Deutsches Opferentschädigungsrecht
Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch - Soziale Entschädigung (SGB IVX)
Für welche Art von Straftat kann ich eine Entschädigung erhalten?
Grundsätzlich kann für Schäden infolge einer körperlichen oder psychischen Gewalttat eine Entschädigungsleistung nach dem Sozialen Entschädigungsrecht erbracht werden (SGB XIV). Eine körperliche Gewalttat ist ein vorsätzlicher, rechtswidriger unmittelbar gegen die Person des Opfers gerichteter tätlicher Angriff (z.B. Körperverletzung, terroristischer Anschlag, Mord). Entschädigung kann auch derjenige erhalten, der einen solchen Angriff abwehrt und dabei Schaden erleidet. Eine psychische Gewalttat ist ein sonstiges vorsätzliches, rechtswidriges, unmittelbar gegen die freie Willensentscheidung des Opfers gerichtetes schwerwiegendes Verhalten (z.B. sexuelle Nötigung, Menschenhandel).
Den Opfern von Gewalttaten stehen zudem Personen gleich, die infolge des Miterlebens der Tat oder des Auffindens des Opfers eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben oder die durch die Überbringung der Nachricht vom Tod oder der scherwiegenden Verletzung des Opfers eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wenn zwischen den Personen und dem Opfer ein enge emotionale Beziehung besteht.
Für welche Art von Verletzung kann ich eine Entschädigung erhalten?
Entschädigungsleistungen werden sowohl für gesundheitliche als auch wirtschaftliche Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die ursächlich auf eine Gewalttat zurückzuführen ist, gewährt. Gesundheitliche Schädigungen können körperlicher oder psychischer Art sein. Sach- und Vermögensschäden sind dagegen nicht ausreichend. Auch Schmerzensgeld wird nach dem SGB XIV nicht gewährt.
Kann ich eine Entschädigung erhalten, wenn ich ein/e Angehörige/r eines infolge einer Straftat verstorbenen Opfers oder ihm gegenüber unterhaltsberechtigt bin? Welche Angehörigen oder Unterhaltsberechtigten können eine Entschädigung erhalten?
Stirbt eine Person an den Folgen einer Gewalttat, gelten ihre Witwe/ihr Witwer, Waisen, Eltern und Betreuungsunterhaltsberechtigte als Hinterbliebene. Sie erhalten neben Schnellen Hilfen und besonderen psychotherapeutischen Leistungen auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, besondere Entschädigungszahlungen, Leistungen zum Lebensunterhalt und eine Leistung zur Förderung einer Ausbildung.
Kann ich eine Entschädigung erhalten, wenn ich ein/e Angehörige/r eines überlebenden Opfers oder ihm gegenüber unterhaltsberechtigt bin? Welche Angehörigen oder Unterhaltsberechtigten können in diesem Fall eine Entschädigung erhalten?
Angehörige einer geschädigten Person sind Ehepartner und Ehepartnerinnen sowie Kinder (auch in den Haushalt Geschädigter aufgenommene Stief- und Pflegekinder) und Eltern. Nahestehende sind Geschwister und Personen, die mit Geschädigten eine Lebensgemeinschaft führen, die der Ehe ähnlich ist. Sie erhalten Schnelle Hilfen sowie besondere psychotherapeutische Leistungen.
Kann ich eine Entschädigung erhalten, wenn ich kein/e Staatsangehörige/r eines EU-Landes bin?
Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.
Kann ich eine Entschädigung von diesem Land erhalten, wenn ich in diesem Land meinen Wohnsitz habe oder seine Staatsangehörigkeit besitze, selbst wenn die Straftat in einem anderen EU-Land begangen wurde? Könnte ich stattdessen in diesem Land eine Entschädigung beantragen, und nicht in dem Land, in dem die Straftat begangen wurde? Falls ja, unter welchen Bedingungen?
Auch Personen, die durch eine Gewalttat im Ausland eine gesundheitliche Schädigung erleiden, können unter bestimmten Voraussetzungen Entschädigungsleistungen des deutschen Staates erhalten, sofern sie ihren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben und sich zum Tatzeitpunkt nur für einen vorübergehenden Zeitraum außerhalb Deutschlands aufgehalten haben.
Leistungen der Schnellen Hilfen, die auch Angehörigen und Hinterbliebenen zustehen, sowie die erforderlichen Fahrtkosten (im angemessenen Umfang) zur nächstgelegenen Traumaambulanz werden ausschließlich im Inland übernommen. Ebenso werden Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung grundsätzlich im Inland gewährt, es sei denn, es besteht unmittelbar nach der Gewalttat akuter Behandlungsbedarf im Ausland und die anfallenden Kosten sind nicht anderweitig gedeckt. Zudem erhalten Geschädigte je nach Grad der Schädigungsfolgen Einmalzahlungen in festgeschriebener Höhe (zwischen 2.719 und 29.907 Euro). Auch Hinterbliebene erhalten Einmalzahlungen (Halbwaisen 2.719 Euro, Vollwaisen 3.660 Euro und weitere Hinterbliebene 8.156 Euro). Zu beachten ist, dass Leistungen aus anderen öffentlichen oder privaten Sicherungs- oder Versorgungssystemen auf alle genannten Leistungen (außer Schnelle Hilfen und Fahrtkosten zu Traumaambulanzen für Geschädigte) anzurechnen sind. Dazu zählen auch Leistungen aus Sicherungs- oder Versorgungssystemen, insbesondere Systemen der Opferentschädigung des Staates, in dem sich die Gewalttat ereignet hat - selbst wenn eine berechtigte Person einen Antrag auf solche Leistungen im ausländischen Staat nicht
Muss ich die Straftat zuerst bei der Polizei anzeigen, um eine Entschädigung beanspruchen zu können?
Antragsteller/Antragsstellerinnen nach dem SGB XIV sind zur Mitwirkung beim Entschädigungsverfahren verpflichtet. Das bedeutet, dass sie das ihnen Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters/der Täter beizutragen haben. Hierzu gehört grundsätzlich auch das Stellen einer Strafanzeige gegen den oder die Täter. In bestimmten Fälle ist es möglich, dass auf die Erstattung einer Strafanzeige verzichtet wird (z.B., wenn dies dem Opfer nicht zuzumuten ist).
Muss ich das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen oder des Strafverfahrens abwarten, bevor ich einen Antrag einreichen kann?
Nein, die zuständigen Behörden haben grundsätzlich eine eigenständige Entscheidung über den Entschädigungsantrag zu treffen. Dabei kann es allerdings in manchen Fällen erforderlich sein, das Ergebnis eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten.
Muss ich zuerst den Straftäter auf Entschädigung verklagen – sofern dieser ermittelt wurde?
Nein.
Habe ich Anspruch auf Entschädigung, auch wenn der Straftäter nicht ermittelt oder verurteilt wurde? Falls ja, welche Belege muss ich meinem Antrag beifügen?
Ja, die Entschädigung ist unabhängig von der Ermittlung oder Verurteilung eines Täters möglich. Dem Antrag sind alle Unterlagen beizufügen, die der Aufklärung des Sachverhalts und der Feststellung des Schädigungsumfangs dienen können.
Muss ich für meinen Entschädigungsantrag eine bestimmte Frist einhalten?
Nein, das SGB XIV kennt keine Antragsfrist. Leistungen werden jedoch frühestens ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, erbracht, es sei denn, der Antrag wird innerhalb eines Jahres nach dem schädigenden Ereignis gestellt. Dann werden die Leistungen ab dem Monat, in dem die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme vorliegen, erbracht.
Welche Schäden und Ausgaben fallen unter die Entschädigung?
Entschädigungsleistungen werden sowohl für gesundheitliche als auch wirtschaftliche Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die ursächlich auf eine Gewalttat zurückzuführen ist, gewährt. Umfang und Höhe der Leistungen richten sich nach dem SGB XIV.
Sie umfassen insbesondere:
- Sog. Schnelle Hilfen (Fallmanagement und Versorgung in Traumaambulanzen)
- Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung, inklusive Hilfsmitteln (z.B. Prothesen, Rollstuhl), Krankengeld, Zuschüssen zum Zahnersatz etc.
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, Leistungen zur Teilhabe an Bildung, zur Sozialen Teilhabe sowie zur medizinischen Rehabilitation
- Leistungen bei Pflegebedürftigkeit
- Bestimmte Leistungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit
- Entschädigungszahlungen an Geschädigte und Hinterbliebene
- Berufsschadensausgleich (wird nicht ins Ausland gezahlt)
- Kostenübernahme bei Überführung und Bestattung
- Fürsorgerische Leistungen bei schädigungsbedingter wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit (z.B. Leistungen zum Lebensunterhalt, zur Förderung einer Ausbildung oder zur Weiterführung des Haushalts)
- Im Ausnahmefall Leistungen zum Ausgleich besonderer Härten
Ein Schmerzensgeld wird nicht gezahlt. Eigentums- und Vermögensschäden werden grundsätzlich nicht ersetzt. Ausnahmen gelten für am Körper getragene Hilfsmittel wie Brillen, Kontaktlinsen oder Zahnersatz.
Wird die Entschädigung als Einmalzahlung oder in monatlichen Teilzahlungen geleistet?
Entschädigungszahlungen an Opfer und Hinterbliebene zum Ausgleich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Gesundheitsschädigung werden grundsätzlich monatlich gezahlt, solange ihre Voraussetzungen vorliegen. Auf Antrag kann auch eine Abfindung gezahlt werden, mit der die Ansprüche auf Entschädigungszahlungen für jeweils fünf Jahre abgegolten werden. Andere Leistungen werden erbracht, wenn und soweit ein entsprechender Bedarf besteht (z.B. Bestattungskosten, Hilfsmittel).
In welcher Weise könnten sich mein Verhalten bei der Straftat, meine Vorstrafen oder meine mangelnde Zusammenarbeit während des Entschädigungsverfahrens auf meine Chancen auf eine Entschädigung und/oder die Höhe einer Entschädigung auswirken?
Hat der/die Geschädigte oder Angehörige/Nahestehende/Hinterbliebene die Schädigung in vorwerfbarer Weise verursacht oder wäre eine Entschädigung aus im eigenen Verhalten liegenden Gründen unbillig, sind Leistungen nach dem SGB XIV ausgeschlossen bzw. zu versagen. Das bloße Vorhandensein von Vorstrafen genügt hierzu nicht. Antragsteller/Antragsstellerinnen sind zudem verpflichtet, alles ihnen Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters oder der Täter beizutragen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, können Leistungen ganz oder teilweise versagt werden.
Auf welche Weise könnte sich meine finanzielle Situation auf meine Chancen auf Entschädigung und/oder deren Höhe auswirken?
Leistungen der Sozialen Entschädigung nach dem SGB XIV werden grundsätzlich unabhängig von der Einkommens- oder Vermögenssituation der Antragssteller/Antragsstellerinnen erbracht. Lediglich bei Leistungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Schädigungsfolgen und bei fürsorgerischen Leistungen kann sich die finanzielle Lage des/der Geschädigten oder Hinterbliebenen auf den Umfang der Leistung auswirken.
Könnten sich andere Kriterien auf meine Chancen auf Entschädigung und/oder deren Höhe auswirken?
Der Anspruch auf Entschädigung und seine Höhe richten sich grundsätzlichen nach den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der gesundheitlichen Schädigung. Im Falle der Entschädigungszahlungen richten sich diese nach dem festzustellenden Grad der Schädigung (GdS).
Je nach Leistung können auch andere Kriterien Auswirkung auf die Entstehung des Anspruchs oder seine Höhe haben. Im Falle der Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene wirkt sich bspw. das Alter des Antragsstellers/der Antragstellerin auf das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach aus (Waisen erhalten bis zu ihrem 18. oder unter bestimmten Voraussetzungen bis zu ihrem 27. Lebensjahr Entschädigungszahlungen; Eltern von an den Folgen einer Schädigung verstorbenen Geschädigten erhalten hingegen ab ihrem 61. Lebensjahr Entschädigungszahlungen). Die Höhe der Entschädigungszahlung an Hinterbliebene ist hingegen bspw. davon abhängig, wie viele Angehörige der Antragssteller/die Antragsstellerin durch das schädigende Ereignis verloren hat und in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zueinanderstanden.
Wie wird die Entschädigung berechnet?
Die Höhe der Entschädigungszahlungen zum Ausgleich der gesundheitlichen Schädigungsfolgen bemessen sich nach deren Ausmaß, das anhand eines Grads der Schädigungsfolgen bestimmt wird. Der Grad der Schädigungsfolgen bemisst sich nach fünf regulären Stufen, wobei für Geschädigte mit dem höchsten Grad der Schädigungsfolgen von 100 zusätzlich schwerste Schädigungsfolgen festgestellt werden können.
Die Höhe anderer Leistungen der Sozialen Entschädigung orientieren sich an den jeweiligen eingetretenen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schäden.
Gibt es einen Mindest- und/oder Höchstbetrag?
Grundsätzlich sind die Leistungen der Sozialen Entschädigung ihrer Höhe nach nicht beschränkt. Nur die Entschädigungszahlungen sind der Höhe nach festgelegt.
Die Entschädigungszahlungen an Geschädigte bewegen sich ihrer Höhe nach, je nach festgestelltem Grad der Schädigungsfolgen, zwischen 434 und 2.169 Euro monatlich, können sich aber bei einem GdS von 100 und zusätzlich schwersten Schädigungsfolgen um weitere 20 % auf insgesamt 2.602,80 Euro pro Monat erhöhen. Die Abfindung, mit der Ansprüche auf Entschädigungszahlungen für die Dauer von fünf Jahren abgegolten werden, beträgt das 60-fache der monatlichen Entschädigungszahlung.
Geschädigte einer Gewalttat im Ausland, erhalten neben den Leistungen der Schnellen Hilfen und der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung allerdings lediglich Einmalzahlungen zum Ausgleich der Schädigungsfolgen zwischen 2.821 und 31.026 Euro.
Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene haben unterschiedliche Höhen, die sich im Einzelfall nach den zu entschädigenden Folgen, der Erwerbs- oder Ausbildungssituation, dem Alter des Berechtigten und ähnlichen Faktoren richten können. Z.B. haben Witwen/Witwer bei Vorliegen der Voraussetzungen Anspruch auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 1.144 Euro im Monat, Waisen eines schädigungsbedingt verstorbenen Elternteils in Höhe von 423 Euro und Waisen schädigungsbedingt verstorbener Eltern in Höhe von 662 Euro (jeweils grundsätzlich bis zum Ende ihres 18. Lebensjahrs, höchstens bis zum Ende ihres 27. Lebensjahrs). Witwen/Witwer können eine einmalige Abfindung anstelle der monatlichen Entschädigungszahlungen beantragen.
Hinterbliebene einer Person, die an den Folgen einer Gewalttat im Ausland gestorben ist, erhalten neben den Leistungen der Schnellen Hilfen lediglich Einmalzahlungen zum Ausgleich der Schädigungsfolgen zwischen 2.821 und 8.461 Euro.
Muss ich den Betrag im Antragsformular angeben? Falls ja, wo finde ich Anweisungen zur Berechnung der Entschädigung oder zu anderen Aspekten?
Nein. Es ist nicht erforderlich, selbst einen Entschädigungsbetrag anzugeben. Dieser richtet sich nach den entstandenen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der gesundheitlichen Schädigung und wird von der Entscheidungsbehörde entsprechend der Vorgaben des Sozialen Entschädigungsrechts im Laufe des Antragsverfahrens von Amts wegen festgesetzt.
Wird eine Entschädigung für mir entstandene Verluste aus anderen Quellen (aus einer Arbeitgeberversicherung oder privaten Versicherung) von der Entschädigung, die die Behörde/Stelle zahlt, abgezogen?
Die Entschädigungsleistungen zum Ausgleich gesundheitlicher Schädigungsfolgen werden grundsätzlich unabhängig von Leistungen anderer privater oder staatlicher Stellen erbracht. Bei der Berechnung von Leistungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Schädigungsfolgen kann eine Anrechnung solcher Leistungen jedoch in Betracht kommen.
Beruhen neben den Ansprüchen aus dem SGB XIV weitere Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung, dem Soldatenentschädigungsgesetz oder nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge auf demselben schädigenden Ereignis, können die Ansprüche auf Soziale Entschädigung in Höhe dieser konkurrierenden Ansprüche ruhen.
Im Falle von Gewalttaten im Ausland sind Leistungen aus anderen öffentlichen oder privaten Sicherungs- oder Versorgungssystemen auf die Leistungen nach dem SGB XIV (außer auf Leistungen der Schnellen Hilfen) anzurechnen. Dazu zählen auch Leistungen aus Sicherungs- oder Versorgungssystemen, insbesondere Systemen der Opferentschädigung des Staates, in dem sich die Gewalttat ereignet hat - selbst wenn eine berechtigte Person einen Antrag auf solche Leistungen im ausländischen Staat nicht gestellt hat.
Kann ich einen Vorschuss auf die Entschädigung erhalten? Falls ja, unter welchen Bedingungen?
Vorschusszahlungen sind nach dem SGB XIV nicht vorgesehen.
Leistungen der Schnellen Hilfen wie Fallmanagement und Leistungen der Traumambulanz werden aber in der Regel im Erleichterten Verfahren erbracht. Das heißt, dass vor einer endgültigen Entscheidung über das Bestehen von Ansprüchen lediglich summarisch geprüft wird, ob die antragstellende Person anspruchsberechtigt sein kann, und der im Antrag dargestellte Sachverhalt als wahr unterstellt wird, wenn die Unrichtigkeit der Darstellung nicht offensichtlich ist.
Leistungen der Krankenbehandlung, Leistungen zur Teilhabe sowie Fürsorgeleistungen können jedoch schon vor der endgültigen Entscheidung über den Entschädigungsantrag erbracht werden. Über ihre Erbringung kann auf Antrag und bei berechtigtem Interesse vorläufig entschieden werden, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung einzelner Leistungen mit Wahrscheinlichkeit gegeben sind, aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen noch nicht endgültig entschieden werden kann.
Kann ich eine ergänzende oder zusätzliche Entschädigung nach der Entscheidung in der Hauptsache erhalten (nachdem sich z. B. die Umstände geändert oder der Gesundheitszustand verschlechtert hat usw.)?
Bei Veränderung des Gesundheitszustands kann jederzeit ein Antrag auf Neufeststellung gestellt und die neue Berechnung von Leistungen beantragt werden. Bei der Berechnung von Leistungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Schädigungsfolgen können veränderte Einkommenslagen jederzeit berücksichtigt werden.
Welche Begleitunterlagen sollte ich meinem Antrag beifügen?
Beigefügt werden sollten alle Unterlagen, die zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Feststellung der verursachten Schädigungsfolgen beitragen.
Fallen Verwaltungs- oder andere Gebühren bei der Einreichung und für die Bearbeitung des Antrags an?
Nein.
Welche Behörde entscheidet über Anträge auf Entschädigung (in nationalen Fällen)?
Die Entscheidungsbehörden sind die nach dem Landesrecht der einzelnen Bundesländer bestimmten Versorgungsbehörden. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich danach, wo die betroffene Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Werden Betroffene, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben, Opfer einer Gewalttat in Deutschland, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassenen Rechtsverordnung (Auslandszuständigkeitsverordnung - AuslZustV). Danach ist für den Staat, in dem die geschädigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, ein bestimmtes Bundesland zuständig. Welche Behörde wiederum innerhalb des Bundeslandes zuständig ist, ergibt sich aus dem einschlägigen Landesrecht.
(Z.B. ist Baden-Württemberg nach der AuslZustV zuständig bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt der Geschädigten in den Staaten Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Liechtenstein, Schweiz, Spanien, Mexiko, Guatemala, Honduras, Tadschikistan, Turkmenistan oder Usbekistan. Das Sozialministerium Baden-Württembergs hat wiederum nach seinem Versorgungsverwaltungsgesetz eine Rechtsverordnung über die Zuständigkeit der Versorgungsverwaltung nach der AuslZustV, die Versorgungsverwaltung-Auslandszuständigkeitsverordnung (VersAuslZustVO), erlassen. Nach der VersAuslZustVO ist bspw. das Landratsamt Konstanz zuständig für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Liechtenstein und der Schweiz.)
Wohin muss ich meinen Antrag schicken (in nationalen Fällen)?
Der Antrag ist an die zuständige Versorgungsbehörde zu stellen.
Bei Antragstellern/Antragsstellerinnen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland haben und von einer Gewalttat im Inland betroffen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Versorgungsbehörden nach dem jeweiligen Wohnsitz oder Aufenthaltsort.
Antragsteller/Antragsstellerinnen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und von einer Gewalttat in einem EU-Mitgliedsstaat außerhalb Deutschlands betroffen sind, könne sich an die Bundesstelle für Soziale Entschädigung (BfSE) in ihrer Funktion als Deutsche Unterstützungsbehörde (DUB) wenden. Dieses informiert über mögliche staatliche Entschädigungsansprüche des Tatlandes, leitet den Entschädigungsantrag und Anlagen an die richtige Behörde weiter und lässt die notwendigen Dokumente in die jeweilige Landessprache übersetzen.
Antragsteller/Antragsstellerinnen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedsstaat außerhalb Deutschlands haben und von einer Gewalttat in Deutschland betroffen sind, können sich an die jeweilige nationale Unterstützungsbehörde des Staats ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts wenden. Diese leitet den Entschädigungsantrag an die richtige Behörde weiter.
Antragsteller/Antragsstellerinnen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU haben und von einer Gewalttat in Deutschland betroffen sind, müssen ihren Entschädigungsantrag an diejenige Versorgungsbehörde stellen, die nach der Auslandszuständigkeitsverordnung (AuslZustV) und dem jeweiligen Landesrecht für den Staat ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts zuständige ist. Sollte eine der folgenden Versorgungsbehörden nicht unmittelbar selbst für die nach der AuslZustV dem jeweiligen Bundesland zugewiesenen Staaten zuständig sein, kann die Behörde an die zuständige Stelle im Bundesland verweisen:
Baden-Württemberg |
Regierungspräsidium Stuttgart Abteilung 9 - Landesversorgungsamt und Gesundheit Ruppmannstraße 21 70565 Stuttgart +49 711 904-0
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Bayern |
Zentrum Bayern Familie und Soziales Zentrale Hegelstraße 2 95447 Bayreuth +49 921 605-03
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Berlin |
Landesamt für Gesundheit und Soziales Träger der Sozialen Entschädigung Sächsische Straße 28 10707 Berlin +49 30 90229-0 Postanschrift: Postfach 31 09 29, 10639 Berlin
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Brandenburg |
Landesamt für Soziales und Versorgung Lipezker Straße 45, Haus 5 03048 Cottbus Postanschrift: Postfach 100123, 03001 Cottbus +49 355 2893-800
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Bremen |
Amt für Versorgung und Integration Bremen Doventorscontrescarpe 172 D 28195 Bremen +49 421 361-5541
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Hamburg |
Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration Hamburger Meile/ Hamburger Straße 47 22083 Hamburg +49 40 42863-0 versorgungsamt@soziales.hamburg.de
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Hessen |
Regierungspräsidium Gießen Hessisches Landesamt für Versorgung und Soziales, Abteilung VI, Dezernat 61 Landgraf-Philipp-Platz 1-7 35390 Gießen +49 641 303-0
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Mecklenburg-Vorpommern |
Landesamt für Gesundheit und Soziales Abteilung Soziales Friedrich-Engels-Platz 5-8 18055 Rostock +49 385 588-59000 poststelle.zentral@lagus.mv-regierung.de
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Niedersachsen |
Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie Domhof 1 31134 Hildesheim +49 5121 304-227 auslandsversorgungsamt.nds@ls.niedersachsen.de
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Nordrhein-Westfalen |
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Polen, wenn Nachnahme mit Buchstaben von N bis Z beginnt, und Ungarn) Amt für Soziales Entschädigungsrecht Von-Vincke-Str. 23-25 48143 Münster +49 251 591-01
Landschaftsverband Rheinland (Belgien und Niederlande) Soziales Entschädigungsrecht Fachbereich 54 Deutzer Freiheit 77-79 50679 Köln +49 221 809-0
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Rheinland-Pfalz |
Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinallee 97-101 55118 Mainz +49 6131 967-333
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Saarland |
Landesamt für Soziales Hochstraße 67 66115 Saarbrücken +49 681 9978-0
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Sachsen |
Kommunaler Sozialverband Sachsen Fachbereich Soziales Entschädigungsrecht Reichsstraße 3 09112 Chemnitz +49 371 577-0 soziale.entschaedigung@ksv-sachsen.de
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Sachsen-Anhalt |
Landesverwaltungsamt Soziales Entschädigungsrecht Maxim-Gorki-Straße 7 06114 Halle (Saale) +49 345 514-3232
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Schleswig-Holstein |
Landesamt für Arbeitsschutz, Soziales und Gesundheit Soziales Entschädigungsrecht Große Burgstraße 4 23552 Lübeck +49 451 1406-253
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Thüringen |
Thüringer Landesverwaltungsamt Abteilung Versorgung und Inklusion Karl-Liebknecht-Straße 4 98527 Suhl +49 361 573315-200
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Bereits bei der Antragsstellung kann das sog. Fallmanagement unterstützen. Es ist eine Leistung der Schnellen Hilfen und wird im erleichterten Verfahren erbracht, also nach summarischer Prüfung, ob die Möglichkeit einer Anspruchsberechtigung besteht, bereits bevor über den Antrag endgültig entschieden wurde. Der Fallmanager oder die Fallmanagerin kann helfen, den Antrag bei der zuständigen Versorgungsbehörde zu stellen, und den Antragssteller/die Antragsstellerin durch das gesamte Antrags- und Leistungsverfahren begleiten.
Muss ich während des Verfahrens anwesend sein und/oder wenn über meinen Antrag entschieden wird?
Nein.
Wie lange dauert es (etwa), bis eine Entscheidung über meinen Antrag auf Entschädigung durch eine Behörde ergeht?
Dazu lässt sich keine generelle Aussage treffen. Die Dauer des Verfahrens hängt insbesondere davon ab, wie einfach oder schwierig die Sachverhaltsaufklärung ist und davon, ob die Einholung von ärztlichen Gutachten erforderlich ist.
Wie kann ich Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen, wenn ich mit der Entscheidung der Behörde nicht einverstanden bin?
Gegen die Entscheidung kann Widerspruch eingelegt werden. Kommt die zuständige Behörde im Widerspruchsverfahren nicht zu einer anderen Entscheidung, kann Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden.
Wo finde ich die erforderlichen Formulare und andere Informationen darüber, wie ich einen Antrag auf Entschädigung stellen kann?
Antragsformulare sowie weitere Informationen können Sie hier finden:
- Informationen für Opfer von Gewalttaten in Deutschland (Deutsch)
- Informationen zu Leistungen bei Gewalttaten im Ausland nach dem SGB XIV (Deutsch)
- Information about compensation for victims of violent crimes committed in Germany or another EU Member state (Englisch)
- Informationen zur Antragsstellung (Englisch und Deutsch)
Gibt es eine spezielle Hotline oder eine Website, wo ich mich informieren kann?
Informationen zum Sozialen Entschädigungsrecht finden Sie hier:
- Informationen zum Sozialen Entschädigungsrecht nach dem SGB XIV (Deutsch)
- Broschüre zum Sozialen Entschädigungsrecht (Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch und Deutsch)
Zur Homepage der Deutschen Unterstützungsbehörde (DUB) bei der Bundesstelle für Soziale Entschädigung (BfSE) gelangen Sie hier: https://www.bundesamtsozialesicherung.de/en/the-federal-social-compensation-office/the-federal-social-compensation-office/
Zur Homepage des Beauftragten der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen von terroristischen und extremistischen Anschlägen im Inland gelangen sie hier: https://www.bmjv.de/DE/themen/praevention_opferhilfe/opferbeauftragter/opferbeauftragter_node.html
Opferhilfeeinrichtungen in Deutschland finden Sie unter: https://www.odabs.org/
Kann ich einen Rechtsbeistand (Unterstützung durch einen Rechtsanwalt) für die Ausarbeitung des Antrags erhalten?
Nein. Kosten für einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin werden nicht als Entschädigungsleistung angesehen und können daher nicht nach dem SGB XIV ersetzt werden.
Gibt es Opferhilfeorganisationen, die mich bei meinem Antrag auf Entschädigung unterstützen?
Ja, es gibt eine Reihe von regionalen und überregionalen Opferhilfeorganisationen. Die größte bundesweite Hilfeorganisation ist der WEISSE RING.