BGH, Urteil vom 9. 4. 2002 - XI ZR 91/99 (München)
Zum Sachverhalt:
Die Kl. verlangen von der bekl. Bank die Rückabwicklung eines Realkreditvertrags. Sie begehren die Erstattung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und entstandener Aufwendungen in Höhe von insgesamt 118443,81 DM zuzüglich Zinsen sowie die Feststellung, dass der Bekl. aus dem Darlehen keine Ansprüche mehr zustehen. Zur Finanzierung des Kaufpreises für eine im März 1993 gekaufte Eigentumswohnung nahmen die Kl. mit Vertrag vom 28. 4./7. 5. 1993 bei der Bekl. ein Darlehen über 150000 DM auf, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe abgesichert wurde. Eine Widerrufsbelehrung im Sinne des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes (HWiG) wurde ihnen nicht erteilt. Mit ihrer im Januar 1998 erhobenen Klage haben die Kl.gem. § 1 HWiG in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen widerrufen. Die Kl. behaupten, ein ihnen bekannter, freiberuflich auch für die Bekl. tätiger Immobilienmakler habe sie mehrfach unaufgefordert zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme überredet. Kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz haben sie außerdem geltend gemacht, der Darlehensvertrag sei sittenwidrig, weil der Wert der Eigentumswohnung erkennbar nur 50000 DM betragen und die Bekl. eine „versteckte Innenprovision“ von 18,4% gezahlt habe.
Das LG München I (WM 1998, 1723) hat die Klage abgewiesen; das OLG München (WM 1999, 728) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kl. ihr Klagebegehren weiter. Der erkennende Senat hat den EuGH um Vorabentscheidung ersucht (NJW 2000, 521 = LM H. 4/2000 HWiG Nr. 33a = WM 2000, 26), die am 13. 12. 2001 erging (NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84 - Heininger). Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ein Widerrufsrecht der Kl. verneint. Bei dem streitbefangenen Darlehen handele es sich um einen Realkredit i.S. von § 3 II Nr. 2 VerbrKrG. § 7 VerbrKrG finde deshalb keine Anwendung. Der Rückgriff auf § 1 HWiG a.F. scheide wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 II HWiG aus. Mit Rücksicht auf diese Vorschrift sei das HWiG zwar in den Fällen des § 3 I VerbrKrG anwendbar, nicht aber in den Fällen des § 3 II VerbrKrG, in denen nur die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) ausgeschlossen sei.
Die Gegenauffassung, nach welcher das HWiG stets zum Zuge komme, wenn und soweit eine Ausnahme nach § 3 VerbrKrG eingreife, sei weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck des § 3 II VerbrKrG vereinbar. Durch die Anwendung des HWiG werde die differenzierte Regelung des § 3 II VerbrKrG unterlaufen und dem Willen des Gesetzgebers zuwidergehandelt. Dieser habe das Widerrufsrecht bei Realkreditverträgen ganz bewusst wegen der damit einhergehenden Gefährdung der taggenauen Refinanzierung vieler Realkredite ausgeschlossen, auf der wiederum deren günstige Verzinsung beruhe. Der Vortrag der Kl. zur angeblichen Sittenwidrigkeit des Darlehens sei unsubstanziiert und überdies verspätet.
II. Diese Beurteilung hält, soweit sie ein Widerrufsrecht der Kl.gem. § 1 I HWiG a.F. wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 II HwiG verneint, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar entspricht sie der Auslegung von § 3 II Nr. 2 VerbrKrG und § 5 II HWiG, wie sie der Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 29. 11. 1999 (NJW 2000, 521 = WM 2000, 26) an den EuGH bei ausschließlich nationaler Betrachtung befürwortet hat. Sie berücksichtigt aber nicht, dass mit dem HWiG die Haustürgeschäfte-Richtlinie 85/577/ EWG vom 20. 12. 1985 in nationales Recht umgesetzt worden ist und die Vorschriften des HWiG daher richtlinienkonform auszulegen sind.
Der Senat hat in dem Vorlagebeschluss zwar die Auffassung vertreten, die Verbraucherschutzvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts erforderten keine andere Auslegung von § 5 II HWiG als sie sich bei ausschließlich nationaler Betrachtung ergebe (NJW 2000, 521 = WM 2000, 26 [28]); es bleibe auch bei Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH bei der Auslegung des § 5 II HWiG, nach welcher das HWiG auf Realkreditverträge i.S. von § 3 II Nr. 2 VerbrKrG unanwendbar sei. Im Hinblick auf insoweit verbleibende Zweifel hat der Senat dem EuGH aber zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (als L abgedruckt in NJW 2000, 521). Der EuGH hat die Fragen wie aus den Leitsätzen in NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84, ersichtlich beantwortet.
1. An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auf Grund des Umsetzungsgebots gem. Art. 249 III EG (Art. 189 III EGV) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gem. Art. 10 EG (Art. 5 EGV) zudem verpflichtet, zur Durchführung einer europäischen Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (EuGH, Slg. 1984, 1891 [1909] = NJW 1984, 2021 Rdnrn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Slg. 1984, 1921 [1942 Rdnr. 26, 1943 Rdnr. 28] - Harz; Slg. I 1990, 4135 [4159 Rdnr. 8] - Marleasing). Diese gemeinschaftsrechtliche Dimension der Auslegung hat auch der BGH gerade beim HWiG wiederholt hervorgehoben (Senat, NJW 1993, 1594 = LM H. 7/1993 HWiG Nr. 12 = WM 1993, 683 [684]; BGH, NJW 1994, 2759 = LM H. 11/1994 HWiG Nr. 15 = WM 1994, 1390 [1391]; NJW 1996, 930 = LM H. 6/1996 HWiG Nr. 23 = WM 1996, 384 [386]).
2. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gebietet es in Verbindung mit der vom Senat eingeholten Vorabentscheidung des EuGH, die maßgeblichen nationalen Vorschriften, soweit ein Auslegungsspielraum besteht, dahin gehend auszulegen, dass dem Verbraucher, der einen in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfte-Richtlinie fallenden Realkreditvertrag geschlossen hat, ein Art. 5 der Richtlinie entsprechendes Widerrufsrecht zusteht. Dies hat zur Folge, dass § 5 II HWiG unter Beachtung der für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung des EuGH richtlinienkonform einschränkend auszulegen ist. Kreditverträge gehören danach insoweit nicht zu den Geschäften, die i.S. des § 5 II HWiG „die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem VerbrKrG“ erfüllen, als das VerbrKrG kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das HWiG einräumt.
a) § 5 II HWiG, wonach auf ein Geschäft i.S. des § 1 I HWiG a.F., das zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem VerbrKrG erfüllt, nur die Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar sind, lässt eine solche Auslegung zu.
aa) Entgegen der Ansicht der Bekl. und einer in der Instanzrechtsprechung (OLG Bamberg, WM 2002, 537 [545]; LG München I, BKR 2002, 230 [233f.]; WM 2002, 285 [287]) und Literatur (Edelmann, BKR 2002, 80 [81f.]; Habersack/Mayer, WM 2002, 253 [257]; v. Heymann/Annertzok, BKR 2002, 234; Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529 [532]; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 [524]; Sauer, BB 2002, 431 [432]) vertretenen Auffassung wird die Auslegung weder durch den Wortlaut des § 5 II HWiG noch den des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen.
(1) § 3 II Nr. 2 VerbrKrG regelt seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG. Er enthält zur Frage der Anwendbarkeit des HWiG keine Aussage (Frisch, BKR 2002, 84 [85]).
(2) Der Wortlaut des § 5 II HWiG legt für sich genommen, wie im Vorlagebeschluss des Senats vom 29. 11. 1999 näher ausgeführt, zwar eher das Ergebnis nahe, dass in den Fällen des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG das HWiG insgesamt von den Vorschriften des VerbrKrG verdrängt werden sollte. Zwingend ist diese Auslegung jedoch nicht, da der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist.
Gemäß § 5 II HWiG greift die Subsidiaritätsklausel nur, wenn ein Geschäft i.S. von § 1 I HWiG a.F. zugleich die „Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz“ erfüllt. Da nicht näher geregelt wird, wann die so umschriebenen Voraussetzungen i.S. des § 5 II HWiG vorliegen, ist die Norm auslegungsfähig (Reiter/Methner, VuR 2002, 90 [92f.]). Möglich sind eine weite und engere Auslegungen. Der Wortlaut des § 5 II HWiG kann einmal mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. hierzu den Vorlagebeschluss des Senats, NJW 2000, 521 = WM 2000, 26 [27] m.w. Nachw.) dahin verstanden werden, dass das VerbrKrG das HWiG für Realkredite vollkommen verdrängt, wenn der Anwendungsbereich des VerbrKrG überhaupt eröffnet ist, weil das VerbrKrG das speziellere Gesetz ist. Möglich und vertretbar ist aber auch eine Auslegung des Wortlauts dahin, dass das HWiG durch § 5 II HWiG nicht vollständig verdrängt wird, wenn ein Kreditvertrag nur Teilen des VerbrKrG unterfällt oder - noch weiter gehend - dieses dem Verbraucher nicht den gleichen effektiven Schutz bietet wie das HWiG (Reich/Rörig, EuZW 2002, 87 [88]).
Für eine solche einschränkende Auslegung werden insbesondere der Sinn und Zweck des § 5 II HWiG und die Begründung zu § 5 HWiG-E (BT-Dr 10/2876, S. 14) angeführt. Dem Gesetzgeber erschien es danach möglicherweise sinnvoll, jeweils das sachnähere Gesetz für anwendbar zu erklären, solange dieses einen dem HWiG vergleichbaren Schutz gewährleistet (Fischer/Machunsky, HWiG, 2. Aufl., Grundlagen Rdnr. 83).
Dies ist bei Realkreditverträgen i.S. des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG indes nicht der Fall. Bei ihnen steht dem Kreditnehmer nach dem VerbrKrG kein Widerrufsrecht zu. Da das VerbrKrG damit erheblich hinter dem durch das HWiG bezweckten Schutz zurückbleibt und der Schutzbedürftigkeit eines Verbrauchers in einer Haustürsituation nicht Rechnung trägt, ohne dass dafür ein zwingender sachlicher Grund ersichtlich ist, waren ein Teil der Rechtsprechung (OLG München [5. ZS], WM 2000, 1336 [1338f.]) und eine bedeutsame Mindermeinung in der Literatur (Staudinger/Werner, BGB, 13. Bearb. [1997], § 5 HWiG Rdnrn. 24, 27; Erman/Klingsporn, BGB, 9. Aufl., § 5 HWiG Rdnr. 5; Fischer/Machunsky, Grundlagen Rdnrn. 80-86; § 51 Rdnr. 31; Steppeler, VerbrKrG, 2. Aufl., S. 209; Köndgen, Gewährung u. Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl., S. 32; Peters, in: Lwowski/Peters/Gößmann, VerbrKrG, 2. Aufl., S. 173-175; ders., DZWir 1994, 353 [357]; ders., WuB I E 2b.-6.93; Spickhoff/Petershagen, BB 1999, 165 [169f.]; Stüsser, NJW 1999, 1586 [1589]) schon vor der Entscheidung des EuGH vom 13. 12. 2001 und ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung der Auffassung, § 1 HWiG a.F. werde durch § 5 II HWiG nur dann verdrängt, wenn das vorrangig anzuwendende VerbrKrG einen gleich effektiven Schutz biete.
Dieser Auffassung haben sich nach dem Urteil des EuGH vom 13. 12. 2001 mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5 II HWiG das OLG München (20. ZS, WM 2002, 694 [695]) und weitere Autoren angeschlossen (Pfeiffer, EWiR 2002, 261 [262]; Reich/Rörig, EuZW 2002, 87 [88]; Hoffmann, ZIP 2002, 145 [149]; Kulke, ZBB 2002, 33 [45ff.]; Staudinger, NJW 2002, 653 [655]; Fischer, ZfIR 2002, 19 [21]; Frisch, BKR 2002, 84 [85]; Reiter/Methner, VuR 2002, 90 [92f.]; Rott, VuR 2002, 49 [52]). Nur wenn man die Ansicht aller dieser Stimmen aus Rechtsprechung und Schrifttum für schlechthin unvertretbar hielte (so unter Hinw. auf den angeblich eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 5 II HWiG: OLG Bamberg, WM 2002, 537 [545]; LG München I, BKR 2002, 230 [234] u. 285 [287]; Edelmann, BKR 2002, 80 [81]; Habersack/Mayer, WM 2002, 253 [257]; Hochleitner/Wolf/Großerichter,WM 2002, 529 [531]; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 524; Markus Roth, WuB IV D. § 5 HWiG 1.02; Sauer, BB 2002, 431 [432]), wäre eine richtlinienkonforme Auslegung ausgeschlossen. Der erkennende Senat ist, wie er schon durch die Vorlage vom 29. 11. 1999 an den EuGH und insbesondere durch die Frage nach der Zulässigkeit einer Befristung des Widerrufsrechts entsprechend § 7 II 3 VerbrKrG zum Ausdruck gebracht hat, nicht dieser Ansicht, sondern hält die von der Mindermeinung befürwortete Auslegung für möglich.
Erweist sich der Wortlaut des § 5 II HWiG danach als auslegungsfähig, so ist der Senat gezwungen, die Vorschrift richtlinienkonform auszulegen. Mit der Entscheidung des EuGH steht fest, dass die Haustürgeschäfte-Richtlinie die Gewährung eines Widerrufsrechts auch für Realkreditverträge fordert, die zugleich die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen. Das bedeutet für die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 II HWiG, dass die Subsidiaritätsklausel bezüglich der Widerrufsvorschriften nur dann greift, wenn im konkreten Fall auch das VerbrKrG ein Widerrufsrecht gewährt. Wird das Widerrufsrecht - wie hier - nach § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen oder ist es nach den Regelungen des VerbrKrG bereits erloschen, muss es bei der Anwendbarkeit des § 1 HWiG a.F. bleiben.
bb) Der Wille des Gesetzgebers hindert - entgegen der Meinung der Bekl. und einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Felke, MDR 2002, 226 [227]; v. Heymann/Annertzok, BKR 2002, 234; Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529 [531f.]; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 [524]) - die vorgenannte Auslegung nicht. Zwar ergibt sich - wie der Senat im Einzelnen im Vorlagebeschluss vom 29. 11. 1999 ausgeführt hat - aus den Materialien zum VerbrKrG (BT-Dr 11/5462; BT-Dr 11/8274), dass der Gesetzgeber das Widerrufsrecht nach § 1 HWiG a.F. für Kreditverträge i.S. von § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ausschließen wollte. Dem Gesetzgeber kann aber nicht unterstellt werden, er habe bei der Konkurrenzregel des § 5 II HWiG sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollen; der Privilegierung von Realkreditverträgen in einer Haustürsituation lag vielmehr die Annahme zu Grunde, sie sei richtlinienkonform (Staudinger, NJW 2002, 653 [655]). Der Gesetzgeber des HWiG war davon ausgegangen, mit diesem Gesetz die europarechtlichen Vorgaben der seinerzeit kurz vor dem Erlass stehenden Haustürgeschäfte-Richtlinie bereits umgesetzt zu haben (Rechtsausschuss zum RegE HWiG sowie zum GE der SPD-Fraktion, BT-Dr 10/4210, S. 9; so auch BGHZ 139, 21 [26] = NJW 1998, 2356 = LM H. 9/1998 HWiG Nr. 31). Die Übereinstimmung von nationalem Recht und Richtlinieninhalt entsprach danach seinem Willen.
cc) Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes spricht (entgegen Felke, MDR 2002, 226 [227]) nicht gegen die richtlinienkonforme Auslegung. Dass gerichtliche Entscheidungen zur Auslegung einer Vorschrift Auswirkungen auf in der Vergangenheit liegende, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte haben, steht nicht einmal der Zulässigkeit einer Änderung der Rechtsprechung entgegen (BGHZ 132, 119 [129] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107; Schimansky, WM 2001, 1889 [1890]). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass von einem schützenswerten Vertrauen in die von der Bekl. befürwortete Auslegung des § 5 II HWiG nie die Rede sein konnte: Wie oben dargelegt war die Auslegung dieser Vorschrift bereits vor der Entscheidung des EuGH seit langem umstritten. So wurde etwa von Steppeler (VerbrKrG, 1. Aufl., S. 186) die Ansicht vertreten, die von der Bekl. befürwortete Auffassung sei „äußerst bedenklich und gefährlich“; es sei „völlig unstreitig und offenkundig, dass mit der Vorrangregelung in § 5 II HwiG ausschließlich ein Nebeneinander von zwei gleichgerichteten Widerrufsrechten vermieden werden“ solle, das bei Realkrediten i.S. des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG gerade nicht bestehe.
dd) Ohne Erfolg bleibt ferner der Einwand, ein Rückgriff auf das HWiG im Wege richtlinienkonformer Auslegung des § 5 II HWiG sei nach nationalem deutschen Recht systemwidrig, weil dann dem Verbraucher bei - nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich privilegierten - Realkreditverträgen gem. § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ein stärkeres Widerrufsrecht zustünde als bei Personalkreditverträgen (Edelmann, BKR 2002, 80 [81f.]). Richtig hieran ist, dass eine auf Realkreditverträge beschränkte Eröffnung des Widerrufsrechts gem. § 1 HWiG a.F. system- und wertungswidrig wäre. Sie würde dazu führen, dass Realkreditverträge i.S. des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG im Falle einer Haustürsituation in weiterem Umfang als Personalkreditverträge widerrufbar wären. Die auf den Abschluss eines Realkreditvertrags gerichteten Willenserklärungen könnten nämlich innerhalb der längeren Frist des § 2 I 4 HWiG in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung widerrufen werden und nicht nur wie bei Personalkreditverträgen innerhalb der Frist des § 7 VerbrKrG in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung.
Der vorgenannten richtlinienkonformen Auslegung des § 5 II HWiG steht dies jedoch nicht entgegen. Der Wertungswiderspruch lässt sich nämlich dadurch vermeiden, dass die richtlinienkonforme Auslegung nicht auf Realkreditverträge i.S. des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG beschränkt, sondern auf Personalkreditverträge erstreckt wird. Nur dies wird auch dem Urteil des EuGH gerecht. Zwar beschränkt sich die Entscheidung in ihrem Tenor - entsprechend der Fragestellung - auf die Feststellung, dass bei in Haustürsituationen geschlossenen Realkreditverträgen ein Widerrufsrecht gemäß der Haustürgeschäfte-Richtlinie zu gewähren sei. Nach der Begründung der Entscheidung kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass es für die Frage, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen ist, nicht darauf ankommt, ob ein Real- oder ein Personalkreditvertrag vorliegt, sondern allein auf die Entstehung des Vertrags in einer Haustürsituation. Dem Urteil ist daher zu entnehmen, dass die für Realkreditverträge geltende Vorgabe der Haustürgeschäfte-Richtlinie in gleicher Weise für die in Haustürsituationen zu Stande gekommenen Personalkreditverträge gelten würde, die nach nationalem deutschem Recht dem VerbrKrG unterliegen (so auch Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529).
Eine solche Auslegung ist mit § 5 II HWiG nicht unvereinbar (a.A. Edelmann, BKR 2002, 80 [82]). Angesichts der dargelegten Auslegungsfähigkeit der Norm und der Tatsache, dass der Gesetzgeber mit dem HWiG die Vorgaben der Haustürgeschäfte-Richtlinie erfüllen wollte, sind die Gerichte auch bei Personalkreditverträgen zu einer entsprechenden richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet.
ee) Die vorbezeichnete Auslegung führt entgegen der Auffassung der Bekl. nicht zu einer methodisch bedenklichen Sinnentleerung bzw. Derogation des § 5 II HWiG (so aber Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529). Da die Subsidiaritätsklausel nur hinsichtlich der Widerrufsvorschriften der beiden konkurrierenden Gesetze eine einschränkende Auslegung erfährt und dies auch nur für den Fall, dass das VerbrKrG dem Verbraucher kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht gibt wie das HWiG, bleibt für die Subsidiaritätsklausel in § 5 II HWiG ein Anwendungsbereich erhalten. So schließt § 5 II HWiG - wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache XI ZR 32/99 entschieden und näher ausgeführt hat - bei Realkreditverträgen einen Rückgriff auf § 7 HWiG aus.
Im Übrigen ist für die Vorrangregelung des § 5 II HWiG nur dann kein Raum, wenn ein Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG ausgeschlossen oder bereits erloschen ist. In den Fällen, in denen das VerbrKrG selbst ein Widerrufsrecht gewährt, bleibt es demgegenüber bei der in § 5 II HWiG geregelten Subsidiarität des HWiG.
ff) Der richtlinienkonformen Auslegung lässt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, sie begründe in Wahrheit eine horizontale Direktwirkung der Richtlinie, die dieser gerade nicht zukomme (hierzu Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 [527f.]). Der Senat beschränkt sich auf eine richtlinienkonforme Auslegung. Eine solche ist - wie ausgeführt - im Rahmen des vom nationalen Recht eingeräumten Beurteilungsspielraums möglich. Sie gibt dem Verbraucher ein im nationalen Recht in § 1 HWiG a.F. geregeltes Widerrufsrecht.
b) Das Argument, die Richtlinienkonformität des nationalen Rechts lasse sich auf andere Weise besser erreichen, greift ebenfalls nicht durch. Eine in der Literatur (Edelmann, BKR 2002, 80 [82]; Fischer, ZfIR 2002, 19 [22]) erörterte Auslegung des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG dahin gehend, dass bei in Haustürsituationen geschlossenen Realkreditverträgen das in § 7 VerbrKrG a.F. geregelte Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei, kommt nicht in Betracht. Sie würde nur zu einem befristeten Widerrufsrecht führen, das nach der Entscheidung des EuGH den Anforderungen der Haustürgeschäfte-Richtlinie nicht genügt.
3. Die durch das Urteil des EuGH gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 II HWiG erfasst auch den vorliegenden Fall, obwohl die Bekl. zu Recht darauf hinweist, dass nach dem für die Revision zu Grunde zu legenden Sachverhalt die - streitige - Haustürsituation nur bei der Vertragsanbahnung, nicht hingegen beim Vertragsabschluss selbst vorlag. Dies hätte zwar zur Folge, dass der Kreditvertrag mit Rücksicht auf die richtlinienüberschießende Umsetzung im deutschen Recht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nach dem HWiG erfüllte, nicht aber den Tatbestand der Haustürgeschäfte-Richtlinie: Während Letztere gem. Art. 1 I, 3 und 4 voraussetzt, dass in der konkreten Haustürsituation der Vertrag geschlossen oder jedenfalls ein entsprechendes Vertragsangebot abgegeben worden sein muss, genügt nach § 1 HWiG a.F. eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluss ursächlich war.
Der gegenüber dem HWiG engere Anwendungsbereich der Haustürgeschäfte-Richtlinie rechtfertigt eine abweichende Auslegung des § 5 II HWiG nicht. Vielmehr erstreckt sich die richtlinienkonforme Auslegung auch auf solche Verträge, die zwar nicht unmittelbar der Richtlinie unterfallen, die aber nach nationalem Recht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen. Die von einem Teil der Literatur (Habersack, WM 2000, 981 [991]; ders./Mayer, WM 2002, 253 [257]; Edelmann, BKR 2002, 80 [81]; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 [527f.]; Wagner, BKR 2002, 194 [195]) befürwortete „gespaltene Auslegung“, nach der die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 II HWiG auf Sachverhalte beschränkt bleiben soll, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, überzeugt nicht (so auch Frisch, BKR 2002, 84 [86]; Hoffmann, ZIP 2002, 145 [149]; Kulke, ZBB 2002, 33 [44]f.; Staudinger, NJW 2002, 653 [655]). Sie widerspricht der durch das deutsche Recht geforderten Gleichbehandlung der verschiedenen Haustürsituationen.
Befürworter der „gespaltenen Auslegung“ räumen denn auch selbst ein, dass sich eine solche Auslegung deutlich vom Wortlaut des § 1 HWiG a.F. entfernen würde (so Habersack, WM 2000, 981 [991]). § 1 HWiG a.F. unterscheidet gerade nicht danach, ob der Vertrag in einer Haustürsituation geschlossen oder nur angebahnt wurde (Hoffmann, ZIP 2002, 145 [149]; Kulke, ZBB 2002, 33 [44f.]).
Darüber hinaus widerspricht eine „gespaltene Auslegung“ Sinn und Zweck des § 1 HWiG a.F. Dieser gebietet die Gleichstellung aller Willenserklärungen, die in der Haustürsituation selbst oder auf Grund einer Einflussnahme in der Haustürsituation abgegeben worden sind. Diese gesetzgeberische Zielsetzung würde eine differenzierte Auslegung unterlaufen. Der deutsche Gesetzgeber hat für sie keinen Raum gelassen. Mit seiner Entscheidung, den Begriff des Haustürgeschäfts weiter zu fassen als die Haustürgeschäfte-Richtlinie dies fordert, hat er vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass er den Kunden in sämtlichen dem § 1 HWiG a.F. unterfallenden Situationen - unabhängig davon, ob sie vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden - in gleicher Weise für schutzwürdig hält.
Eine „gespaltene Auslegung“ würde zudem zu erheblichen Rechtsanwendungsproblemen führen, da in jedem Einzelfall die genaue Abgrenzung zwischen Haustürgeschäften nach der Haustürgeschäfte-Richtlinie und sonstigen Haustürgeschäften erforderlich wäre. Abgesehen davon, dass dies in vielen Fällen zu umfangreichen Feststellungen zwingen würde, wäre es auch deshalb bedenklich, weil damit das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 1 HWiG a.F. letztlich von Zufällen des tatsächlichen Geschehensablaufs abhinge.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall die Frage, ob das Urteil des EuGH zur zweiten Vorlagefrage über den Wortlaut des Tenors hinaus im Lichte der Entscheidungsgründe dahin gehend zu verstehen ist, dass auch die Befristung der Ausübung des Widerrufsrechts in § 2 I 4 HWiG a.F. der Richtlinie widerspricht, und ob auch dem noch durch eine richtlinienkonforme Gesetzesanwendung Rechnung getragen werden könnte. Die Kl. haben ihre Willenserklärungen mit der im Januar 1998 erhobenen Klage vor Ablauf der Frist des § 2 I 4 HWiG a.F. widerrufen, da bislang die beiderseitigen Leistungen aus dem Vertrag noch nicht vollständig erbracht sind.
III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 I ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen (§ 565 I 1 ZPO a.F.). Dieses wird, da die Umstände des Vertragsschlusses zwischen den Parteien streitig sind, zunächst Feststellungen zu den Voraussetzungen des Widerrufsrechts gem. § 1 HWiG a.F. zu treffen haben.
Sollte danach ein Widerrufsrecht zu bejahen sein, wird das BerGer. bei der Prüfung der sich aus § 3 HWiG (in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung) ergebenden Rechtsfolgen des Widerrufs zu berücksichtigen haben, dass § 9 VerbrKrG (in der bis zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung) gem. § 3 II Nr. 2 VerbrKrG auf Realkreditverträge im Sinne dieser Vorschrift nicht anwendbar ist (Edelmann, BKR 2002, 80 [83]; Felke, MDR 2002, 226 [227]; Fischer, ZfIR 2002, 15 [22f.]). Entgegen der Auffassung der Kl. sind die Senatsurteile vom 17. 9. 1996 (insb. BGHZ 133, 254 [259ff.] = NJW 1996, 3414 = LM H. 2/1997 HWiG Nr. 27 [m. Anm. Pfeiffer] = WM 1996, 2100, u. BGH, NJW 1996, 3416 = LM H. 2/1997 HWiG Nr. 28 = WM 1996, 2103) insoweit nicht einschlägig. Diese Urteile betreffen nicht Realkreditverträge, sondern die Finanzierung einer Gesellschaftsbeteiligung, bei der der Darlehens- und der Beteiligungsvertrag auf Grund besonderer Umstände als ein verbundenes Geschäft anzusehen waren. Um ein solches Geschäft handelt es sich hier nicht.
Nach ständiger langjähriger Rechtsprechung mehrerer Senate des BGH sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen (BGH, WM 1970, 1362 [1363]; NJW 1980, 41 = LM § 242 [Cd] BGB Nr. 221 = WM 1979, 1054; NJW 1981, 389 = LM § 242 [Cd] BGB Nr. 231 = WM 1980, 1446 [1447f.]; NJW-RR 1987, 523 = LM § 242 [Cd] BGB Nr. 283 = WM 1986, 1561 [1562]; NJW-RR 1992, 879 = LM H. 9/1992 § 276 [Cc] BGB Nr. 30 = WM 1992, 901 [905]; NJW 2000, 3065 = LM H. 2/2001 § 273 BGB Nr. 58 = WM 2000, 1287 [1288]). Denn bei einem Immobilienkauf weiß auch der rechtsunkundige und geschäftsunerfahrene Laie, dass Kreditgeber und Immobilienverkäufer in der Regel verschiedene Personen sind. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er in § 3 II Nr. 2 VerbrKrG bestimmt hat, dass die Regelungen über verbundene Geschäfte (§ 9 VerbrKrG) auf Realkredite i.S. des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG keine Anwendung finden.
Der Widerruf des Realkreditvertrags berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrags über die Eigentumswohnung deshalb grundsätzlich nicht. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 II HWiG ändert daran nichts. Sie hat nicht zur Folge, dass das VerbrKrG für Geschäfte der vorliegenden Art generell nicht zu beachten wäre. HWiG und VerbrKrG stehen insoweit vielmehr ebenso nebeneinander wie Haustürgeschäfte- und Verbraucherkredit-Richtlinie (vgl. Pfeiffer, EWiR 2002, 261 [262]). Ob der Kaufvertrag aus anderen Gründen unwirksam ist, was für die Rückabwicklung des Realkreditvertrags nach § 3 HWiG von Bedeutung sein kann, wird das BerGer. gegebenenfalls noch zu prüfen haben.