Rechtsprechung

  • Rechtssachenbeschreibung
    • Nationale Kennung: VIII ZR 200/05
    • Mitgliedstaat: Deutschland
    • Gebräuchliche Bezeichnung:N/A
    • Art des Beschlusses: Sonstiges
    • Beschlussdatum: 26/11/2008
    • Gericht: BGH
    • Betreff:
    • Kläger:
    • Beklagter:
    • Schlagworte: Rechtsprechung Deutschland Deutsch
  • Artikel der Richtlinie
    Consumer Sales and Guarantees Directive, Article 3, 2. Consumer Sales and Guarantees Directive, Article 3, 3.
  • Leitsatz
    a) Der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten über eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne hinaus auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden.
    b) Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus; eine solche planwidrige Unvollständigkeit kann sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich seine Absicht bekundet hat, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, die Annahme des Gesetzgebers, die Regelung sei richtlinienkonform, aber fehlerhaft ist.
    c) § 439 Abs. 4 BGB ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. April 2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433 - Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) einschränkend anzuwenden: Die in § 439 Abs. 4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 bis 348 BGB) gelten in diesen Fällen nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst, führen hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache.
  • Sachverhalt
    Eine Verbraucherin hatte im Sommer 2002 bei der Beklagten, einem Versandhandelsunternehmen, ein "Herd-Set" zum Preis von 524,90 EUR gekauft. Im Januar 2004 stellte die Kundin fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen aus. Für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Gerätes verlangte sie rd. 70 EUR, die die Käuferin entrichtete. Der Kläger, ein Verbraucherverband, fordert aufgrund einer Ermächtigung durch die Käuferin von der Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages. Weiterhin verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Lieferung von Waren als Ersatz für mangelhafte Kaufgegenstände von Verbrauchern Zahlungen für die Nutzung der zunächst gelieferten Ware zu verlangen. Das LG hatte dem Zahlungsantrag stattgegeben und den Unterlassungsantrag abgewiesen. Das OLG hatte die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Dagegen hatten beide Parteien Revision eingelegt. Der BGH hatte die Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung der Klage auch hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs begehrt hat, zurückgewiesen. Hinsichtlich der Revision des Klägers, mit der dieser seinen Unterlassungsantrag weiter verfolgt hat, hatte der BGH zunächst das Verfahren mit Beschl. v. 16.8.2006 (ZGS 2006, 384) ausgesetzt und dem EuGH nach Art. 234 EGV die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Einklang steht. Der EuGH hatte durch Urt. v. 17.4.2008 (ZGS 2008, 226) die vorgelegte Frage verneint.
  • Rechtsfrage
  • Entscheidung

    Nunmehr hat der BGH entschieden, dass § 439 Abs. 4 BGB im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) entgegen seinem Wortlaut einschränkend anzuwenden sei. Die durch § 439 Abs. 4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 - 348 BGB) griffen nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst ein, sie führten beim Verbrauchsgüterkauf hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache. Diese Einschränkung sei erforderlich, weil eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung von Nutzungsersatz nach der Entscheidung des EuGH mit Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht vereinbar sei. An diese Entscheidung seien die nationalen Gerichte gebunden. Sie seien zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dieser von der Rechtsprechung des EuGH geprägte Grundsatz verlangt von den nationalen Gerichten mehr als nur eine Rechtsfindung innerhalb des Gesetzeswortlauts. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung erfordere darüber hinaus, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden. Daraus folge hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch Beschränkung des § 439 Abs. 4 BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt. Dies stehe im Einklang mit dem Grundsatz der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG). Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass eine planwidrige Regelungslücke besteht, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen sei. Aus den Gesetzesmaterialen gehe hervor, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, jedoch irrtümlich davon ausging, § 439 Abs. 4 BGB sei im Fall des Verbrauchsgüterkaufs mit Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar. Dies werde dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber nunmehr der Entscheidung des EuGH Rechnung tragen und durch eine Gesetzesänderung eine richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie herbeiführen will (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 15.10.2008, BT-Drucks. 16/10607, S. 4, 5 f.).

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