Rechtsberufe

In den verschiedenen Rechtsordnungen und Justizsystemen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) gibt es eine große Bandbreite von Rechtsberufen, wie z. B. Rechtsanwälte, Notare, Richter, Staatsanwälte und Gerichtsvollzieher. Die Angehörigen der Rechtsberufe führen nicht in allen Mitgliedstaaten dieselbe Berufsbezeichnung, und auch ihre Rolle und Rechtsstellung können von Land zu Land sehr unterschiedlich sein.

Diese Seite bietet Ihnen allgemeine Informationen zu den verschiedenen Rechtsberufen (Rolle und Aufgaben).

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Wenn Sie einen Rechtsanwalt oder Notar, einen Mediator oder Gerichtsdolmetscher in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union suchen oder zu Rate ziehen wollen, können Sie Ihre Suche in folgender Rubrik beginnen: Wie finde ich Angehörigen der Rechtsberufe.

Einleitung

Im Recht der Europäischen Union finden sich, vom Beruf des Rechtsanwalts abgesehen, keine Regelungen zu den Voraussetzungen für die Ausübung eines Rechtsberufs. Die Rechtsberufe sind generell auf nationaler Ebene geregelt. Auch wenn natürlich Ähnlichkeiten bestehen, sind diese innerstaatlichen Regelungen von Land zu Land recht unterschiedlich, da sie häufig auf tief verwurzelten Traditionen gründen.

Das Ministerkomitee des Europarats hat mehrere Empfehlungen zu den Rechtsberufen abgegeben. Eine dieser Initiativen betrifft die Ausübung des Anwaltsberufs. Eine weitere Empfehlung betrifft die Unabhängigkeit der Richter. Die Empfehlungen des Europarats und weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf seiner Website.

Die Europäische Menschenrechtskonvention sieht außerdem vor, dass jeder Angeklagte das Recht hat, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege geboten ist. Diese Bestimmung gilt vor allem für Strafsachen, aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sie auch auf Zivilsachen ausgedehnt.

Richter

Ein Richter oder Schiedsrichter ist ein Amtsträger, der einem Gericht entweder als Einzelrichter oder als Mitglied eines Kollegialgerichts vorsitzt. In Bezug auf die Aufgaben und Befugnisse, das Ernennungsverfahren, die Disziplinarordnung und die Ausbildungsordnung der Richter weisen die verschiedenen Rechtsordnungen große Unterschiede auf. Der Richter hat in etwa dieselbe Funktion wie ein Schiedsrichter in einem Spiel. Ihm obliegt die unparteiische Prozessführung in öffentlicher Verhandlung. Der Richter vernimmt alle Zeugen und nimmt alle sonstigen Beweismittel der Verfahrensbeteiligten auf, würdigt deren Glaubwürdigkeit und verkündet aufgrund seiner Auslegung von Recht und Gesetz und seiner eigenen Beurteilung des Sachverhalts eine Entscheidung in der betreffenden Rechtssache.

Mehr Informationen zum Richterberuf finden Sie auf folgenden Websites:

Staatsanwälte

Die Staatsanwaltschaft spielt bei der Strafverfolgung eine sehr wichtige Rolle. Die Justizsysteme der Mitgliedstaaten sind in Bezug auf die Rolle, Aufgaben und Befugnisse der Staatsanwälte sehr unterschiedlich.

Gerichtsbedienstete

Die Bezeichnungen der Gerichtsbediensteten können von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark variieren. So entspricht beispielsweise die Bezeichnung des „Rechtspflegers“ in Deutschland der des „greffier“ in Frankreich.

Darüber hinaus nehmen die Gerichtsbediensteten je nach Rechtsordnung unterschiedliche Aufgaben wahr. Sie arbeiten Richtern oder Staatsanwälten zu, sind in der Gerichtsverwaltung tätig und für bestimmte Verfahren zuständig. In einigen Ländern müssen sie ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert haben, in anderen können sie Rechtsberatung erteilen und/oder sich weiterbilden.

In jedem Fall erfüllen Gerichtsbedienstete am Gericht wichtige Aufgaben: Sie betreuen Opfer ebenso wie Beschuldigte und tragen insgesamt zur Leistungsfähigkeit der Justiz bei.

Die Mitglieder dieses Berufsstands werden auf europäischer Ebene von der Europäischen Union der Rechtspfleger (EUR) vertreten. In dieser Nichtregierungsorganisation sind Berufsverbände aus mehreren Ländern zusammengeschlossen. Zu den Zielen der EUR gehören die Mitwirkung an der Schaffung, Fortentwicklung und Harmonisierung des Rechts auf europäischer und internationaler Ebene, die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen, die Vertretung der berufsständischen Interessen ihrer Mitglieder und die Förderung des Berufsstands im Interesse einer leistungsfähigeren Justiz.

Gerichtsvollzieher

Der Beruf des Gerichtsvollziehers ist einzelstaatlich geregelt, wobei diese Regelungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat recht unterschiedlich sind.

Die Angehörigen dieses Rechtsberufs werden auf europäischer Ebene durch die Internationale Union der Gerichtsvollzieher (UIHJ) vertreten. Die UIHJ vertritt ihre Mitglieder bei internationalen Organisationen und hält Kontakt zu den nationalen Berufsverbänden. Sie arbeitet auf die Verbesserung des nationalen Verfahrensrechts und internationaler Verträge hin und scheut keine Anstrengungen, um Ideen, Projekte und Initiativen zu unterstützen, die die Unabhängigkeit der Gerichtsvollzieher fördern und stärken.

Auch die Europäische Gerichtsvollzieherkammer (CEHJ) vertritt Gerichtsvollzieher. Als Vereinigung ohne Erwerbszweck nach belgischem Recht zielt die CEHJ darauf ab, die Gerichtsvollzieher stärker in den gemeinsamen Austausch der Angehörigen der Rechtsberufe auf europäischer Ebene einzubeziehen.

Rechtsanwälte

Die Rolle des Rechtsanwalts, ob sie nun von einer Einzelperson, einer Anwaltsfirma oder dem Staat wahrgenommen wird, ist die des vertrauenswürdigen Beraters und bevollmächtigten Vertreters seines Mandanten, des von Dritten respektierten Fachmanns und des unentbehrlichen Mitstreiters einer fairen Rechtspflege. Indem er alle diese Elemente in sich vereint, erfüllt der Rechtsanwalt, der gewissenhaft die Interessen seiner Mandanten wahrnimmt und deren Rechte verteidigt, auch eine gesellschaftliche Aufgabe, die darin besteht, Konflikte zu verhüten und abzuwenden, dafür zu sorgen, dass solche Konflikte im Einklang mit den anerkannten Grundsätzen des Zivil-, des Straf- oder des öffentlichen Rechts und unter Berücksichtigung der betreffenden Rechte und Interessen beigelegt werden, sowie die Rechtsfortbildung zu fördern und für die Grundsätze der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit einzutreten.

Die Tätigkeit der Rechtsanwälte unterliegt der Aufsicht der berufsständischen Organisationen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, d. h. der Rechtsanwaltskammern, die in den Mitgliedstaaten für die Festlegung der Berufs- und Standesregeln und die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen zuständig sind.

Das EU-Recht regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsberuf ausgeübt werden darf. Eine Ausnahme bildet der Beruf des Rechtsanwalts: In einer 1998 erlassenen Richtlinie ist im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt, der seine Berufsqualifikation in einem EU-Mitgliedstaat erworben hat, seinen Beruf auch in einem anderen Mitgliedstaat dauerhaft ausüben darf.

Auf EU-Ebene werden die Rechtsanwälte durch den Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) vertreten, eine 1960 gegründete internationale Vereinigung ohne Erwerbszweck. Sie handelt in allen die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs betreffenden Angelegenheiten von gegenseitigem Interesse als Verbindungsstelle zwischen der EU und den nationalen Rechtsanwaltskammern in Europa.

Notare

Der Notar ist ein auf die Vornahme bestimmter Rechtshandlungen spezialisierter und zu diesem Zweck öffentlich bestellter Jurist. Kraft seiner Aufgaben und Amtspflichten spielt der Notar in den 22 Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnung auf das römische Zivilrecht zurückgeht, eine wichtige Rolle bei der staatlichen Rechtsausübung. Irland ist in der Europäischen Union das einzige Land mit einer angelsächsischen Rechtstradition, aber auch in Irland gibt es das Berufsbild des Notars, dessen Aufgaben sich auf vielfältige juristische Dienstleistungen erstrecken und der seine Aufgaben und Befugnisse hauptsächlich im Zusammenhang mit auslandsbezogenen Rechtsgeschäften und Urkunden wahrnimmt. Der Notar spielt eine wichtige Rolle im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr seines Landes.

Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere

  • die Abfassung von Privaturkunden und die Aufklärung und Belehrung der Parteien in unparteiischer, neutraler Form. Bei der Abfassung und Ausfertigung von öffentlichen Urkunden haftet der Notar für die Rechtmäßigkeit dieser Urkunden und für die Aufklärung und Belehrung der Beteiligten. Er hat sie auch über die Auswirkungen und Rechtsfolgen der Verpflichtungen, die sie eingehen, zu unterrichten;
  • die Vollstreckung der von ihm ausgefertigten Urkunden. Die notarielle Urkunde kann so direkt im amtlichen Register eingetragen bzw., wenn einer der Beteiligten seinen Verpflichtungen daraus nicht nachkommt, ohne Einschaltung eines Richters sofort vollstreckt werden;
  • die Rolle des Schiedsrichters, der es den Beteiligten aufgrund seiner Unparteilichkeit und strengen Beachtung von Recht und Gesetz ermöglicht, zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung zu kommen.

Der Notar ist Träger eines öffentlichen Amtes, dem der Staat zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben einen Teil seiner staatlichen Befugnisse überträgt, der seine Funktionen aber im Rahmen eines freien Berufes ausübt.

Der Notar unterliegt der beruflichen Schweigepflicht. Für die Bestellung zum Notar müssen ähnliche Voraussetzungen wie für die Ernennung zum Richter erfüllt sein, und für ihn gelten dieselben Grundsätze wie für Richter: Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit, Unparteilichkeit, Rechtskraft und Vollstreckbarkeit seiner Amtshandlungen; ferner unterliegt seine Amtstätigkeit der Aufsicht durch das Justizministerium.

In den 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Rechtsordnung auf das römische Zivilrecht zurückgeht, gibt es ungefähr 35 000 Notare.

Gegenüber den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union werden die Notare der EU-Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnung auf das römische Zivilrecht zurückgeht, durch den 1993 gegründeten Rat der Notariate der Europäischen Union (CNUE) vertreten. Der CNUE vertritt die Notariate aller EU-Mitgliedstaaten, in denen es das Berufsbild des Notars römischer Prägung gibt: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik und Ungarn. Irland verfügt über eine eigene nationale Notarkammer, wird international aber durch das „UK and Ireland Notarial Forum“ vertreten.

Letzte Aktualisierung: 11/09/2023

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