Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen

Ungarn
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Besteht ein eigenes Verfahren für Bagatellsachen?

Außer dem Verfahren, das in der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen geregelt ist (die nicht in der Verordnung geregelten Fragen werden in den §§ 598-602 des Gesetzes CXXX von 2016 über die Zivilprozessordnung behandelt), besteht nach geltendem ungarischen Recht seit dem 1. Januar 2018 kein besonderes Verfahren für geringfügige Forderungen. Davor galt das Gesetz III von 1952 über die Zivilprozessordnung. in dem ein Verfahren für Bagatellsachen vorgesehen war; dieses Gesetz wurde jedoch mit Wirkung vom 1. Januar 2018 durch das Gesetz CXXX von 2016 über die Zivilprozessordnung aufgehoben. Dies bedeutet, dass im ungarischen Zivilverfahrensrecht seit dem 1. Januar 2018 keine besonderen Vorschriften mehr für geringfügige Forderungen bestehen und dass auch bei der Geltendmachung geringfügiger Forderungen nach den allgemeinen Vorschriften zu verfahren ist. Allerdings ist für Verfahren, die vor dem 1. Januar 2018 eingeleitet wurden, weiterhin das frühere Gesetz III von 1952 über die Zivilprozessordnung maßgeblich. Die nachstehenden Informationen beziehen sich also nur auf die noch laufenden Verfahren, die vor dem 1. Januar 2018 eingeleitet wurden.

1.1 Anwendungsbereich des Verfahrens, Streitwert

Das Verfahren kommt bei Geldforderungen zur Anwendung, wenn der Streitwert 1 Mio. HUF nicht überschreitet und gegen den Erlass eines Zahlungsbefehls Widerspruch eingelegt wurde, oder wenn diese Forderungen grundsätzlich einem Mahnverfahren unterliegen, d. h. wenn

a) der Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls vom Notar abgewiesen wird und der Antragsteller daraufhin zur Durchsetzung der Forderung beim Gericht Klage erhebt;

b) das Mahnverfahren durch eine Entscheidung des Notars eingestellt wird und der Antragsteller daraufhin zur Durchsetzung der Forderung beim Gericht Klage erhebt;

1.2 Anwendung des Verfahrens

Zuständig sind die Amtsgerichte (járásbíróság).

1.3 Vordrucke

Es gibt zwar keinen Vordruck für die Klageschrift, allerdings ist für das vorangehende, in den notariellen Zuständigkeitsbereich fallende Mahnverfahren auf der Website der ungarischen Landesnotarkammer (Magyar Országos Kezjegyzői Kamara) oder in Notarkanzleien ein Vordruck erhältlich.

1.4 Beistand

Natürliche Personen, die aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse außerstande sind, die Prozesskosten zu tragen, können partielle oder vollständige Prozesskostenhilfe beantragen, um ihre Rechte einfacher durchsetzen zu können. Sie können nach dem Gebührengesetz (illetékről szóló törvény) zudem generell oder vorläufig von der Zahlung von Gebühren befreit werden und haben darüber hinaus nach Maßgabe des Gesetzes über die Prozesskostenhilfe (jogi segítségnyújtásról szóló törvény) Anspruch auf einen Rechtsbeistand bzw. Rechtsanwalt, wenn dies zur wirksamen Durchsetzung ihrer Rechte erforderlich ist.

1.5 Vorschriften bei der Beweiserhebung

Kommt es zur Anwendung dieses Verfahrens, nachdem im Zuge des Mahnverfahrens Widerspruch gegen die Forderung eingelegt wurde, so teilt das Gericht dem Beklagten spätestens in der Ladung zur Verhandlung die ausführliche Darstellung des Sachverhalts und die Beweismittel des Klägers mit. Beweisanträge sind spätestens am ersten Verhandlungstag zu stellen. Hiervon ausgenommen sind folgende Fälle: Eine Partei kann ihren Beweisantrag zu einem beliebigen Zeitpunkt des Verfahrens stellen, wenn die Gegenpartei damit einverstanden ist oder wenn sich die Partei darin auf Sachverhalte, Beweismittel bzw. rechtskräftige richterliche oder sonstige behördliche Entscheidungen beruft, die ihr ohne eigenes Verschulden erst nach Fristablauf zur Kenntnis gelangt sind bzw. von deren Rechtskraft sie ohne eigenes Verschulden erst nach Ablauf der Frist erfahren hat, und dies entsprechend nachweist.

Bei Klageänderung oder bei Erheben einer Widerklage kann die betreffende Partei ihren Beweisantrag auch nach erfolgter Klageänderung oder erhobener Widerklage stellen. Wird eine Einrede der Aufrechenbarkeit geltend gemacht, kann der die aufzurechnende Forderung betreffende Beweisantrag gleichzeitig mit der Geltendmachung der Einrede gestellt werden. Beweisanträge, die diesen Bestimmungen zuwiderlaufen, dürfen vom Gericht nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze.

1.6 Schriftliches Verfahren

Das Gericht kann auch eine mündliche Verhandlung durchführen.

1.7 Gestaltung der richterlichen Entscheidung

Für die Gestaltung der richterlichen Entscheidung sind die allgemeinen Vorschriften maßgebend, wobei die Parteien nach dem verfügenden Teil ausdrücklich über die verbindlichen inhaltlichen Bestandteile einer Anfechtung und die sich aus entsprechenden inhaltlichen Mängeln ergebenden Rechtsfolgen zu belehren sind.

1.8 Übernahme der Prozesskosten

Grundsätzlich sind die Verfahrenskosten von der unterlegenen Partei zu tragen.

1.9 Möglichkeit der Anfechtung

Eine Berufung ist nur bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften in der ersten Instanz oder bei falscher Anwendung der Rechtsvorschriften, die der Entscheidung zugrunde liegen, möglich. Für die Berufung gilt entsprechend den allgemeinen Vorschriften, dass sie binnen 15 Tagen nach Zustellung der richterlichen Entscheidung beim Gericht der ersten Instanz einzulegen ist. Über die Berufung entscheidet das zuständige Landgericht.

Letzte Aktualisierung: 15/01/2024

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