Zuständigkeitskonflikte – in welchem Land ist das zuständige Gericht?

Die gerichtliche Zuständigkeit bezieht sich auf das Recht und die Befugnis, die Justizhoheit in einem bestimmten Gebiet auszuüben. Sie umfasst die Befugnis der Gerichte, Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Personen, Sachen oder Ereignisse zu entscheiden, sowie die Befugnis einzugreifen und beispielsweise die Festnahme von Personen oder die Beschlagnahme von Sachen zu veranlassen.

Infolge des Rechts auf Freizügigkeit in der Europäischen Union (EU), der Tendenz der Mitgliedstaaten, ihre rechtlichen Zuständigkeiten zu erweitern, und der technologischen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten gibt es immer mehr Fälle, in denen mehrere Mitgliedstaaten in ein und derselben Sache für Ermittlungen und Strafverfahren zuständig sind.

Wären die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sich gegenseitig über Fälle zu unterrichten, die zu einem Kompetenzkonflikt führen könnten, oder sich zu konsultieren, um einen Kompetenzkonflikt beizulegen, könnte dies dazu führen, dass das betreffende Verfahren nicht in dem Mitgliedstaat geführt wird, der sich am besten dafür eignet (zum Beispiel wenn sich die relevanten Beweismittel und Zeugen in einem anderen Mitgliedstaat befinden), oder dass in verschiedenen Mitgliedstaaten parallele Verfahren geführt werden.

Um diese Gefahren möglichst gering zu halten, wurde Ende 2009 der Rahmenbeschluss zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren angenommen. Mit diesem Instrument soll die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden von Mitgliedstaaten, die Strafverfahren führen, enger gestaltet werden, um

  • zu vermeiden, dass gegen dieselbe Person wegen derselben Tat parallele Strafverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt werden, und
  • eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, bei der die nachteiligen Folgen von parallel geführten Strafverfahren vermieden werden.

Dieses Ziel soll nach dem Rahmenbeschluss durch Einführung eines obligatorischen Konsultationsverfahrens in Fällen erreicht werden, in denen parallele Strafverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt werden. Kann im Rahmen des Konsultationsverfahrens kein Einvernehmen erzielt werden, so haben die beteiligten Mitgliedstaaten den Fall an Eurojust zu verweisen.

Neben dem Rahmenbeschluss, der auf Strafverfahren im Allgemeinen Anwendung findet, gibt es noch eine Reihe anderer EU-Instrumente, die spezielle Regelungen zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten enthalten, so z. B.:

Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl (Artikel 16 Rahmenbeschluss 2002/584/JI)

Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung (Artikel 9 Rahmenbeschluss  2002/475/JI)

Rahmenbeschluss des Rates über Angriffe auf Informationssysteme (Artikel 10 Rahmenbeschluss 2005/222/JI)

Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Artikel 7 Rahmenbeschluss 2008/841/JI)

Verordnung des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (Artikel 26 Verordnung des Rates (EU) 2017/1939)

Letzte Aktualisierung: 06/04/2020

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