Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Estland
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Allgemeine Informationen (in englischer Sprache) sind auf der Website der Regierung verfügbar.

Die Verfahrensfristen werden von den Gerichten auf Einzelfallbasis verlängert. Die Gerichte werden die Mehrbelastung sowie die zusätzlichen Aufgaben oder Schwierigkeiten berücksichtigen, die den Verfahrensparteien aufgrund der Krise entstehen.

Da bezüglich Fristverlängerungen gesetzlich nichts festgelegt ist, können die Richter zukünftig nach eigenem Ermessen längere Fristen setzen oder bestehende Fristen verlängern.

Um Körperkontakt zu vermeiden und so die Ausbreitung des Coronavirus in Pflegeeinrichtungen zu verhindern, wurden die Bedingungen, zu denen psychisch Kranke in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Anstalt für soziale Vorsorge eingewiesen werden, ausgesetzt bzw. wurde die Dauer ihrer Einweisung aufgehoben, und zwar:

  • im Falle eines verlängerten vorläufigen Schutzes, für die Dauer der Notlage;
  • im Falle einer Einweisung, für die Dauer der Notlage und bis zu zwei Monate nach Beendigung der Notlage.

Dies gilt unbeschadet der Verpflichtung, jede Einweisung und jeden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Einweisung nicht mehr gegeben sind oder wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Einweisung nie erfüllt waren.

Im Bereich des Schuldrechts gibt es derzeit keine grundlegenden Änderungen. Das Justizministerium hat verschiedene rechtliche Optionen analysiert, die bereits im estnischen Recht vorgesehen sind und die in dieser schwierigen Zeit genutzt werden könnten. Der Schwerpunkt lag auf der Bereitstellung von Erläuterungen und der Beantwortung von Auskunftsersuchen. Es wurden auch Vorschläge zur Änderung bestimmter Vorschriften im Bereich des Schuldrechts vorgelegt, diese Diskussion ist jedoch noch im Gange.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Für den Zeitraum vom 12. März 2020 bis 17. Mai 2020 wurde der Notstand ausgerufen.

Es wurden virtuelle Besprechungsräume geschaffen, um die Kapazität des Justizministeriums, der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsanstalten für die Durchführung von Videokonferenzen zu erhöhen. Diese Lösung kann auch für mündliche Anhörungen von Verfahrensbeteiligten genutzt werden. Darüber hinaus wurde die verfügbare Videokonferenzausrüstung verlagert, um der steigenden Nachfrage in Gerichtsgebäuden und Justizvollzugsanstalten gerecht zu werden.

In Bezug auf Gerichtsverfahren gibt es keine Gesetzesänderungen. Der Rat für die Verwaltung der Gerichte hat Empfehlungen ausgesprochen. Die Arbeit der estnischen Gerichte wurde neu organisiert: Die Kanzleien sind von 9 Uhr bis 13 Uhr und die Gerichtsgebäude an Werktagen bis 14 Uhr geöffnet.

Nach Möglichkeit werden die Fälle schriftlich über das Informationssystem der Gerichte und mittels einer Anwendung für digitale Gerichtsakten bearbeitet.

Dringende Anhörungen und dringende Verhandlungen erfolgen mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel. Falls dies nicht möglich ist, entscheidet das Gericht von Fall zu Fall, ob eine Anhörung oder eine Verhandlung im Gericht stattfindet. Folgende Fälle können als dringend eingestuft werden: Unterbringung einer Person in einer geschlossenen Einrichtung; Trennung eines Kindes von seiner Familie; Einrichtung einer Vormundschaft für einen Erwachsenen. In nicht dringenden Fällen kann das Gericht zwar elektronische Kommunikationsmittel (oder jedes andere notwendige Mittel) nutzen, allgemein wird aber empfohlen, dass die Gerichte Anhörungen und/oder Verfahren vertragen.

Nach der Zivilprozessordnung kann das Gericht in außergewöhnlichen und dringenden Fällen im Zusammenhang mit Kindern auch ohne Anhörung des Kindes vorläufige Anordnungen bzw. Schutzanordnungen erlassen. Zahlreiche Richter haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Es wird empfohlen, Verfahrensdokumente vorzugsweise per e-File und E-Mail zuzustellen.

Die Notarkammer hat die Notare ermächtigt, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, etwa den Fernbeurkundungsdienst „e-Notar“ zu nutzen, der die Vornahme notarieller Beurkundungen über eine Videobrücke ermöglicht. Während bis 6. April 2020 nur bestimmte Arten von Beurkundungen aus der Ferne erfolgen konnten (Vollmachten, Verkauf von Anteilen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung u. a.), können ab dem 6. April 2020 nahezu alle Arten von Beurkundungen aus der Ferne vorgenommen werden (die einzigen Ausnahmen sind Eheschließungen und Ehescheidungen). So können auch Immobilienverkäufe und -übertragungen online beurkundet werden. Dies wird auch nach Beendigung der Notlage der Fall sein. Überdies hat die estnische Anwaltskammer ihre Mitglieder zur Fernarbeit und zur Nutzung aller technischen Kommunikationsmittel ermutigt, um weiterhin Rechtsberatung leisten zu können. Sie hat auch betont, wie wichtig es ist, die Wahrung des Anwaltsgeheimnisses zu gewährleisten. Die Anwaltskammer hat ferner hervorgehoben, dass Einschränkungen von Rechten, die aufgrund der Notlage auferlegt werden, gerechtfertigt sein müssen und angefochten werden sollten, wenn dies in einem bestimmten Fall erforderlich ist. Rechtsanwälte müssen sich zudem schnell an Veränderungen in der Arbeitsumgebung anpassen, Flexibilität zeigen und innovativ sein und darüber hinaus sicherstellen, dass die Möglichkeiten für die Beantragung von Fristverlängerungen nicht missbraucht werden.

Des Weiteren hat die Kammer der Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter bekannt gegeben, dass die Arbeit der Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter neu organisiert wurde, um Möglichkeiten der Fernarbeit zu schaffen.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Die estnische Zentralbehörde leistet seit dem 13. März Telearbeit. Die Kommunikation (d. h. die Übermittlung von Mitteilungen und Dokumenten) erfolgt (in Zivilsachen und den meisten Strafsachen) per E-Mail. Falls erforderlich, werden die Originaldokumente nach Beendigung der Notlage per Luftpost zugestellt.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für Schuldner)

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2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

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2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung

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2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

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2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

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2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Die Notwendigkeit weiterer Änderungen im Insolvenzbereich (beispielsweise in Bezug auf Reorganisationspläne), die zur Bewältigung der Krise beitragen könnten, wird derzeit geprüft.

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

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Letzte Aktualisierung: 31/01/2023

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