Im Bereich der Ziviljustiz kommt für vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleitete und noch anhängige Verfahren weiterhin EU-Recht zur Anwendung. Die Informationen über das Vereinigte Königreich werden im gegenseitigen Einvernehmen bis Ende 2024 über das Europäische Justizportal verfügbar bleiben.

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Nordirland
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Gibt es ein Mahnverfahren?

In Nordirland gibt es kein spezielles Mahnverfahren. Es gibt jedoch ein Verfahren, mit dem der Kläger ein Versäumnisurteil beantragen kann, wenn der Beklagte es versäumt, seine Absicht anzuzeigen, den Anspruch zu bestreiten (Versäumnisurteilsverfahren).

Bei grenzübergreifenden Forderungen innerhalb der Europäischen Union besteht auch die Möglichkeit der Anwendung des europäischen Mahnverfahrens bzw. des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen.

1.1 Anwendungsbereich des Mahnverfahrens

Das Versäumnisurteilsverfahren ist Teil des normalen Zivilverfahrens in Nordirland.

Wenn der Kläger vor dem High Court Klage erhebt, muss der Beklagte die Klage innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung anerkennen, es sei denn, der Beklagte ist nicht in Nordirland wohnhaft, wobei die Frist vom Wohnort des Beklagten abhängig ist. Die jeweils geltende Frist ist auf dem verfahrenseinleitenden Schriftstück vermerkt.

Beim County Court, das für zivilrechtliche Rechnungen und Fälle mit geringem Streitwert zuständig ist, beträgt die Frist 21 Tage. Wenn der Beklagte nicht bestätigt, dass er die Klageschrift erhalten hat, oder nicht anzeigt, dass er sich gegen die Klage zu verteidigen beabsichtigt, kann der Kläger ein Versäumnisurteil beantragen, indem er die dazu erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Geschäftsstelle des Gerichts einreicht.

1.1.1 Auf welche Arten von Ansprüchen ist dieses Verfahren anwendbar (z.B. nur Geldforderungen, nur Ansprüche aus Verträgen usw.)?

In Nordirland kann ein Versäumnisurteil in den folgenden Arten von Fällen erwirkt werden, wobei unter bestimmten Umständen die Erlaubnis des Gerichts eingeholt werden muss:

  • Verbindlichkeiten,
  • Schäden,
  • Sicherstellung von Waren,
  • Rückforderung von Grundstücken.

In anderen Fällen muss bei Gericht ein entsprechender Antrag gestellt werden.

1.1.2 Gibt es einen Höchstbetrag beim Forderungswert?

Beim High Court gibt es keinen Höchstbetrag beim Forderungswert.

Der County Court verfügt über allgemeine Zivilgerichtsbarkeit und kann über Klagen verhandeln und entscheiden, bei denen der Forderungsbetrag oder der Forderungswert bestimmter beweglicher Sachen 30 000 GBP nicht übersteigt.

Das Verfahren für geringfügige Forderungen kann vom County Court für Forderungen von bis zu 3 000 GBP angewendet werden.

1.1.3 Ist die Anwendung dieses Verfahrens fakultativ oder obligatorisch?

Das Versäumnisurteilsverfahren ist Teil des normalen Zivilverfahrens. Es handelt sich nicht um ein gesondertes Verfahren. Es ist dem Gläubiger überlassen, ob er dieses Verfahren in Anspruch nehmen möchte, da ein Versäumnisurteil nicht automatisch erwirkt wird, wenn der Beklagte es versäumt, innerhalb der geltenden Frist auf die Klage zu erwidern.

Zur Erlangung eines Versäumnisurteils muss der Kläger einen entsprechenden Antrag stellen oder Klage einreichen. Alternativ kann der Kläger auf die Geltendmachung seiner Forderung verzichten.

1.1.4 Ist ein solches Verfahren verfügbar, wenn der Antragsgegner in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland wohnhaft ist?

Wenn der Beklagte im Ausland wohnhaft ist, steht dieses Verfahren zur Verfügung, sofern es eine Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und dem betreffenden Land über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen gibt (im Verhältnis zu Drittstaaten gelten entsprechende anderweitige Abkommen).

Der Kläger muss dafür Sorge tragen, dass dem Beklagten die Kopie des Klageformblatts gemäß den Vorschriften, die für die Zustellung von Schriftstücken im Ausland gelten, ordnungsgemäß zugestellt wird.

Versäumt der Beklagte es, auf die Klage zu erwidern, kann der Kläger bei Gericht ein Versäumnisurteil nach dem üblichen Verfahren beantragen.

1.2 Zuständiges Gericht

In Nordirland kann ein Versäumnisurteil von dem Gericht erlangt werden, von dem das Verfahren eingeleitet wurde.

1.3 Formerfordernisse

Zusätzlich dazu, dass der Kläger bei der Einreichung der Klage dafür Sorge tragen muss, dass die Verfahrensschritte ordnungsgemäß eingehalten werden, und dass der Beklagte es versäumt haben muss, fristgerecht auf die Klage zu erwidern, gelten für die Erlangung eines Versäumnisurteils die folgenden Formerfordernisse:

Ein Kläger, der Anspruch auf Erlass eines Versäumnisurteils wegen nicht erfolgter Einlassung oder unterlassener Erwiderung hat, kann beim High Court ein solches Urteil erwirken, indem er bei der zuständigen Geschäftsstelle die folgenden Dokumente einreicht:

Nicht erfolgte Einlassung

  • ursprüngliches Klagebegehren (verfahrenseinleitender Antrag);
  • beeidigte Zustellungserklärung, mit der bestätigt wird, dass das ursprüngliche Klagebegehren zugestellt wurde;
  • beeidigte Erklärung über die Schuldforderung, wenn sich die Forderung auf einen genau bezifferten Betrag bezieht;
  • bei Grundstücksbesitz eine Bescheinigung, dass es sich um gewerbliches Eigentum handelt.

Unterlassene Erwiderung

  • ursprüngliches Klagebegehren (verfahrenseinleitender Antrag);
  • Kopie der Niederschrift der Erwiderung des Beklagten;
  • beeidigte Erklärung über die Schuldforderung, wenn sich die Forderung auf einen genau bezifferten Betrag bezieht, oder Kopie der Klageschrift des Klägers;
  • Bescheinigung der unterlassenen Erwiderung;
  • bei Grundstücksbesitz eine Bescheinigung, dass es sich um gewerbliches Eigentum handelt.

Ein Kläger, der Anspruch auf Erlass eines Versäumnisurteils wegen unterlassener Erwiderung hat, kann beim County Court ein solches Urteil erwirken, indem er bei der zuständigen Geschäftsstelle einen ähnlichen Satz an Dokumenten wie oben genannt einreicht.

Für geringfügige Forderungen gibt es ein spezielles Formblatt zur Beantragung eines Versäumnisurteils (Application for a default decree), welches der Kläger ausfüllen und bei der zuständigen Geschäftsstelle des jeweiligen Gerichts einreichen muss.

1.3.1 Ist die Verwendung eines Vordrucks verbindlich? Wenn ja, wo ist dieser Vordruck erhältlich?

Die Formulare, die für die Einleitung eines Verfahrens verwendet werden sollten, sowie die in anderen Phasen des Verfahrens erforderlichen Formulare finden sich in den folgenden Verfahrensordnungen:

  • Rules of the Court of Judicature (Verfahrensordnung für den Court of Judicature) (Nordirland) aus dem Jahr 1980 (S.R. 1980, Nr. 346);
  • County Court Rules (Verfahrensordnung für den County Court) (Nordirland) aus dem Jahr 1981 (S.R. 1981 Nr. 225).

Diese sind auf der Website des Northern Ireland Courts and Tribunals Service verfügbar.

1.3.2 Ist ein rechtsanwaltlicher Beistand erforderlich?

Nein. Allerdings ist es im Allgemeinen ratsam, sich durch einen Anwalt beraten zu lassen. Die Mitarbeiter der Gerichte sind nicht qualifiziert, Klägern oder Beklagen Rechtsberatung anzubieten.

1.3.3 Sind die Gründe für die Forderung eingehend darzulegen?

Da die Beantragung eines Versäumnisurteils in Nordirland Teil des Zivilverfahrens ist, kann der Kläger ein Versäumnisurteil nach dem üblichen Verfahren beantragen. Der verfahrenseinleitende Schriftsatz muss dabei genaue Angaben zur Forderung enthalten. Zudem muss im Antrag begründet sein, warum ein Versäumnisurteil beantragt wird.

1.3.4 Sind schriftliche Nachweise für die geltend gemachten Ansprüche vorzubringen? Wenn ja, welche Schriftstücke sind als Belege zulässig?

Schriftliche Beweise für die geltend gemachten Ansprüche werden als Teil der Dokumente beigefügt, die dem Gericht vorgelegt werden, wenn ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird.

1.4 Abweisung des Antrags

Wenn der Kläger einen Anspruch gegenüber dem Beklagten für eine Forderung erhebt, deren Höhe gerichtlich festzulegen ist, und der Beklagte seine Absicht zur Verteidigung nicht anzeigt, kann der Kläger ein Urteil beantragen, mit dem festgelegt wird, dass der Betrag vom Gericht festzusetzen ist. In diesen Fällen wird die Höhe der Forderung vom Richter festgesetzt.  Der Richter kann die Höhe des geschuldeten Betrags festlegen oder aber entscheiden, dass von der Forderung nichts geschuldet wird.

Es gibt weitere Fälle, in denen ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt werden muss. Dazu gehören Fälle, in denen für den Beklagten eine andere Gerichtsbarkeit gilt und es sich bei dem Beklagten um einen Staat, die Krone oder eine Person oder Einrichtung handelt, die nicht dem Zivilverfahren unterliegt.

Ein Antrag ist auch dann erforderlich, wenn sich der Anspruch gegen ein Kind oder einen Patienten richtet oder wenn es sich um einen Anspruch eines Ehepartners gegen den anderen wegen Fahrlässigkeit (deliktischer Anspruch) handelt.

1.5 Rechtsbehelf

Der Beklagte kann die Abänderung des Versäumnisurteils (z. B. Herabsetzung des Forderungsbetrags, wenn ein Teil der Forderung vor Erlass des Urteils beglichen wurde) oder die Aufhebung des Versäumnisurteils beantragen.

Hat der Kläger Grund zu der Annahme, dass die maßgeblichen Informationen über die Forderung dem Beklagten vor Erlass des Urteils nicht zugegangen sind, ist er verpflichtet, bei Gericht die Aufhebung des Versäumnisurteils zu beantragen.

1.6 Widerspruch

Wenn der Beklagte die Aufhebung oder Abänderung eines Versäumnisurteils nach dessen Erlass wünscht, muss er bei Gericht unverzüglich einen entsprechenden Antrag stellen.

Das Gericht kann das Versäumnisurteil abändern oder aufheben, wenn es zu der Überzeugung gelangt ist, dass es dafür gute Gründe gibt oder dass der Beklagte hinreichende Chancen hat, sich erfolgreich gegen die Klage zu verteidigen.

1.7 Folgen des Widerspruchs

Reicht der Beklagte fristgerecht eine Klageerwiderung ein, läuft das Verfahren in der üblichen Weise ab.

Wird ein Versäumnisurteil nach erfolgreicher Anfechtung aufgehoben, so muss der Fall womöglich neu aufgerollt werden oder der Beklagte erhält die Möglichkeit, sich gegen die Klage zu verteidigen. Wie das Verfahren durchzuführen ist, wird vom Richter den jeweiligen Umständen entsprechend festgelegt.

1.8 Folgen mangels Widerspruchs

Das Versäumnisurteilsverfahren kann nur dann angewendet werden, wenn der Beklagte es versäumt hat, innerhalb der vorgegebenen Frist eine Klageerwiderung einzureichen oder die Klage anzuerkennen. Erst dann kann der Kläger einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen bzw. eine eventuell zum Erlass eines Versäumnisurteils führende Klage einreichen.

1.8.1 Welche Schritte sind nötig, um einen Vollstreckungsbescheid zu erwirken?

Ein Versäumnisurteil ist eine Entscheidung, die der Kläger gegenüber dem Beklagten vollstrecken kann. Das Verfahren zur Erlangung eines Versäumnisurteils ist in Punkt 1.3 beschrieben.

1.8.2 Ist diese Entscheidung endgültig oder besteht für den Antragsgegner noch die Möglichkeit, dagegen Widerspruch einzulegen?

Wie bereits erwähnt, kann der Beklagte bei Gericht beantragen, dass das Urteil abgeändert oder aufgehoben wird (z. B. dass der Inhalt des Urteils geändert oder das Urteil insgesamt aufgehoben wird).

Das Gericht kann das Urteil abändern oder aufheben, wenn es zu der Überzeugung gelangt, dass verfahrenstechnische Unregelmäßigkeiten gleich welcher Art aufgetreten sind, der Beklagte hinreichende Chancen hat, sich erfolgreich gegen die Klage zu verteidigen, oder dass es für die Abänderung bzw. Aufhebung gute Gründe gibt.

Weiterführende Links

Nähere Informationen zu den Verfahren sind auf der Website des Northern Ireland Courts and Tribunals Service erhältlich.

Unterstützung für Prozessbeteiligte mit Behinderungen

Einige Geschäftsstellen der Gerichte verfügen über designierte Mitarbeiter, die möglicherweise behilflich sein können. Wenn diese nicht helfen können, kann sich der betroffene Prozessbeteiligte unter der Telefonnummer +44 300 200 7812 mit dem Kommunikationsteam des Northern Ireland Courts and Tribunals Service in Verbindung setzen.

Letzte Aktualisierung: 13/08/2021

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