1. Nationale IT-Portale für die Kommunikation mit Gerichten und Behörden
Die Möglichkeit zur Abhaltung einer Videoverhandlung im zivilgerichtlichen Verfahren ist in § 132a ZPO geregelt. Mit § 132a Abs 1 ZPO wird die Teilnahme an der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung für Parteien, Parteienvertreter und sonst der Verhandlung beizuziehende Personen ermöglicht. In einer solchen Tagsatzung können einerseits Verfahrenshandlungen vorgenommen werden, andererseits – eingeschränkt – auch Beweise aufgenommen werden. Die Beweisaufnahme ist auf die Erstattung von Gutachten gerichtlich beeideter Sachverständiger eingeschränkt; nur in der vorbereitenden Tagsatzung dürfen auch Parteien und informierte Personen nach § 258 Abs 2 ZPO einvernommen werden.
Die Durchführung einer „Videoverhandlung“ ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Parteien mit diesem Vorgehen des Gerichts einverstanden sind. Aus diesem Grund wird jeder Partei ein gegen die vom Gericht geplante Vorgangsweise gerichtetes Widerspruchsrecht eingeräumt, welches innerhalb einer vom Gericht – entweder in der Ladung oder mit gesondertem Beschluss – festzusetzenden, angemessenen Frist ausgeübt werden kann. Der Widerspruch einer Partei bedarf keiner Begründung und bewirkt, dass der vom Gericht auf Basis dieser Bestimmung geplante Einsatz der Videotechnologie ausscheidet. Der Widerspruch steht auch Parteien zu, die zwar mit der Art ihrer eigenen Teilnahme an der Verhandlung einverstanden sind, aber sich gegen die Art der Teilnahme anderer Personen wenden.
Die schon bisher gegebene Möglichkeit der Beweisaufnahme per „Videoverhandlung“ besteht gemäß § 277 ZPO weiterhin. § 132a und § 277 ZPO können bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen auch kombiniert zur Anwendung gelangen.
Nach § 460 Z 1a ZPO sollen in Verfahren in Ehesachen (§ 49 Abs 2 Z 2a JN) und in anderen nicht rein vermögensrechtlichen, aus dem gegenseitigen Verhältnis zwischen Ehegatten entspringenden Streitigkeiten (§ 49 Abs 2 Z 2b JN) nur anwaltlich vertretene Parteien „virtuell“ an der Verhandlung teilnehmen dürfen.
2. Nationale Rechtsvorschriften über Videokonferenzen in Zivil- und Handelssachen
Eine Tagsatzung nach § 132a ZPO wird vom Gericht von Amts wegen anberaumt. Die Parteien haben kein Antragsrecht und können eine „Videoverhandlung“ lediglich anregen. Das Gericht hat bei der Anordnung einer „Videoverhandlung“ darauf zu achten, dass sich das für die Tagsatzung vorgesehene Programm für diese Form der Verhandlung eignet.
Es steht zudem im Ermessen des Gerichts zu entscheiden, ob es alle Parteien und deren Vertreter oder bloß einzelne von diesen mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligt. Das ermöglicht auch „hybride“ Tagsatzungen, bei denen etwa nur eine der Parteien oder nur ein Parteienvertreter mittels technischer Verbindung zugeschaltet ist. Zulässig wäre es auch, nur den Sachverständigen mit Wort- und Bildübertragung hinzuzuziehen.
Das Gericht hat den Parteien (rechtzeitig) anzukündigen, ob es die bevorstehende Tagsatzung in Form einer „Videoverhandlung“ durchzuführen beabsichtigt. Dabei hat es zugleich darzulegen, ob es alle Parteien, deren Vertreter und Dritte oder bloß einzelne derselben mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligen möchte. Außerdem hat das Gericht der Ankündigung eine Information über die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer „Videoverhandlung“ anzuschließen.
Eine wesentliche Bedingung ist nach § 132a ZPO zudem, dass die technischen Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um die Tagsatzung verfahrenskonform abzuhalten. Dies bedeutet nicht nur, dass das Gericht technisch entsprechend ausgestattet sein muss, um sich mit den Verhandlungsteilnehmern zu verbinden, sondern dass auch die Beteiligten über geeignete technische Möglichkeiten verfügen müssen, was – um Widersprüche zu vermeiden – mit den Beteiligten vorweg abgeklärt werden sollte. Insbesondere ist im Falle der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen mit diesen zu erörtern, ob für sie ein barrierefreier Zugang zur Videotechnologie vorhanden ist. Die nach § 85b Abs 1 Z 1 GOG zur Verfügung gestellten Systeme haben den Anforderungen für Barrierefreiheit zu entsprechen.
3. Nationale Rechtsvorschriften über Videokonferenzen in Strafsachen
Im Strafverfahren sind Videokonferenzen in folgenden Fällen möglich:
1. Videovernehmung von Zeugen (+ Sachverständigen) und Opfern:
a. Im Ermittlungsverfahren: § 153 Abs. 4 StPO erfasst nur Zeugen und Beschuldigte. Die Bestimmung sieht vor, dass eine Vernehmung im Weg einer Videokonferenz durchzuführen ist, wenn ein Zeuge oder Beschuldigter seinen inländischen Aufenthaltsort außerhalb des Sprengels der zuständigen Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichts hat. Der Zeuge oder der Beschuldigte ist dann am Sitz der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zu vernehmen, in dessen Sprengel sich der Zeuge oder der Beschuldigte befindet. Ist ein Opfer einer Straftat gleichzeitig Zeuge, kann diese Person im Ermittlungsverfahren mittels Videokonferenz vernommen werden, wenn sich die Person außerhalb des Sprengels der zuständigen Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichts befindet.
b. Im Hauptverfahren: § 247a Abs. 1 StPO erfasst nur Zeugen. Zeugen können in der Hauptverhandlung mittels Videokonferenz vernommen werden, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
- Die Person ist wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus sonstigen erheblichen Gründen nicht in der Lage, vor Gericht zu erscheinen (§ 247a Abs. 1 Satz 1 StPO).
- Die Person hat ihren inländischen Aufenthaltsort außerhalb des Sprengels der zuständigen Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichts (§ 247a Abs. 1 Satz 2 StPO).
- Die Person ist wegen ihres Aufenthalts im Ausland nicht in der Lage oder nicht willens, vor Gericht zu erscheinen. Die Teilnahme hängt davon ab, ob die zuständige ausländische Behörde Rechtshilfe leistet (§ 247a Abs. 2 StPO).
Ist ein Opfer einer Straftat gleichzeitig Zeuge, kommt diese Bestimmung ebenfalls zur Anwendung. Eine passive – bloß zuhörende – Teilnahme am Strafverfahren via Videokonferenz ist in der StPO nicht vorgesehen.
2. Videovernehmung von Beschuldigten oder Angeklagten:
a. Im Ermittlungsverfahren: § 153 Abs. 4 StPO gilt auch für Beschuldigte. Auch bei einer Haftverhandlung ist die Möglichkeit der Beteiligung des Beschuldigten durch Videokonferenz unter Umständen möglich.
b. Im Hauptverfahren: Eine Beteiligung des Angeklagten an der Hauptverhandlung mittels Videokonferenz ist unzulässig.
3. Besonderheiten in Pandemiezeiten:
Auf Grund von COVID-19 hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Vernehmung im Wege der Videokonferenz über die bereits bisher vorhandenen ausgedehnt. Sie gelten nur während des Bestehens einer Pandemie und unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit zu deren Bekämpfung. Unter diesen Prämissen ist eine Vernehmung des Beschuldigten bzw. des Angeklagten im Wege der Videokonferenz in folgenden Verfahrensstadien bzw. im Rahmen folgender Verfahrensschritte möglich:
- Vernehmung des Beschuldigten im Rahmen einer Haftverhandlung (§ 176 Abs. 3 dritter Satz StPO);
- Vernehmung des Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, im Rahmen der Hauptverhandlung (§ 239 vorletzter Satz StPO), wobei nach der derzeit in Geltung stehenden Fassung der oben angeführten Verordnung eine solche im Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Geschworenengericht nur dann zulässig ist, wenn es im Einzelfall besonders gewichtige Gründe für unabdingbar erscheinen lassen;
- Teilnahme des Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof (§ 286 Abs. 1a StPO);
- Teilnahme des Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht (§ 294 Abs. 5 StPO);
- Teilnahme des Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Landesgericht (§ 471 StPO).
Im Bereich der internationalen justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sind in Österreich das ARHG und das EU-JZG maßgeblich.
Zum ARHG: Das ARHG beschränkt sich darauf, nur dort Verfahrensvorschriften aufzustellen, wo Besonderheiten des Rechtsgebietes der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen dies erforderlich machen. Im Übrigen hat eine subsidiäre Anwendung der StPO stattzufinden. Zusätzlich zu diesem Generalverweis sieht das ARHG an mehreren Stellen auch ausdrücklich die Anwendung der StPO für den betreffenden Regelungsgegenstand vor, so etwa bei den Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Auslieferungshaft (§ 29 Abs 1) oder für die Erledigung ausländischer Rechtshilfeersuchen (§ 58).
§ 58 Abs 1 ARHG: § 58 ist als Ergänzung zu § 9 Abs 1 in Zusammenhalt mit diesem auszulegen. Grundsätzlich findet auch auf die Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens österreichisches Strafprozessrecht Anwendung. Einem ausländischen Ersuchen um Anwendung des Verfahrensrechts des ersuchenden Staates ist aber insoweit zu entsprechen, als ein derartiges Vorgehen mit den Grundsätzen des ö Strafverfahrens vereinbar ist, die in den §§ 2–17 StPO ihren Niederschlag gefunden haben.
Das ARHG sieht keine Ausnahmen im Bereich der Vernehmung im Wege einer technischen Einrichtung zur Wort- und Bildübertragung (Videokonferenz) oder mittels Telefonkonferenz vor.
Zum EU-JZG:
§ 1 Abs 2: Abs 2 stellt eine der zentralen Bestimmungen des EU-JZG dar. Demnach gelten die Bestimmungen des ARHG sinngemäß, soweit sich aus den Bestimmungen des EU-JZG nichts Anderes ergibt. Durch den Verweis des ARHG in § 9 Abs 1 kommen weiters die Bestimmungen der StPO sinngemäß zur Anwendung. Zahlreiche verfahrensrechtliche Regelungen für Verfahren nach dem EU-JZG ergeben sich daher aus der StPO.
Im EU-JZG findet sich allerdings auch die explizite Erwähnung der Durchführung einer Vernehmung mittels technischer Einrichtung zur Wort- und Bildübertragung oder im Wege einer Telefonkonferenz (§ 55h EU-JZG).