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Erstausbildung von Richtern und Staatsanwälten in der Europäischen Union

Tschechien
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Allgemeine Beschreibung

In der Tschechischen Republik wird die Erstausbildung von der Tschechischen Justizakademie (Justiční akademie) angeboten.

Die Justizakademie bietet eine Erstausbildung für Amtsanwärter an, nämlich für Justizanwärter (künftige Richter) und Staatsanwaltsanwärter (künftige Staatsanwälte) sowie seit Kurzem für Richteramtsanwärter (künftige Richter).

Justiz- und Staatsanwaltsanwärter absolvieren einen dreijährigen Vorbereitungsdienst, den sie bei einem Gericht/einer Staatsanwaltschaft leisten, und nehmen an Ausbildungsveranstaltungen teil, die von der Justizakademie und den Gerichten/Staatsanwaltschaften organisiert werden. Mit der Änderung des Gesetzes über Gerichte und Richter (Nr. 6/2002 Slg.) wurde die Position des Justizanwärters mit Wirkung ab 1. Januar 2022 abgeschafft. Justizanwärter, die vor diesem Zeitpunkt für den Vorbereitungsdienst zugelassen wurden, werden ihren Vorbereitungsdienst gemäß dem bestehenden Plan abschließen.

Mit der genannten Änderung wurde die Position des Richteramtsanwärters neu eingeführt. Ein Richteramtsanwärter absolviert eine einjährige Ausbildung. Deren Zweck besteht darin, den Richteramtsanwärter bestmöglich auf das Richteramt vorzubereiten. Dies wird sowohl durch die Arbeit in verschiedenen Abteilungen der Gerichte erster Instanz und der Berufungsgerichte als auch durch die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen der Justizakademie, die hauptsächlich in Form von Praxisseminaren stattfinden, sichergestellt. Die Teilnahme an einigen Seminaren der Justizakademie ist für Richter und Staatsanwälte obligatorisch. In einigen Gerichten laufen derzeit die ersten Auswahlverfahren für Richteramtsanwärter. Wir gehen davon aus, dass es am Ende dieser ersten Phase des Auswahlverfahrens 2022 in der Tschechischen Republik etwa 30 Richteramtsanwärter geben wird. Weitere Auswahlverfahren werden im Herbst 2022 stattfinden. Am 1. Januar 2022 gab es 74 Staatsanwaltsanwärter.

Rechtsrahmen für die Erstausbildung von Richteramtsanwärtern, siehe Gesetz Nr. 6/2002 Slg. über Gerichte, Richter, Schöffen und Gerichtsverwaltung in der geänderten Fassung (https://www.zakonyprolidi.cz/cs/2002-6) und Verordnung Nr. 516/20021 Slg. über die Auswahl, das Referendariat und die Prüfung von Richteramtsanwärtern in der geänderten Fassung (https://www.zakonyprolidi.cz/cs/2021-516); Rechtsrahmen für die Erstausbildung von Staatsanwaltsanwärtern, siehe Gesetz Nr. 283/1993 Slg. über die Staatsanwaltschaft in der geänderten Fassung (https://www.zakonyprolidi.cz/cs/1993-283) und die Verordnung Nr. 383/2017 Slg. über die Auswahl, Ausbildung und Prüfung von Staatsanwaltsanwärtern.

Zugang zur Erstausbildung

Das Auswahlverfahren für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Staatsanwaltsanwärter wird von der regionalen Staatsanwaltschaft in Absprache mit dem Justizministerium bekannt gegeben, wenn freie Stellen für Staatsanwaltsanwärter zu besetzen sind. Ein Staatsanwaltsanwärter muss folgende Anforderungen erfüllen: Staatsbürgerschaft der Tschechischen Republik, volle Rechtsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Abschluss in Rechtswissenschaften an einer tschechischen Hochschule. Das Auswahlverfahren umfasst eine schriftliche Prüfung, ein Gespräch und eine psychologische Prüfung. Bei der schriftlichen Prüfung und dem Gespräch werden die beruflichen Kenntnisse und die Eignung des Bewerbers für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst überprüft. Das Bestehen der schriftlichen Prüfung ist Voraussetzung für die Fortführung des Auswahlverfahrens mit dem mündlichen Teil. Der Prüfungsausschuss legt das Ergebnis des Gesprächs der regionalen Staatsanwaltschaft vor, die den erfolgreichen Bewerber für einen dreijährigen Vorbereitungsdienst annimmt.

Das Auswahlverfahren für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Richteramtsanwärter wird vom Präsidenten des Regionalgerichts bekannt gegeben, wenn freie Positionen für Richteramtsanwärter zu besetzen sind. Für einen Richteramtsanwärter gelten folgende Anforderungen: Staatsbürgerschaft der Tschechischen Republik, Abschluss in Rechtswissenschaften an einer tschechischen Hochschule, Richteramtsprüfung (oder eine andere vergleichbare berufsbezogene Prüfung), Rechtsfähigkeit und Zuverlässigkeit, Gewährleistung der ordnungsgemäßen Ausübung des Amtes durch Erfahrung und sittliche Eigenschaften, erfolgreiches Absolvieren des Auswahlverfahrens für Richteramtsanwärter und Ablegen eines Eids beim Präsidenten des Regionalgerichts. Das Auswahlverfahren besteht aus einem schriftlichen Teil, einer psychologischen Prüfung und einem Gespräch. Der schriftliche Teil umfasst Fallstudien mit einfachem Schwierigkeitsgrad aus dem Zivil-, Straf-, Verwaltungs- und Insolvenzrecht sowie Fragen zur Prüfung des logischen Denkens. Ausgearbeitet und organisiert wird der schriftliche Teil des Auswahlverfahrens von der Justizakademie. Das Bestehen der schriftlichen Prüfung ist Voraussetzung für die Fortführung des Auswahlverfahrens mit dem mündlichen Teil. Hat ein Bewerber den schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens bestanden, muss er sich einer psychologischen Prüfung unterziehen, bevor er zum mündlichen Teil des Auswahlverfahrens zugelassen wird. Das Ergebnis der psychologischen Prüfung ist eines der Dokumente, die dem Auswahlausschuss vorgelegt werden. Die Mitglieder des Auswahlausschusses stellen Fragen zum schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens sowie Fragen zu den beruflichen Kenntnissen und persönlichen Eigenschaften des Bewerbers. Jedes Ausschussmitglied benotet den Bewerber mit 0 bis 10 Punkten. Berücksichtigt werden alle dem Prüfungsausschuss zur Verfügung stehenden Dokumente, die Ergebnisse des vom Bewerber verfassten schriftlichen Teils, die Ergebnisse seiner psychologischen Prüfung und seine Antworten im mündlichen Teil des Auswahlverfahrens, einschließlich seines Auftretens und seines Verhaltens insgesamt. Die Ergebnisse des Auswahlverfahrens für die Position eines Richteramtsanwärters werden vom Präsidenten des Regionalgerichts in pseudonymisierter Form auf der Website des Gerichts veröffentlicht.

Format und Inhalt der Erstausbildung

Die Erstausbildung der Staatsanwaltsanwärter dauert drei Jahre. In dieser Zeit können sie an den von der Justizakademie angebotenen Ausbildungskursen teilnehmen, die speziell für diese Zielgruppe konzipiert sind.

Dazu gehören Seminare zur Anwendung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts, Anpassungskurse, Workshops und Webinare. Staatsanwaltsanwärter haben zudem Zugang zu einer Reihe von Fernunterrichtsmaterialien, Videokursen, Methodiken oder Aufzeichnungen von Vorlesungen in Form von Hörbüchern. Der verpflichtende Anpassungskurs findet in den ersten sechs Monaten der Erstausbildung statt. Ziel ist es dabei, neu eingestellte Staatsanwaltsanwärter mit dem Inhalt des Vorbereitungsdienstes und den grundlegenden Rechtsvorschriften für die Arbeit der Staatsanwaltschaft vertraut zu machen. Zu den Ausbildungsmaßnahmen, die dieser Zielgruppe angeboten werden, gehören unter anderem simulierte Gerichtsverfahren, ein Seminar mit dem Schwerpunkt auf praktischer Ausbildung im Bereich der Strafzumessung, regelmäßige Seminare zu Änderungen im Strafrecht und abschließende Vorbereitungskurse für die berufsbezogene Abschlussprüfung. Jeder Staatsanwaltsanwärter hat einen Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft, der den Vorbereitungsdienst aus fachlicher und pädagogischer Sicht beaufsichtigt. Der Ausbilder berät die Anwärter auch beim Erlernen der Grundsätze der Berufsethik. Er wird von der regionalen Staatsanwaltschaft ernannt oder abberufen und aus dem Kreis der erfahrensten Staatsanwälte ausgewählt.

Ein Richteramtsanwärter ist verpflichtet, während der einjährigen Erstausbildung an bestimmten Seminaren teilzunehmen. Zu den obligatorischen Seminaren gehört ein Seminar, in dem die neuen Richteramtsanwärter eine Einführung in das Justizwesen und die Grundlagen der Berufsethik erhalten. Anschließend muss der Richteramtsanwärter an einem fünftägigen, interaktiven Praxisseminar zum Zivilverfahren mit dem Titel „Verfahren von der Klageschrift bis zum Urteil“ teilnehmen, in dessen Mittelpunkt das Zivilverfahren vor dem Zivilgericht erster Instanz steht. Darüber hinaus muss der Richteramtsanwärter an einem interaktiven Seminar zum Strafverfahren mit dem Titel „Verfahren von der Anklageschrift bis zum Urteil“ teilnehmen, bei dem der Schwerpunkt auf dem Verfahren vor einem Strafgericht erster Instanz liegt. Anschließend obliegt es dem Richteramtsanwärter, an einer simulierten Anhörung teilzunehmen, und zwar entweder an einer „simulierten Anhörung zum Zivilrecht“ oder an einer „simulierten Anhörung zum Strafrecht“. Diese simulierten Anhörungen finden in einem nachgestellten Gerichtssaal statt, und den Teilnehmern kommt eine aktive Rolle dabei zu. Neben den obligatorischen Seminaren können Richteramtsanwärter an fakultativen Seminaren teilnehmen. Im Mittelpunkt dieser Seminare stehen die Vertretung im Gerichtssaal, die Grundlagen der Rhetorik und der wirksamen Kommunikation, schriftliche Fähigkeiten und praktische Tipps zur Nutzung wichtiger Rechtsinformationssysteme. Das Seminar „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ ist auf die Vorbereitung künftiger Verwaltungsrichter ausgerichtet. Außerdem stehen den Teilnehmenden eine Reihe von E-Learning-Studienmaterialien, methodischen Leitlinien und Ausbildungsvideos zur Verfügung. Ferner können sie an weiteren Ausbildungsveranstaltungen der Justizakademie teilnehmen, die für andere Zielgruppen konzipiert sind.

Ein Richteramtsanwärter hat während seines gesamten Vorbereitungsdienstes zudem Ausbilder bei Gericht, die den Vorbereitungsdienst aus fachlicher und pädagogischer Sicht beaufsichtigen. Ihm wird in allen Justizabteilungen, in denen er tätig ist, ein Ausbilder zugewiesen. Bei den Ausbildern handelt es sich um Richter, die vom Präsidenten des Regionalgerichts ernannt und entlassen werden. Die Ausbilder verfassen auch eine Beurteilung der Leistungen des Richteramtsanwärter in dieser Abteilung.

Abschluss der Erstausbildung und des Qualifizierungsverfahrens

Der anfängliche Vorbereitungsdienst eines Staatsanwaltsanwärters dauert drei Jahre. Nach Abschluss des dreijährigen Vorbereitungsdienstes legt der Staatsanwaltsanwärter eine Abschlussprüfung ab. Diese besteht aus einer schriftlichen Prüfung und einem Gespräch vor einem Auswahlausschuss. Im schriftlichen Teil der Abschlussprüfung verfasst der Staatsanwaltsanwärter eine Anklageschrift, eine Entscheidung oder einen Antrag in einer Strafsache bzw. einen Antrag in einer Zivilsache, in der der Staatsanwalt handlungsbefugt ist, sowie einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Gerichts erster Instanz. Im mündlichen Teil der Abschlussprüfung werden die Kenntnisse des Bewerbers in folgenden Themen geprüft:

  1. Verfassungsrecht,
  2. materielles Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht,
  3. Arbeits- und Sozialversicherungsrecht,
  4. Familienrecht,
  5. materielles Strafrecht und Strafverfahrensrecht,
  6. Handelsrecht,
  7. Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie materielles Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht,
  8. Finanzrecht,
  9. Notariatsrecht und Vollstreckungsordnung,
  10. Verfahrensordnung der Gerichte und Staatsanwaltschaften, ihre internen Regeln und Regeln der Amtsführung sowie Organisation von Gerichten und Staatsanwaltschaften.

Darüber hinaus werden Grundkenntnisse im Unionsrecht und ein Überblick über die grundlegenden Quellen des Völkerrechts erworben. Ebenso werden die allgemeine Orientierung des Bewerbers in der Rechtsordnung und der Verfahrensordnung der Staatsanwaltschaft, die Fähigkeit des Bewerbers zur korrekten Anwendung und Auslegung der Rechtsvorschriften sowie seine mündliche Ausdrucksweise berücksichtigt. Das Ergebnis der Abschlussprüfung wird als „hervorragend qualifiziert“, „qualifiziert“ oder „nicht qualifiziert“ eingestuft. Der erfolgreiche Bewerber erhält ein Abschlusszertifikat des Justizministeriums. Das Bestehen der Abschlussprüfung ist Voraussetzung für die spätere Ausübung des Amts eines Staatsanwalts. Zu den Voraussetzungen für die Ausübung der Funktion eines Staatsanwalts gehören: Staatsangehörigkeit der Tschechischen Republik, Rechtsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Alter von mindestens 25 Jahren, Abschluss in Rechtswissenschaften an einer tschechischen Hochschule, Bestehen der Abschlussprüfung, Gewährleistung der ordnungsgemäßen Ausübung des Amtes durch Erfahrung und sittliche Eigenschaften sowie Zustimmung zur Ernennung zum Staatsanwalt und zur Zuweisung zu einer bestimmten Staatsanwaltschaft. Ein Staatsanwalt wird auf Vorschlag der Obersten Staatsanwaltschaft vom Justizminister auf unbegrenzte Zeit ernannt.

Die Ausbildung eines Richteramtsanwärters dauert ein Jahr. Nach dem Ende dieses Zeitraums kann sich ein Richteramtsanwärter für ein vom Justizminister bekannt gegebenes Auswahlverfahren für die Position eines Richters bewerben. Nicht nur Richteramtsanwärter, sondern auch andere Personen können sich für das Auswahlverfahren für die Position eines Richters bewerben. Zum Beispiel Personen, die seit fünf Jahren das Amt eines Staatsanwalts, Anwalts, Notars, Gerichtsvollziehers oder Richters am Verfassungsgericht bekleiden, sowie Personen, die seit zehn Jahren mit rechtlichen, wissenschaftlichen oder pädagogischen Tätigkeiten in einem Rechtsbereich betraut sind, der einen Bezug zu den Entscheidungstätigkeiten der Gerichte hat. Das Auswahlverfahren besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Der schriftliche Teil des Auswahlverfahrens wird von der Justizakademie organisiert und umfasst Fallstudien mit einem höheren Schwierigkeitsgrad aus den Bereichen Zivilrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Insolvenzrecht und Verfassungsrecht. Bei der schriftlichen Prüfung werden die beruflichen Kenntnisse und die Eignung des Bewerbers für das Amt eines Richters geprüft. Hat ein Bewerber den schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens bestanden, muss er sich einer psychologischen Prüfung unterziehen, bevor er zum mündlichen Teil des Auswahlverfahrens zugelassen wird (wenn er dieser nicht bereits im Rahmen des Auswahlverfahrens für die Position eines Richteramtsanwärters unterzogen wurde). Der mündliche Teil des Auswahlverfahrens für die Position eines Richters erfolgt in Form eines Gesprächs. Der Auswahlausschuss hat fünf Mitglieder (Richter und Sachverständige des Justizministeriums). Bei dem Gespräch stellen die Mitglieder des Auswahlausschusses Fragen zum schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens sowie Fragen zum beruflichen Aspekt der Ausübung des Richteramts und zu den persönlichen Qualifikationen des Bewerbers. Jedes Ausschussmitglied benotet den Bewerber auf einer Skala von 0 bis 10. Berücksichtigt werden dabei die dem Prüfungsausschuss zur Verfügung stehenden Dokumente, die Ergebnisse des vom Bewerber verfassten schriftlichen Teils, die Ergebnisse seiner psychologischen Prüfung und seine Antworten im mündlichen Teil des Auswahlverfahrens, einschließlich seines Auftretens und seines Verhaltens insgesamt. Die Anzahl der vergebenen Punkte ist ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers im Auswahlverfahren. Das erfolgreiche Absolvieren des Auswahlverfahrens für Richter ist eine Voraussetzung für die mögliche Ausübung des Richteramts. Der Bewerber muss bei der Ernennung mindestens 30 Jahre alt sein. Ein Richter wird vom Präsidenten der Republik für das Amt ernannt.

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