Im Bereich der Ziviljustiz kommt für vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleitete und noch anhängige Verfahren weiterhin EU-Recht zur Anwendung. Die Informationen über das Vereinigte Königreich werden im gegenseitigen Einvernehmen bis Ende 2024 über das Europäische Justizportal verfügbar bleiben.

Sicherung von Vermögenswerten in der EU

England und Wales
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Welche unterschiedlichen Arten von Maßnahmen gibt es?

In England und Wales sind die Gerichte sowohl nach Teil 25.1 (1) der Zivilprozessordnung als auch nach ihrer originären Zuständigkeit befugt, vorläufige Maßnahmen und/oder Sicherungsmaßnahmen anzuordnen, die – sei es in Bezug auf einen Vermögenswert oder einen Klageanspruch – auf den Schutz der Interessen einer Partei abzielen. Solche Maßnahmen können jederzeit – sogar vor Erhebung der Klage – angeordnet werden. Es handelt sich dabei um billigkeitsrechtliche Abhilfen, da es im Ermessen des Gerichts liegt, solche Maßnahmen anzuordnen. Die Grundsätze für den Erlass solcher Anordnungen wurden in der wegweisenden Rechtssache American Cyanamid Co. vs. Ethicon[1] festgelegt. Gemäß Teil 25.1 (1) kann das Gericht folgende Maßnahmen anordnen:

Einstweilige Verfügungen

Einstweilige Erklärungen

Verfügungen über Vermögensgegenstände zur Ermöglichung des Verkaufs, der Sicherung, Inaugenscheinnahme, Übergabe zur Verwahrung oder von Abschlagszahlungen

Anordnungen zur Ermöglichung des Zugangs zu Grundstücken oder Gebäuden

Anordnungen zur Herausgabe von Gegenständen

Verfügungsverbote oder Anordnungen, durch die eine Partei aufgefordert wird, Angaben zum Belegenheitsort von Vermögensgegenständen zu machen, die Gegenstand des Verfügungsverbots sind.

Durchsuchungsanordnungen

Anordnungen zur Offenlegung von Dokumenten oder zur Inaugenscheinnahme von Vermögenswerten vor Erhebung der Klage – gerichtet an die Gegenpartei oder an eine noch nicht beteiligte Partei

Anordnungen zur vorläufigen Zahlung von Schadenersatz, den das Gericht noch nicht zugesprochen hat

Anordnungen zur Hinterlegung einer Sicherheit bei Gericht bis zum Ausgang des Verfahrens

Anordnungen zur Vorlage der Rechnungslegung

Anordnungen in Bezug auf Verfahren zum Schutz geistigen Eigentums

Auch die Rechtsprechung hat im Rahmen der originären Zuständigkeit der Gerichte einige vorläufige Maßnahmen geschaffen, darunter die Gerichtsanordnung zur Offenlegung von Dokumenten und Informationen (Norwich Pharmacal order) und das Prozessführungsverbot. Im Rahmen der Norwich Pharmacal Order werden Dritte zur Offenlegung von Informationen über einen Rechtsverletzer verpflichtet, sodass der Kläger daraufhin eine konkrete Klage gegen diesen erheben kann. Oft werden Anordnungen dieser Art in Fällen von Wirtschaftskriminalität eingesetzt. Durch ein Prozessführungsverbot wird verhindert, dass eine Partei im Ausland Klage erhebt, wenn eine solche Klage mutwillig oder missbräuchlich wäre oder die Prinzipien eines ordentlichen Gerichtsverfahrens verletzen würde. Darüber hinaus kann das Gericht eine Erklärung über die Auslegung des Gesetzes oder über eine Vertragsklausel abgeben, die selbst Gegenstand eines Rechtsstreits ist.

Eine Verfügung ist eine gerichtliche Anordnung, die eine Partei dazu verpflichtet, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Hierzu zählt auch die einstweilige Verfügung, die vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens angeordnet wird. Der Kläger hat die Möglichkeit, seine eigene Position im Gerichtsverfahren – sogar vor Einleitung des Verfahrens – zu schützen, indem er eine einstweilige Verfügung beantragt, um den Beklagten daran zu hindern, in einer Weise zu handeln, die dem Kläger schaden wird.

Es gibt darüber hinaus zwei spezifische Arten von Verfügungen, die ein Kläger beantragen kann, wenn die Gefahr besteht, dass der Beklagte Maßnahmen zur Vernichtung von Beweismitteln oder zur Vereitelung eines vom Kläger erwirkten Urteils ergreift: erstens eine Durchsuchungsanordnung und zweitens ein Verfügungsverbot, das es dem Beklagten untersagt, über Vermögenswerte zu verfügen oder sie außer Landes zu bringen.

Bezieht sich die Forderung des Klägers auf einen Geldbetrag (z. B aus einer Verbindlichkeit oder Schadenersatz), kann das Gericht den Beklagten anweisen, eine vorläufige Zahlung in Höhe des Betrags zu leisten, zu dessen Zahlung er letztlich verpflichtet sein könnte, um eine Belastung des Klägers zu vermeiden, falls sich das Urteil verzögert.

Wird die Klage abgewiesen und der Kläger zur Tragung der Kosten verurteilt, besteht für den Beklagten die Gefahr, dass die Kostenentscheidung unter Umständen nicht vollstreckt werden kann. Zum Schutz des Beklagten kann das Gericht in bestimmten Fällen den Kläger zur Leistung einer Sicherheit für die Verfahrenskosten anweisen (in der Regel durch Überweisung eines Geldbetrags an das Gericht).

Der High Court (Oberstes Zivil- und Strafgericht von England und Wales) ist befugt, einstweiligen Rechtsschutz zur Unterstützung eines Verfahrens in einem anderen Land zu erlassen, wenn dies zweckmäßig ist. Er kann außerdem für Vermögenswerte in anderen Ländern ein weltweites Verfügungsverbot (worldwide freezing injunction) erlassen.

[1] [1975] 1504

2 Unter welchen Voraussetzungen können diese Maßnahmen angeordnet werden?

2.1 Beschreibung des Antragsverfahrens und Kosten

Verfügungen (einschließlich Durchsuchungsanordnungen und Verfügungsverbote)

Gemäß Teil 25 ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Gericht zu stellen, das für das Verfahren in der Hauptsache zuständig ist oder sein wird, sobald der Rechtsstreit anhängig ist. Einige Arten von Verfügungen (insbesondere solche mit internationalem Bezug), dürfen nur vom High Court, andere auch vom County Court erlassen werden. Beim High Court können diese im Hauptsacheverfahren oder über die für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuständigen Spruchkörper (interim applications courts) oder deren außerhalb der Öffnungszeiten zuständigen Dienststellen erlassen werden. Bei Verfügungen ist dies oft relevant, um die Presse an der Veröffentlichung einer Story zu hindern oder um Abschiebungen durch das Innenministerium zu stoppen.

Der Antrag muss unter Verwendung des Formulars N244 (Application Notice) gestellt werden, dem das Klageformblatt, eine Zeugenaussage zur Stützung des Antrags, eidesstattliche Erklärungen und die Verfügung im Entwurf beigefügt sind. Der Entwurf der Verfügung muss eine Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz[2] und eine Verpflichtung zur Zustellung des Antrags, der Beweise und jedweder Anordnungen an den oder die Antragsgegner enthalten. Bei einem Ex-parte-Antrag ist dies von entscheidender Bedeutung. Im Falle von Eilverfügungen muss zugesagt werden, die entsprechenden Gebühren so schnell wie möglich zu entrichten; zusätzlich kann eine Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einleitung eines förmlichen Verfahrens erforderlich sein.

Über den Antrag entscheidet ein Richter, der die Verfügung erlässt und dafür sorgt, dass sie versiegelt und an den Antragsteller zurückgeschickt wird. Die Zustellung an die Gegenseite obliegt dem Antragsteller.

Da Durchsuchungsanordnungen sehr stark in die Privatsphäre eingreifen, unterliegen sie besonderen Anforderungen. Sie müssen in der Regel von einem „beaufsichtigenden Rechtsanwalt“ (supervising solicitor) erlassen werden, der mit Durchsuchungsanordnungen vertraut ist und unabhängig von den Rechtsanwälten des Antragstellers handelt. Der beaufsichtigende Rechtsanwalt hat die Aufgabe, dem Antragsgegner die Durchsuchungsanordnung zu erläutern und ihn über sein Recht auf Rechtsberatung zu informieren. Er führt die Durchsuchung durch oder überwacht sie und erstattet den Rechtsanwälten des Antragstellers Bericht. Durchsuchungsanordnungen sind ab dem Zeitpunkt der Zustellung und nach Ablauf einer angemessenen Frist für die Inanspruchnahme von Rechtsberatung wirksam.

Verfügungsverbote hindern eine Partei daran, im Hoheitsgebiet befindliche Vermögenswerte zu entfernen oder über Vermögenswerte zu verfügen, die sich an anderen Orten in der Welt befinden. Sie werden ab dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie erlassen werden; ihre Zustellung ist also von größter Bedeutung.

In beiden Fällen wird die Nichtbefolgung der Verfügung oder Anordnung als Missachtung des Gerichts gewertet.

Vorläufige Zahlungen und Prozesskostensicherheiten

Die Parteien können die Leistung von vorläufigen Zahlungen und Prozesskostensicherheiten vereinbaren. Mangels einer Vereinbarung muss jedoch das Gericht eingeschaltet werden. Dem Antrag an das Gericht müssen schriftliche Beweise beigefügt werden. Der Antrag muss dem Antragsgegner zugestellt werden, der daraufhin gegebenenfalls Gegenbeweise einreichen kann. Erlässt das Gericht die Anordnung, so bestimmt es Art und Höhe der zu leistenden Sicherheit oder Zahlung.

Kosten für die Erwirkung einer Anordnung

Für die Erwirkung einer der oben genannten Anordnungen gibt es keinen festen Kostenrahmen. Bei einem Antrag auf Erlass einer Anordnung fallen jedoch bestimmte Gerichtsgebühren an, die sich in ihrer Höhe danach richten, ob der Antrag mit oder ohne Benachrichtigung des Antragsgegners gestellt wird. Alle Informationen zu den Gebühren sind auf der Website des Justizministeriums (Ministry of Justice) zu finden.

Der Antragsteller ist verpflichtet, für das Honorar seiner Anwälte (und im Fall einer Durchsuchung für das Honorar des beaufsichtigenden Rechtsanwalts) aufzukommen, auch wenn der Antragsgegner letztlich zur Tragung dieser Kosten verurteilt werden kann.

[2] Verpflichtungen sind Zusagen gegenüber dem Gericht. Die Nichterfüllung einer Verpflichtung kann hart bestraft werden.

2.2 Beschreibung der wesentlichen Voraussetzungen für einstweilige Maßnahmen

Wie oben erwähnt, liegen alle in diesem Abschnitt beschriebenen Maßnahmen im Ermessen des Gerichts, und das Gericht wird diese nicht gewähren, wenn es der Ansicht ist, dass sie unter den gegebenen Umständen unangemessen oder unverhältnismäßig wären. Die Gerichte neigen dazu, bei Durchsuchungsanordnungen und Verfügungsverboten größere Vorsicht walten zu lassen, da es sich dabei um besonders einschneidende Maßnahmen handelt.

Einstweilige Verfügungen

Bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung[3] wird das Gericht zunächst prüfen, ob die Klage eine „ernsthafte Streitfrage aufwirft, über die verhandelt werden muss“ (und nicht aus „leichtfertiger oder böswilliger“ Absicht heraus entstanden ist). Sollte letzteres der Fall sein, wird die einstweilige Verfügung abgelehnt.

Falls es sich um eine ernsthafte Streitfrage handelt, die vor Gericht verhandelt werden muss, nimmt das Gericht eine Interessenabwägung (balance of convenience) vor. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, was belastender wäre: die Folgen für den Kläger, wenn keine einstweilige Verfügung erlassen wird, oder die Folgen für den Beklagten, wenn die Verfügung erlassen wird. Bei der Entscheidung über diese Frage prüft das Gericht folgende Punkte in nachstehender Reihenfolge:

  • Wäre die Zuerkennung von Schadenersatz als Maßnahme für den Kläger geeignet, wenn dieser im Hauptsacheverfahren Recht bekäme? Ist Schadenersatz als Abhilfe geeignet, wird der Antrag auf einstweilige Verfügung abgelehnt. Ist Schadenersatz nicht geeignet (z. B. weil der Schaden für den Antragsteller nicht wiedergutzumachen oder immateriell ist), sind die folgenden Fragen zu prüfen.
  • Würde die vom Kläger abgegebene Verpflichtung zur Schadensersatzleistung den Beklagten schützen, sollte dieser den Rechtsstreit gewinnen? Würde die Schadensersatzleistung den Beklagten schützen, spricht dies in der Regel für die einstweilige Verfügung.
  • Halten sich die anderen Faktoren die Waage, wird das Gericht den Status quo beibehalten. Andere soziale oder wirtschaftliche Faktoren können gegebenenfalls berücksichtigt werden (z. B. die Auswirkungen des Erlasses oder der Ablehnung der einstweiligen Verfügung auf das Beschäftigungsverhältnis oder den Zugang zu Arzneimitteln).
  • Als letztes Mittel kann das Gericht die Begründetheit des Parteivorbringens prüfen, jedoch nur dann, wenn eindeutig festgestellt werden kann, dass das Vorbringen der einen Partei deutlich mehr Substanz hat als das der anderen.

Durchsuchungsanordnungen

Eine Durchsuchungsanordnung kann zur Sicherstellung von Beweismitteln oder Vermögenswerten erlassen werden, die für das Gerichtsverfahren relevant sind. Die Bedingungen für die Erwirkung einer Durchsuchungsanordnung sind strenger als bei anderen Arten von Anordnungen. Eine Durchsuchungsanordnung wird erst dann erlassen, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass alle nachstehend aufgeführten Bedingungen vorliegen:

  • Es besteht ein ausgeprägter fumus boni iuris gegen den Beklagten.
  • Die dem Verfahren zugrundeliegenden Handlungen des Beklagten führen zu einer schwerwiegenden tatsächlichen oder potenziellen Schädigung des Klägers.
  • Es liegen eindeutige Beweise dafür vor, dass der Beklagte über belastende Dokumente oder Gegenstände verfügt.
  • Es besteht eine „reale Möglichkeit“ oder „Wahrscheinlichkeit“, dass die betreffenden Dokumente oder Gegenstände bei nicht erfolgter Ausstellung der Anordnung verschwinden.

Verfügungsverbote

Das Gericht ist befugt, ein Verfügungsverbot zu erlassen, wenn dies „angemessen und zweckmäßig“ ist. Ein Verfügungsverbot wird nur dann erlassen, wenn der Kläger nachweislich alle nachstehenden Bedingungen erfüllen kann:

  • Der Kläger hat einen stichhaltigen Klagegrund, für den die Gerichte von England und Wales zuständig sind.
  • Der Kläger kann gegenüber dem Beklagten „gute Gründe“ (good arguable case) geltend machen.
  • Es besteht Grund zu der Annahme, dass der Beklagte über Vermögenswerte im Hoheitsgebiet verfügt.
  • Es besteht eine „konkrete Gefahr“, dass der Beklagte auf eine Weise über die Vermögenswerte verfügt, durch die die Vollstreckung eines Urteils verhindert wird (z. B. durch Veräußerung der Vermögenswerte oder deren Entfernung aus dem Hoheitsgebiet).

Das Gericht wird besondere Vorsicht walten lassen, bevor es Verfügungsverbote zur Unterstützung ausländischer Verfahren erlässt. Dies gilt insbesondere, wenn sich das Verfügungsverbot mit einem Verfügungsverbot des in der Hauptsache entscheidenden ausländischen Gerichts überschneidet, mit diesem im Widerspruch steht oder wenn das ausländische Gericht die Sicherung von Vermögenswerten abgelehnt hat.

Das Gericht erlässt kein weltweit gültiges Verfügungsverbot, wenn der Antragsgegner über ausreichend Vermögenswerte innerhalb des Hoheitsgebiets verfügt. Es muss außerdem prüfen, ob ein weltweit gültiges Verfügungsverbot in den Ländern, in denen der Antragsgegner über Vermögenswerte verfügt, vollstreckt werden könnte.

Norwich Pharmacal Order

Diese durch Richterrecht geschaffene Anordnung verpflichtet den Auskunftspflichtigen dazu, gegenüber dem Kläger bestimmte Dokumente oder Informationen offenzulegen. Die Offenlegung ist bei Anordnungen dieser Art breiter gefasst als bei vorgerichtlichen Offenlegungen oder Offenlegungen durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte, da sie „Informationen“ und nicht nur Dokumente umfasst. Diese Anordnungen können jederzeit während des Verfahrens und sogar nach Urteilsverkündung beantragt werden. Zusätzlich zu den allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen muss – damit eine solche Anordnung erlassen werden kann – ein Unrecht begangen worden sein, und es muss einen Schuldigen geben, gegen den (wenn er bekannt ist) die antragstellende Partei Klage erhebt. Die Anordnung muss erforderlich sein, um Gerechtigkeit zu erlangen, die auf keinem anderen Weg erlangt werden kann. Bei dem Auskunftspflichtigen muss es sich entweder um den Schuldigen handeln oder um eine Person, die mit dem Schuldigen verbunden ist oder mit ihm in Verbindung steht und Informationen über ihn besitzt. Anordnungen dieser Art werden beim High Court beantragt und gelten auch im Ausland. Der Inhalt der Offenlegung kann – abweichend von den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen – in ausländischen Rechtsstreitigkeiten ohne Genehmigung des Gerichts verwendet werden.

Prozessführungsverbot

Es handelt sich dabei um eine Verfügung, mit der dem Antragsgegner die Einleitung eines Verfahrens vor einem ausländischen Gericht untersagt wird. Zusätzlich zu den allgemeinen Billigkeitserwägungen müssen weitere Bedingungen gegeben sein. Zuallererst muss es im Interesse der Rechtspflege geboten sein, das Gerichtsverfahren zu unterbinden. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn ein solches Verfahren mutwillig wäre oder gegen eine Vertragsklausel verstoßen würde (z. B. gegen eine Gerichtsstandsklausel, wonach ausschließlich die Gerichte von England und Wales zuständig sein sollen). Darüber hinaus muss die Absicht bestehen, ein Gericht anzurufen, für das die Brüssel-I-Verordnung nicht gilt. Wäre das Gericht in der Lage, einen Rechtsstreit vor diesen Gerichten zu beenden, würde der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Gerichtssystemen untergraben. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht dann, wenn sich die Angelegenheit auf ein privates Schiedsverfahren bezieht.

Vorläufige Zahlungen

Das Gericht kann den Beklagten nur dann zu einer vorläufigen Zahlung verurteilen, wenn dieser seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger anerkannt hat, wenn bereits ein Urteil zugunsten des Klägers über eine Geldforderung ergangen ist, deren Höhe zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt werden soll, oder wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der Kläger im Verfahren einen „erheblichen Geldbetrag“ (oder bei einem Grundstücksanspruch eine Zahlung für die Nutzung des Grundstücks durch den Beklagten) erhalten wird. Bei Personenschäden kann eine Zahlung nur angeordnet werden, wenn diese von der Versicherung des Beklagten übernommen wird oder es sich bei dem Beklagten um eine öffentliche Einrichtung handelt.

Prozesskostensicherheiten

Das Gericht kann den Kläger zur Leistung einer Sicherheit auffordern, wenn:

  • der Kläger außerhalb der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone (Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) wohnhaft ist und es schwierig wäre, im Wohnsitzland des Klägers einen Kostenfestsetzungsbeschluss zu vollstrecken;
  • es sich bei dem Kläger um eine Gesellschaft oder eine andere juristische Person handelt und Grund zu der Annahme besteht, dass diese nicht in der Lage sein wird, die Kosten des Beklagten zu tragen, wenn sie dazu verurteilt wird (bei der Entscheidung darüber, ob die Leistung einer Sicherheit anzuordnen ist, berücksichtigt das Gericht, ob die unzureichenden finanziellen Mittel des Klägers auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführen sind);
  • der Kläger seine Anschrift geändert hat, um den Folgen des Rechtsstreits zu entgehen oder im Klageformblatt eine falsche Anschrift angeben hat;
  • der Kläger in Bezug auf sein Vermögen Schritte unternommen hat, die die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gegen ihn erschweren.

Das Gericht wird die Leistung einer Prozesskostensicherheit nur dann anordnen, wenn dies unter Berücksichtig aller Umstände gerechtfertigt ist. Es wird prüfen, ob die Sicherheitsleistung nur beantragt wird, um einen tatsächlichen Anspruch niederzuschlagen, und ob eine hinlänglich gute Aussicht auf Erfolg besteht.

Das Gericht ist auch befugt anzuordnen, dass die Sicherheit zu leisten ist von

  • einer nicht am Verfahren beteiligten dritten Person, die die Klage im Gegenzug für einen Anteil am Erlös finanziert oder die das Recht zur Geltendmachung der Klage an den Kläger abgetreten hat, um das Risiko einer Verurteilung zu den Kosten zu vermeiden;
  • einer Prozesspartei, die ohne triftigen Grund gegen die Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

[3] Es handelt es sich um eine Weiterentwicklung und Verfeinerung der Grundsätze des Falles American Cyanamid.

3 Gegenstand und Art dieser Maßnahmen

3.1 Welche Arten von Vermögenswerten können unter diese Maßnahmen fallen?

Einstweilige Verfügungen

Durch eine einstweilige Verfügung kann eine Partei dazu verpflichtet werden, Maßnahmen in Bezug auf Vermögenswerte aller Art zu ergreifen oder zu unterlassen.

Durchsuchungsanordnungen

Eine Durchsuchungsanordnung verpflichtet den Beklagten, den Zutritt zu seinen Räumlichkeiten zu dulden, gibt dem Antragsteller jedoch nicht das Recht, den Zutritt zu erzwingen. In der Anordnung sind die Räumlichkeiten anzugeben, die durchsucht werden dürfen, und die Gegenstände bzw. Dokumente aufzulisten, die die durchsuchenden Personen begutachten, kopieren und mitnehmen können. Die Anordnung darf sich nur auf Beweismittel beziehen, die für das Verfahren relevant sind, oder auf Vermögensgegenstände, die Gegenstand des Verfahrens sein können oder die im Verfahren möglicherweise zur Sprache kommen werden.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, alle in der Anordnung aufgeführten Gegenstände herauszugeben. Wenn relevante Beweismittel auf Rechnern gespeichert sind, muss Zugang zu allen Rechnern in den Räumlichkeiten gewährt werden, damit diese durchsucht werden können. Von allen relevanten Dokumenten müssen Kopien zur Verfügung gestellt werden.

Verfügungsverbote

Das Gericht kann ein Verfügungsverbot für die Vermögenswerte des Antragsgegners erlassen, dem zufolge der Antragsgegner seine inländischen Vermögenswerte bis zu einem bestimmten Wert erhalten muss. Das Gericht kann aber auch Verfügungsverbot nur für bestimmte Vermögenswerte erlassen. Dem Antragsgegner ist es weiterhin gestattet, festgelegte Beträge für seinen Lebensunterhalt sowie für Rechtsberatung und -vertretung auszugeben. Das Verfügungsverbot kann so ausgestaltet sein, dass der Antragsgegner im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs über seine Vermögenswerte verfügen kann.

Das Verfügungsverbot bezieht sich in der Regel auf einen Höchstbetrag (maximum sum order) und gilt für die gesamten Vermögenswerte des Antragsgegners bis zu einem bestimmten Wert. Es umfasst alle Vermögenswerte, über die der Antragsgegner als Eigentümer verfügt einschließlich der Vermögenswerte, die von einem Dritten nach seinen Anweisungen verwahrt oder verwaltet werden.

Ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Verfügungsverbot mit einem festgelegten Höchstbetrag umfasst sämtliche Vermögenswerte (einschließlich beweglicher und unbeweglicher Sachen, Fahrzeuge, Geld und Wertpapiere). Es erstreckt sich auch auf Vermögenswerte, die nach Erlass des Verbots erworben werden. Das Verfügungsverbot kann sich auf bestimmte Immobilien, Gegenstände des Betriebsvermögens und Bankkonten beschränken. Ein gemeinsames Bankkonto wird nur eingefroren, wenn dies im Verfügungsverbot ausdrücklich vorgesehen ist.

3.2 Welche Wirkungen haben diese Maßnahmen?

Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Nichtbefolgung einer einstweiligen Verfügung eine Missachtung des Gerichts darstellt, wegen der er inhaftiert oder zu einer Geldstrafe verurteilt werden kann oder seine Vermögenswerte beschlagnahmt werden können.

Es liegt nicht zwangsläufig eine Missachtung des Gerichts vor, wenn ein Dritter dem Antragsgegner erlaubt, unter Verletzung eines Verfügungsverbots Vermögenswerte zu veräußern oder anderweitig darüber zu verfügen. Ein Dritter verstößt jedoch gegen das Gesetz, wenn er – obwohl ihm das Verfügungsverbot mitgeteilt wurde – den Antragsgegner wissentlich bei der Veräußerung sichergestellter Vermögenswerte unterstützt. Der Antragsteller sollte daher Dritten wie Banken, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten Kopien des Verfügungsverbots zukommen lassen. (In dem entsprechenden Formblatt wird davon ausgegangen, dass dies erledigt wird, und Dritte werden vor möglichen Sanktionen gewarnt. Dazu gehören auch Verpflichtungen des Antragstellers, die angemessenen Kosten zu tragen, die Dritten bei der Befolgung des Verfügungsverbots entstehen, und ihnen den damit verbundenen Aufwand zu ersetzen.) Auch wenn sie von dem Verfügungsverbot in Kenntnis gesetzt worden sind, können Banken und andere Dritte Sicherungs- und Aufrechnungsrechte geltend machen, die vor Erlass des Verfügungsverbots entstanden sind.

Durch ein Verfügungsverbot werden dem Antragsteller keinerlei Eigentumsrechte an den sichergestellten Vermögenswerten verliehen. Das Recht, ein Verfahren wegen Missachtung des Gerichts einzuleiten, ist in der Regel die einzige Abhilfe, die dem Kläger zur Verfügung steht. Ein Vertrag, der unter Verstoß gegen eine Verfügung geschlossen wurde, ist rechtswidrig und kann daher von einer Partei – die von dem Verstoß Kenntnis hat – nicht durchgesetzt werden. Darüber hinaus kann das Gericht bisweilen eine gesonderte Verfügung erlassen, durch die es dem Beklagten untersagt wird, einen Vertrag mit einem Dritten zu erfüllen. Eine Eigentumsübertragung ist jedoch nach wie vor im Rahmen eines illegalen Vertrags möglich. Wurde ein derartiger Vertrag erfüllt, ist es unter normalen Umständen unmöglich, die übertragenen Vermögenswerte zurückzufordern.

3.3 Wie lange sind diese Maßnahmen rechtswirksam?

Wenn eine einstweilige Verfügung in Anwesenheit der Parteien erlassen wird, kann darin angegeben werden, dass sie bis zum Verfahren in der Hauptsache, bis zum Urteil, einer weiteren Anordnung des Gerichts oder bis zu einem bestimmten Datum wirksam ist. (Ist eine Anordnung „bis auf Weiteres“ wirksam, so erlischt diese nicht mit der Urteilsverkündung, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht eine weitere Anordnung erlässt, durch die die einstweilige Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend aufgehoben wird.)

Wird eine einstweilige Verfügung ohne Benachrichtigung des Antragsgegners angeordnet, ist diese normalerweise nur für einen begrenzten Zeitraum gültig (in den wenigstens Fällen länger als 7 Tage). Es ist eine weitere gerichtliche Anordnung erforderlich, um sie fortzuführen. Erlässt das Gericht eine einstweilige Verfügung ohne Benachrichtigung, setzt es in der Regel einen „vorläufigen Gerichtstermin“ für eine weitere Verhandlung fest, zu welcher der Antragsgegner erscheinen und die Aufrechterhaltung der Anordnung anfechten kann. Ein Verfügungsverbot gilt laut Formblatt bis zum vorläufigen Gerichtstermin oder einer weiteren Anordnung.

4 Können gegen diese Maßnahmen Rechtsmittel eingelegt werden?

Der Beklagte oder ein Dritter, der direkt von einer einstweiligen Verfügung betroffen ist, kann jederzeit bei Gericht beantragen, dass die Verfügung abgeändert oder aufgehoben wird (obwohl ein Antrag im Zusammenhang mit einer bereits vollstreckten Durchsuchungsanordnung normalerweise nicht vor der Verhandlung beschieden wird). Der Beklagte muss nicht bis zur vorläufigen Gerichtsverhandlung warten, um eine ohne Benachrichtigung ergangene Anordnung anzufechten. Der Beklagte hat den Rechtsanwalt des Klägers vorab über den Antrag zu unterrichten. Der Antrag wird in der Regel bei dem Gericht gestellt, das die Anordnung erlassen hat, und oft von demselben Richter bearbeitet.

Zu den Gründen, aus denen der Antragsgegner einen solchen Antrag stellen kann, gehören: die Nichterfüllung einer der Voraussetzungen der Anordnung, eine wesentliche Änderung der Umstände, sodass die Gründe für die Anordnung weggefallen sind, eine repressive Wirkung der Anordnung, ein unangemessener Eingriff in die Rechte unschuldiger Dritter und eine Verzögerung des Klägers bei der Verfolgung seines Anspruchs. Wurde die einstweilige Verfügung ohne Benachrichtigung des Antragsgegners erwirkt, umfassen die Gründe für die Aufhebung oder Abänderung der Anordnung auch das Versäumnis des Antragstellers, dem Gericht bei der Erwirkung der Anordnung wesentliche Tatsachen offenzulegen, sowie unzureichende Beweise, um eine vorläufige Rechtsschutzmaßnahme ohne Benachrichtigung zu rechtfertigen.

Hebt das Gericht die Anordnung auf, so ist der Antragsgegner berechtigt, sich auf die Schadensersatzverpflichtung des Antragstellers zu berufen und Schadensersatz zu verlangen. Das Gericht ordnet eine „Schadenfeststellung“ (inquiry as to damages) an, um die Verluste des Antragsgegners zu ermitteln, die jedoch bis zur Verhandlung oder zu einem späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden kann.

Das Gericht ist auch befugt, vorläufige Zahlungen und Sicherheitsleistungen für Kosten zu erlassen oder abzuändern und anzuordnen, dass die aufgrund des Beschlusses gezahlten Beträge ganz oder teilweise zurückgezahlt werden.

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Letzte Aktualisierung: 30/09/2021

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