könnten nur die Bergführer verbindlich vor Ort Entscheidungen treffen, wurde und wird den an die Durchführung einer Pauschalreise in Form geführter Skitouren im Hochgebirge mit nicht professionellen Teilnehmern einer Freizeitveranstaltung zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Das Vertrauen dieser Reiseteilnehmer auf sicherheitsbewusste fachliche Führung im Hochgebirge erfordert den Verzicht auf riskante Aufstiege und Hangquerung bei sich deutlich abzeichnender Lawinengefahr. Derartige Grundentscheidungen für die Sicherheit aller Teilnehmer und gegen das Risiko unbeherrschbarer Gefahrenlagen kann nur der für die Durchführung der Reise verantwortliche Reiseveranstalter selbst treffen, indem er ein Sicherheitskonzept entwickelt, Standards setzt und klare Anweisungen trifft. Dazu gehört im Zweifelsfall zu Gunsten der Sicherheit auch die Anweisung stets Lawinenlageberichte einzuholen, bei unterschiedlicher Lawinenwarnstufe (hier: Stufe drei und Stufe vier) benachbarter Lawinenwarndienste den für die jeweilige Region etwa auch in Frage kommenden höheren Gefahrengrad in die Entscheidung einzubeziehen. Ferner gehört die Kontrolle über die Einhaltung derartiger Standards zu den Organisationspflichten des Veranstalters.
b) Entgegen der Sichtweise der Bekl. wird die Delegation dieser Verantwortung auf den/die Bergführer weder den tatsächlichen noch den rechtlichen Gegebenheiten und Anforderungen gerecht. Der Bekl. ist einzuräumen, dass möglicherweise erst das Lawinenunglück an der Jamtalhütte die Tragweite und Problematik dieser Verantwortung in vollem Umfang aufgezeigt hat. Auch wenn sich die Bekl. in Konsequenz dieses Unglücks nunmehr darum bemüht hat, verbindliche Standards zur Verbesserung der Sicherheit der Reiseteilnehmer aufzustellen und umzusetzen und dieses Bemühen anzuerkennen ist, vermag es die Bekl. umgekehrt nicht zu entlasten.
Bei Beachtung der gebotenen und erforderlichen Sorgfalt hätte die Bekl. vielmehr auch ohne dieses Unglück rechtzeitig erkennen können, dass das Fehlen jeglicher Anordnung von zu beachtenden Sicherheitsstandards eine Sicherheitslücke für die ihr anvertrauten Reiseteilnehmer bedeutete.
In diesem Zusammenhang hat es an mahnenden Hinweisen gerade auch vom schweizerischen Lawinenexperten M, die unbestritten der Bekl. zur Kenntnis gelangt sind, nicht gefehlt. M hat als anerkannter Lawinenexperte unstreitig bereits Jahre vor dem hier eingetretenen Lawinenunglück den „längst fälligen Paradigmenwechsel“ in der Lawinenkunde gefordert und immer wieder darauf hingewiesen, der Mensch in seiner Unzulänglichkeit unterliege subjektiven Fehleinschätzungen. Hierzu hat auch die Expertenrunde „Wahrnehmungsfehler beim einzelnen Bergführer“ zusammengefasst, die als solche auch schon vor dem Unfall zumindest erkennbar gewesen sein müssen. Insoweit hat der Lawinenexperte L den konkreten Unfallhang - unter anderem wegen der geringen Schneehöhe - als Falle bezeichnet. Infolge dessen hat gerade M objektivierte Standards, orientiert an Lawinenwarnstufen und Hangneigungen und weit gehend losgelöst von subjektiven Einschätzungen, gefordert. Seine Reduktionsmethode schlägt ein probabilistisches - d.h. wahrscheinlichkeitsorientiertes - Entscheidungskonzept vor und beinhaltet eine Risikoformel, die Auskunft über das verbleibende Restrisiko geben soll.
Er verweist darauf, dass dem linearen Anstieg der Gefahrenstufen ein exponentieller Anstieg des Gefahrenpotentials zuzuordnen ist (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme von L).
c) Die Bekl. kann sich nicht darauf berufen, die Methoden nach M („Reduktionsmethode“, „3 × 3“) seien zum Unfallzeitpunkt und bis heute noch nicht anerkannte Lehrmeinung, weder in Deutschland noch in Österreich. Darauf kann es nicht ankommen, weswegen zu dieser zwischen den Parteien streitigen Frage auch nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war. Nach Auffassung des Senats müssen vielmehr bereits in Fachkreisen ernsthaft diskutierte Auffassungen, wonach geänderte Sicherheitsstandards notwendig seien, für einen Spezialveranstalter von Hochgebirgstouren mit weit gehend ungeübten Reiseteilnehmern Veranlassung sein, derartig ernsthaft vertretene Auffassungen bereits in seine Sicherheitsüberlegungen und -vorkehrungen rechtzeitig einzubeziehen und in Konsequenz daraus derartige Anforderungen, wenn es um so weit reichende Sicherheitsfragen geht, bereits vorsorglich zu beachten. Es liegt auch ein gewisser Widerspruch darin, wenn die Bekl. unstreitig einerseits zwei der beteiligten österreichischen Bergführer bereits Jahre vor dem Unfall in der M-Methode hat unterrichten lassen und auf der anderen Seite dessen Hinweise und Warnungen ihrerseits nicht umgesetzt hat.
d) Die Bekl. vermochte auch nicht vorzutragen, dass sich etwa erst in den nur neun Monaten zwischen dem Unfall und der Festsetzung der neuen Standards neue Erkenntnisse ergeben hätten außer der - erst durch den Unfall gewachsenen - Überzeugung, es sei erforderlich, allgemeingültige Standards/Limits zur besseren Bewältigung der Lawinengefahr bei derartigen Pauschalreiseveranstaltungen aufzustellen. Bei der gebotenen und zu fordernden Sorgfalt wäre diese Erkenntnis schon vor dem Unfall möglich und umsetzbar gewesen.
e) Schließlich kann sich die Bekl. auch nicht auf den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr berufen. Der Hinweis, die Bergbesteigungen erfolgten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko, es sei zu beachten, dass gerade im Bergsport ein erhöhtes Unfallrisiko, u.a. durch Lawinen, bestehe, das auch durch umsichtige und fürsorgliche Betreuung der vom S Club eingesetzten Bergführer nicht vollkommen reduziert und ausgeschlossen werden könne, schließt die Haftung nicht aus. Mindestens bei der hier gegebenen Ankündigung der Durchführung sicherer Touren kann sich ein Reiseveranstalter auf einen Haftungsausschluss nicht berufen. Eine Haftungsbeschränkung, etwa wie sie § 651h BGB für den Bereich der vertraglichen Haftung ermöglicht, ist im Bereich der deliktischen Haftung unzulässig. Ein stillschweigender Haftungsausschluss oder ein Handeln auf eigene Gefahr ist schon in der Teilnahme an einem parallel von mehreren ausgeübten Sport grundsätzlich nicht zu sehen. Ausnahmen gelten lediglich bei besonders gefährlichen Sportarten, wie etwa Autorennen, desgleichen allenfalls, wenn sich z.B. eine Gruppe gemeinsam zu einem bestimmten Verhalten entschließt (Wahl einer Aufstiegsroute, Antritt einer Nachtwanderung), das in Anbetracht der Umstände als gefährlich angesehen werden muss, wenn in dem gemeinsamen Verhalten aller Gruppenmitglieder ein fahrlässiger Verstoß gegen Sorgfaltspflichten zu sehen ist (Mertens, in: MünchKomm, § 823 Rdnr. 327).
Diese Maßstäbe sind von den bei einer geführten Tour im Rahmen einer Reiseveranstaltung anzulegenden deutlich zu unterscheiden. Unstreitig haben die Bergführer die Gruppenmitglieder weder in ihre Entscheidungen einbezogen noch über wesentliche Kriterien der Entscheidungsfindung, wie z.B. die Lawinenwarnstufe, überhaupt informiert. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass nach den eigenen neuen Standards die Information aller Teilnehmer über die wichtigsten Entscheidungsgrundlagen der Durchführung einer Tour, z.B. den Lawinenlagebericht, jetzt allgemein verbindlich verankert ist. Die Bekl. muss sich entgegenhalten lassen, dass gerade auch das Unterlassen dieser wichtigen Informationen gegenüber den Gruppenteilnehmern ebenfalls ein schuldhaftes Organisationsverschulden darstellt. Der Reiseveranstalter ist - was bereits dargelegt wurde - zu weitestgehend möglicher Information des Kunden über die Umstände der Durchführung der Reise, die Verhältnisse am Urlaubsort u.a., z.B. auf der Grundlage der Informationsverordnung vom 14. 11. 1994, vertraglich verpflichtet. Insoweit hätte der Bekl. noch vor dem Unfallereignis und vor Einführung ihrer verbindlichen Standards auf Grund der lange Jahre zuvor gültigen Gesetzeslage bewusst sein müssen, dass sie zu umfassender Information ihrer Kunden verpflichtet ist - wozu auch die Bekanntgabe des Lawinenlageberichts, jedenfalls dann, wenn dieser höhere Gefährdungsstufen aufweist, gehören musste. Auch in diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass die Bekanntgabe mindestens der Lawinenwarnstufe vier (starke Lawinengefahr) einzelne Teilnehmer angesichts dieser Gefährdung von der Durchführung einer Tour abgehalten hätte und dass dies auch bei der Kl. und ihrem Ehemann, wofür nach den hier gegebenen Umständen eine Vermutung spricht, die die Bekl. entkräften müsste, der Fall gewesen wäre. Ein Mitverschulden der Kl. und ihres Mannes (§ 254 BGB) ist zu verneinen, weil beide auf die Sachkunde der Bekl. vertrauen durften.
11. Der Senat erachtet auch in Abwägung der Zumutbarkeitsgrenze diese verschärften Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Reiseveranstalters als eigene Verpflichtung gegenüber dem Reiseteilnehmer als zutreffend. Es wurde aufgezeigt, dass zum einen eine stete Verbesserung der gesetzlichen Absicherung des Reisekunden festzustellen ist (Einführung der Informationsverordnung von 1994; Beweislastumkehr zu Lasten des Reiseveranstalters in § 651f I BGB; Absicherung gegenüber dem Insolvenzrisiko des Reiseveranstalters u.a.). Zum anderen hat die Rechtsprechung - wie dargelegt wurde - auch im Bereich der Deliktshaftung kontinuierlich gestiegene Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht und damit Organisationspflicht des Reiseveranstalters gesetzt.
Auch die Teilnahme an Hochgebirgstouren im Winter im Rahmen einer organisierten Pauschalreise kann vor diesem Hintergrund nicht dazu führen, dass sich der Veranstalter von seiner Verantwortung freizeichnen oder diese auf die Bergführer delegieren kann. Die Hinweise auf die allgemeinen Gefahren derartiger Tourendurchführungen im Winter und im Hochgebirge sind zwar zutreffend und müssen Anlass für jeden Reiseteilnehmer sein, sich der gesteigerten Gefahren bewusst zu sein und sein allgemeines Verhalten darauf einzurichten. Zu einem Haftungsausschluss oder zu einer Haftungsbeschränkung kann dies aber unter den hier vorliegenden Umständen nicht führen, wie ausgeführt wurde. Zumindest ein Reiseteilnehmer wie die Kl., die keine professionelle Bergsteigerin ist, vertraut sich vielmehr bewusst der höheren Sachkunde, Erfahrung und Besonnenheit eines Spezialveranstalters und dessen Fachkräften an. Die hier durch den Prospekt erweckte Erwartung und das entgegengebrachte Vertrauen geht dabei dahin, zwar erlebnisreiche, aber nach menschlicher Vorsorge möglichst sichere Tage auf einer Hütte im Hochgebirge zu erleben. Soweit - wie hier - beherrschbare Organisationsformen, Standards, Entscheidungen über Routenwahl bei bestimmten Stufen der Lawinengefährdung und Informationsverpflichtungen betroffen sind, muss den Reiseveranstalter eine Verantwortung treffen, ohne dass deswegen die Anforderungen an ihn als überspannt angesehen werden könnten.
Hier geht es gerade nicht um ein bloßes schicksalshaftes Naturereignis und dessen - auch bei Beachtung von Sorgfaltspflichten - zumeist fehlende Beherrschbarkeit, sondern um sehr wohl zu fordernde Vorsorge- und Organisationsmaßnahmen. Damit ist auch nicht - wie die Bekl. meint - das bergsportimmanente Restrisiko betroffen, das dem Reiseveranstalter keineswegs überbürdet werden soll. Vielmehr ist seine Einstandspflicht zu bejahen für denjenigen Bereich der Durchführung einer Pauschalreise, den er - wie hier - durch Vorsorge, Organisation und Sorgfalt im Sinne eines ihm nicht zu ersparenden Sicherheitsstandards, wie er gegenüber jedem Veranstalter zu fordern ist, beeinflussen kann.
Die täglichen Anrufe des stellvertretenden Geschäftsführers der Bekl. auf der Jamtalhütte zeigen, dass der Bekl. - unabhängig von der hier lediglich geforderten generellen Anweisung - sogar ein laufendes Kontakthalten möglich war. Dann hätte es aber erst recht nahe gelegen, die Bergführer - statt lediglich, wie geschehen, den Hüttenwirt - zu konsultieren und ihnen Anweisungen zu geben.
Die geforderten Maßnahmen sind - wie deren jetzige Umsetzung belegt, auch nicht etwa aus finanziellen oder sonstigen Gründen unzumutbar.
12. Gem. § 847 BGB i.V. mit § 823 I BGB ist der Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (Nr. 2 des Klage- und Berufungsantrages) dem Grunde nach gegeben.
Es wurde ausgeführt, dass eine Körperverletzung der Kl. angesichts der im Übrigen unstreitigen Umstände jedenfalls vorliegt, wenngleich die Einzelheiten und der Umfang der erlittenen Verletzungen zwischen den Parteien streitig sind. Zumindest ist die Tatsache der erlittenen Körperverletzung seitens der Bekl. nicht substanziiert bestritten.
Der Senat erachtet es als zweckmäßig, insoweit vorab über den Grund des Anspruchs zu entscheiden (§ 304 ZPO). Es steht zu erwarten, dass - nachdem die übrigen Anträge der Kl. entscheidungsreif sind, und ebenfalls angesichts des Streits über den Grund und den Betrag des Schmerzensgeldanspruchs auch hier der Streit über den Grund entscheidungsreif ist - eine einheitliche, weit gehende Klärung des Rechtsstreits der Parteien, sei es im weiteren Rechtszuge, eintreten kann. Gegebenenfalls ist die spätere Durchführung des Betragsverfahrens entbehrlich. Jedenfalls würde die jetzige Durchführung sonst notwendiger Abklärungen zum Umfang der erlittenen Verletzungen, etwa durch Sachverständigengutachten, die jetzt schon mögliche Vorklärung der Rechtsbeziehungen der Parteien unnötig verzögern.
Gleichermaßen ist der Anspruch der Kl.gem. Nr. III des Berufungsantrags im Hinblick auf die Feststellung der Verpflichtung der Bekl. zur Leistung von Schadensersatz wegen künftigen immateriellen Schadens aus diesen Gründen gegeben; das Feststellungsinteresse der Kl. ist auch in diesem Zusammenhang zu bejahen. Zur Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gilt das oben Ausgeführte.
13. Schließlich steht der Kl.gem. § 844 II BGB i.V. mit § 823 I BGB ein Anspruch auf Zahlung des Unterhaltsausfallschadens wegen der Tötung des Ehemanns S, der unstreitig bei dem Lawinenunglück getötet worden ist, zu.
Soweit die Klage auf Leistung einer Schadensrente noch nicht erhoben werden kann, weil die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten noch nicht absehbar oder eine Bezifferung der Rente noch nicht möglich ist, hat die Kl. ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Ersatzpflichtigkeit des Schädigers (Mertens, in: MünchKomm, § 844 Rdnr. 65). Gleichermaßen kann Feststellungsklage bereits dann erhoben werden, wenn nach den Umständen die Möglichkeit nicht ganz fern liegt, dass sich eines Tages die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs gegen den Getöteten realisiert hätten; die Feststellung bezieht sich darauf, dass der Schädiger zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist, wenn Verhältnisse eintreten, unter denen der Getötete dem Kl. unterhaltspflichtig geworden wäre (§ 844 Rdnr. 20).
Ersatzberechtigt gem. § 844 II BGB sind diejenigen Personen, denen der Getötete kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder - im Fall seines Fortlebens - hätte unterhaltspflichtig werden können; zu dem Kreis der Ersatzberechtigten gehören u.a. Ehegatten (§ 1360 S. 1 BGB). Für den hier von der Kl. geforderten Familienunterhalt nach §§ 1360 , 1360a BGB kommt es auf die Bedürftigkeit nicht an, da § 1602 BGB in § 1360a BGB nicht erwähnt wird (MünchKomm, § 844 Rdnr. 19). Bei der nach den substanziierten Darlegungen der Kl. gegebenen Doppelverdienerehe sind die Ehegatten einander jeweils in Höhe der Hälfte des nach Abzug des Fixkostenanteils verfügbaren eigenen Einkommens unterhaltspflichtig, wobei hinzukommt der Wert der Haushaltsführung entsprechend den beiderseitig geschuldeten Beiträgen. Der Unterhaltsschaden des überlebenden Ehegatten besteht somit in dem vom getöteten Ehegatten ihm zu leistenden Barunterhalt und dem Wert der entfallenen Mitarbeit des Getöteten im Haushalt zuzüglich der auf den Getöteten anteilig entfallenden fixen Kosten. Davon abzusetzen ist der vom Überlebenden ersparte Unterhaltsbeitrag an den Getöteten (§ 844 Rdnr. 50). Die Kl. hat im Einzelnen u.a. unter Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1998 dargelegt, dass das verfügbare Bruttoeinkommen des Ehemannes im Jahre 1998 … DM und ihr eigenes Bruttoeinkommen … DM betragen habe. Es sei ein den Eheleuten verfügbares Nettoeinkommen von durchschnittlich jährlich … DM verblieben. Durch den Unfalltod ihres Ehemannes sei u.a. das Einkommen aus der von diesem betriebenen GmbH entfallen. Sie könne die Höhe des ihr entgangenen Unterhalts noch nicht endgültig beziffern. Diese Darlegungen reichen aus, im oben beschriebenen Sinne ein Feststellungsinteresse an dem jedenfalls in Betracht kommenden Anspruch auf Ausgleich des Unterhaltsausfallschadens als gegeben zu erachten und gleichermaßen die Wahrscheinlichkeit eines Anspruches auf Ersatz des Unterhaltsschadens. Dem Grunde nach ist ein derartiger Anspruch gegeben.