Prozesskostenhilfe

Germany
Content provided by:
European Judicial Network
European Judicial Network (in civil and commercial matters)

1 Welche Kosten sind mit einem Verfahren verbunden und wer hat sie normalerweise zu tragen?

Bei einer Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt entsteht ein Anspruch des Rechtsanwalts auf Vergütung für seine Tätigkeit, dessen Höhe in weitem Umfang von dem Gegenstandswert der Angelegenheit abhängig ist. Für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entstehen außerdem Gerichtskosten. Zu den Gerichtskosten gehören nicht nur Gebühren und Auslagen des Gerichts. Auch Kosten, die eine hilfsbedürftige Partei aufwenden muss, um einer vom Gericht verlangten Handlung nachzukommen oder die für eine angemessene Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind, gehören zu den Gerichtskosten. Eine nicht hilfebedürftige Partei müsste diese Kosten normalerweise tragen. In einem gerichtlichen Verfahren bekäme sie diese Kosten im Falle eines Obsiegens von der gegnerischen Partei ersetzt.

2 Was genau versteht man unter Prozesskostenhilfe?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden.

Hilfe für die rechtliche Beratung und Vertretung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (Beratungshilfe) erhalten bedürftige Personen nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz).

Für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens erhalten bedürftige Personen Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften über die Prozesskostenhilfe.

3 Unter welchen Voraussetzungen kann Prozesskostenhilfe gewährt werden?

Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe wird gewährt, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann (Bedürftigkeit) und keine anderen zumutbaren Möglichkeiten für eine Hilfe hat (z. B. Rechtsschutzversicherung, Beratung durch Mieterverein oder Gewerkschaft).

Außerdem darf die beabsichtigte Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig sein. Im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe muss darüber hinaus die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Das Gericht, das über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe entscheidet, muss den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder mindestens für vertretbar halten und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sein. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, besteht Anspruch auf Gewährung von Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe.

4 Wird Prozesskostenhilfe für alle Verfahrensarten gewährt?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Beratungshilfe (Beratung und, soweit erforderlich, Vertretung) wird gewährt in Angelegenheiten des Zivilrechts einschließlich des Arbeitsrechts, des Verwaltungsrechts, des Verfassungsrechts und des Sozialrechts. In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung gewährt. In Angelegenheiten, in denen das Recht anderer Staaten anzuwenden ist, wird Beratungshilfe gewährt, wenn der Sachverhalt eine Beziehung zum Inland aufweist. Im Steuerrecht wird keine Beratungshilfe gewährt.

Prozesskostenhilfe wird für alle Arten zivilprozessualer Streitigkeiten, für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren gewährt. Keine Prozesskostenhilfe erhalten der Angeklagte im Strafprozess und der Schuldner im Insolvenzverfahren. Für den Angeklagten im Strafprozess enthalten die Vorschriften über die Pflichtverteidigung abschließende Sonderregelungen. Dem Schuldner im Insolvenzverfahren werden auf Antrag die Verfahrenskosten gestundet, wenn er zusätzlich zum Insolvenzantrag auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Auf gesonderten Antrag wird ihm durch das Insolvenzgericht in diesem Fall auch ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

5 Gibt es besondere Verfahren für dringende Fälle?

Derartige Sonderverfahren existieren nicht; die bestehenden Möglichkeiten zur Erlangung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe decken auch dringende Fälle ab.

6 Wo kann ich ein Formular zur Beantragung von Prozesskostenhilfe erhalten?

Formulare für die Beantragung von Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe sind bei den Amtsgerichten und bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erhältlich.

7 Welche Belege muss ich meinem Antrag auf Prozesskostenhilfe beilegen?

Die erforderlichen Angaben zum Einkommen müssen durch Vorlage von Belegen glaubhaft gemacht werden (z. B. Lohn- oder Gehaltsabrechnung, bei Selbständigen letzter Steuerbescheid).

8 Wo reiche ich meinen Antrag auf Prozesskostenhilfe ein?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Der Antrag auf Beratungshilfe wird gestellt bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Rechtsuchende seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz) hat. Hat der Rechtsuchende im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Bedürfnis für Beratungshilfe auftritt. Wegen Beratungshilfe kann man sich auch unmittelbar an einen Rechtsanwalt wenden. Der erforderliche Antrag an das Amtsgericht muss dann nachträglich binnen vier Wochen gestellt werden.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist bei dem Gericht einzureichen, bei dem das Verfahren, für das um Prozesskostenhilfe nachgesucht wird, anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll. Dieses Gericht (und nicht etwa eine Sozialbehörde) prüft den Antrag und entscheidet darüber, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben sind.

9 Wie erfahre ich, ob ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Informationen zur Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe erteilen die Amtsgerichte und die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

10 Was sollte ich tun, wenn ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Falls ein Anspruch auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfe besteht, sollte der Berechtigte das entsprechende Formular ausfüllen, mit den erforderlichen Belegen versehen und bei der in Ziffer 8 genannten Stelle einreichen.

11 Wer wählt meinen Rechtsanwalt aus, wenn ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Beratungshilfe erhält der Rechtsuchende durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl. In den Ländern Bremen und Hamburg erfolgt die Beratungshilfe durch öffentliche Rechtsberatungsstellen. Rechtsanwälte sind verpflichtet, Beratungshilfe zu gewähren; die Übernahme eines Beratungshilfemandats kann nur im Einzelfall aus wichtigem Grund abgelehnt werden.

Auch im Falle der Prozesskostenhilfe besteht freie Anwaltswahl. Die rechtsuchende Partei muss einen vertretungsberechtigten Anwalt auswählen. Nur wenn der Rechtsuchende keinen zur Vertretung bereiten Anwalt findet, wählt der Vorsitzende des Gerichts einen Anwalt aus und ordnet diesen bei.

12 Deckt die Prozesskostenhilfe sämtliche Kosten des Verfahrens?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Dem Rechtsanwalt steht gegen den Rechtsuchenden, den er im Rahmen von Beratungshilfe beraten hat, eine Gebühr von 15 € zu, die er nach dessen Verhältnissen erlassen kann. Abweichende Vereinbarungen über die Vergütung sind nichtig. Seine weitere Vergütung erhält der Rechtsanwalt aus der Staatskasse.

Im Falle der Prozesskostenhilfe werden bis auf solche Auslagen der rechtsuchenden Partei, die für die Rechtswahrnehmung nicht notwendig waren, alle Verfahrenskosten abgedeckt. Der hilfebedürftigen Partei entstehen keine weiteren Kosten mehr.

13 Wer trägt die sonstigen Kosten, wenn ich nur teilweise Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe vor, entstehen der rechtsuchenden Partei keine sonstigen Kosten. Sämtliche notwendigen Verfahrenskosten sind mit der Gewährung der Prozesskostenhilfe gedeckt. Ist es der rechtsuchenden Partei jedoch finanziell möglich, sich mit einem Teil ihres Einkommens an den Verfahrenskosten zu beteiligen, so ist diese verpflichtet, der Staatskasse, die diese Kosten verauslagt hat, den entsprechenden Betrag ganz oder teilweise in Raten zurückzuzahlen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können bis zu vier Jahre nach dem Abschluss des Verfahrens überprüft werden und Raten angeordnet oder die bereits bestehenden Raten der Höhe nach angepasst werden. Mehr als 48 Ratenzahlungen werden nicht eingezogen.

Es besteht die Möglichkeit, dass die Prozesskostenhilfe sich nicht auf alle Verfahrensteile erstreckt, dann spricht man von einer Teil-PKH. In solchen Fällen bezieht sich die Wirkung der PKH nur auf den Teil für den sie bewilligt wurde.

14 Erstreckt sich die Prozesskostenhilfe auch auf Rechtsmittel?

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erstreckt sich nicht automatisch auf Rechtsmittel. Sie endet mit der die Instanz abschließenden Entscheidung. Für ein Rechtsmittelverfahren kann jedoch erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt werden. Das Rechtsmittelgericht prüft, ob die Partei noch bedürftig ist und das Rechtsmittel nicht mutwillig ist und Aussicht auf Erfolg hat. Die Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit wird nicht geprüft, wenn der Gegner Rechtsmittel eingelegt hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann hat die rechtsuchende Partei einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz.

15 Kann die Prozesskostenhilfe vor Abschluss des Verfahrens entzogen (oder sogar nach Beendigung des Verfahrens widerrufen) werden?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Die Gewährung von Beratungshilfe kann zurückgenommen werden, wenn sie auf falschen Angaben des Rechtsuchenden beruht.

Die Prozesskostenhilfe kann nur in folgenden Fällen widerrufen werden:

  1. bei Vortäuschung der Bewilligungsvoraussetzungen durch unrichtige Angaben zu dem Streitverhältnis,
  2. bei unrichtigen Angaben über die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen und Nichtabgabe erforderlicher Erklärungen,
  3. bei Nichtvorliegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung,
  4. bei einem Rückstand mit den Ratenzahlungen oder
  5. bei unterlassener Mitteilung einer wesentlichen Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder unterlassener Mitteilung einer neue Adresse.

16 Kann ich gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe vorgehen?

In Deutschland wird zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe unterschieden (siehe oben zu Frage 2).

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts, durch den der Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe zurückgewiesen wird, ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft.

Wird der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgewiesen, kann der Antragsteller gegen diese Entscheidung des Gerichts die sofortige Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einlegen, wenn der Streitwert der Hauptsache den Betrag von EUR 600,-- übersteigt. Übersteigt der Streitwert der Hauptsache den Betrag von 600,-- EUR nicht, dann ist eine Beschwerde nur zulässig, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Prozesskostenhilfe verneint hat.

17 Bewirkt der Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Aussetzung der Verjährungsfrist?

Die Einreichung eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Prozessgericht hemmt die Verjährung des Anspruchs, der mit der Klage festgestellt oder durchgesetzt werden soll, für die Prozesskostenhilfe beantragt wird. Hemmung bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Die Einreichung des Antrags bewirkt die Hemmung der Verjährung aber nur, wenn die Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe dem Gegner demnächst bekanntgegeben wird. Bei späterer Bekanntgabe wird die Verjährung erst zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem der Antrag auf Prozesskostenhilfe dem Gegner bekanntgegeben wurde.

 

Weitere Informationen finden Sie unter

https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Beratungs_PKH.html

Letzte Aktualisierung: 12/10/2023

Die landessprachliche Fassung dieser Seite wird von der entsprechenden EJN-Kontaktstelle verwaltet. Die Übersetzung wurde vom Übersetzungsdienst der Europäischen Kommission angefertigt. Es kann sein, dass Änderungen der zuständigen Behörden im Original in den Übersetzungen noch nicht berücksichtigt wurden. Weder das Europäische Justizielle Netz (EJN) noch die Europäische Kommission übernimmt Verantwortung oder Haftung für Informationen, die dieses Dokument enthält oder auf die es verweist. Angaben zum Urheberrechtsschutz für EU-Websites sind dem rechtlichen Hinweis zu entnehmen.